Zur Zeit der Dinosaurier dauerte ein Tag etwa 23 Stunden und 33 Minuten

Muscheln aus dem heutige Oman beweisen: Zur Zeit der Dinosaurier hatte ein Jahr 372 Tage. Jeder Tag war nur 23,5 Stunden lang. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler in einer neuen Studie über fossile Muschelschalen aus der späten Kreidezeit.
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Dinosaurier konnten vor 70 Millionen Jahren sogar an 372 Tagen pro Jahr den Mond beobachten.Foto: iStock
Von 12. März 2020

Unser Planet drehte sich am Ende der Kreidezeit – dem Zeitalter der Dinosaurier – schneller als heute. Muscheln beweisen, dass sich die Erde vor 70 Millionen Jahren 372 Mal pro Jahr um ihre eigene Achse drehte. Heute sind es nur noch 365 Umdrehungen (Tage) pro Jahr.

Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler in einer neuen Studie über fossile Muschelschalen aus der späten Kreidezeit. Außerdem dauerte ein Tag nur etwa 23,5 Stunden, wie die Studie im Online-Fachblatt American Geophysical Union (AGU) zeigt.

Ein Tag im Leben der Muscheln vor 70 Millionen Jahren

Die untersuchten prähistorischen Muscheln gehören zu einer ausgestorbenen und sehr vielfältigen Ordnung, die als Rudisten (lat. Hippuritoida) bekannt sind. Diese wuchsen sehr schnell und bildeten täglich Wachstumsringe. In der neuen Studie untersuchten Forscher mithilfe von Lasern winzige Schnitte der Schale und konnten die „Tagesringe“ genauer zählen als jemals zuvor.

Die Zählung der Wachstumsringe erlaubte den Forschern um Niels de Winter, die Anzahl der Tage pro Jahr zu bestimmen. Anhand dieser Daten berechneten sie die Länge eines Tages vor 70 Millionen Jahren. Die neuen Messungen geben zudem Einblicke, welchen Einfluss der Mond auf die Erde hatte und wie nah dieser der Erde in den letzten 4,5 Milliarden Jahren gekommen ist.

Darüber hinaus fanden die Wissenschaftler eindeutige Beweise dafür, dass die Muscheln photosynthetische Symbiosen eingingen sowie, wie und unter welchen Wasserbedingungen die Tiere lebten.

De Winters sorgfältige Auszählung der Wachstumsringe ergab 372 für jedes Jahresintervall. Dies war keine Überraschung, denn die Wissenschaftler wussten bereits, dass die Tage in der Vergangenheit kürzer waren. Das Ergebnis – ein Tag vor 70 Millionen Jahren dauerte etwa 23 Stunden und 33 Minuten – ist jedoch das Genaueste, das bis jetzt für die späte Kreidezeit verfügbar ist.

Die genauesten Daten der Erdgeschichte

„Wir haben etwa vier bis fünf Datenpunkte pro Tag! Das ist etwas, das man in der geologischen Geschichte fast nie bekommt. Wir können im Grunde einen Tag vor 70 Millionen Jahren betrachten. Das ist ziemlich erstaunlich“, sagte Niels de Winter, Geochemiker an der Vrije Universität Brüssel und Hauptautor der neuen Studie.

Klimarekonstruktionen der Vergangenheit beschreiben typischerweise langfristige Veränderungen, die in einem Zeitraum von Zehntausenden von Jahren auftreten. Studien wie diese geben jedoch einen Einblick in die Veränderungen, bezogen auf die Lebensdauer eines Lebewesens. So besteht die Möglichkeit, die Lücke zwischen Klima- und Wettermodellen zu schließen.

Die chemische Analyse der Schale zeigt außerdem, dass die Meerestemperaturen in der späten Kreidezeit wärmer waren als bisher angenommen. So betrug diese im Sommer etwa 40 Grad Celsius und im Winter über 30 Grad Celsius. Die hohen Temperaturen im Sommer näherten sich wahrscheinlich den physiologischen Grenzen für Mollusken, so de Winter.

„Die hohe Genauigkeit dieses Datensatzes ermöglichte es den Autoren, zwei besonders interessante Schlussfolgerungen zu ziehen, die unser Verständnis sowohl der Astrochronologie der Kreidezeit als auch der Paläobiologie zu schärfen helfen“, sagte Peter Skelton, pensionierter Paläobiologie und Rudistenexperte.

Muscheln als prähistorische Riffbauer

In der Studie legten die Forscher ihr Hauptaugenmerk auf die Analyse einer einzelnen Rudisten-Muschel. Dieses Individuum der Spezies Torreites Sanchezi lebte über neun Jahre lang auf einem flachen Meeresboden in den Tropen – ein Ort, der nun, 70 Millionen Jahre später, in den trockenen Bergen des Omans liegt.

Besonders speziell ist die Form der Muschel, da diese an Bierkrüge mit handtellergroßen Deckeln erinnern. Die prähistorischen Tiere besaßen zwei Schalen oder Klappen und wuchsen in dichten Riffen – ähnlich wie moderne Austern. Außerdem gediehen sie in Wasser, das weltweit mehrere Grad wärmer war als die heutigen Ozeane.

In der späten Kreidezeit dominierten Rudisten wie T. sanchezi die Riffbildung in tropischen Gewässern auf der ganzen Welt. Dabei nahmen sie die Rolle ein, die heute die Korallen spielen. Doch vor 66 Millionen Jahren verschwanden sie – wie die meisten Dinosaurier – von der Erde.

„Rudisten sind ganz besondere Muscheln. Es gibt nichts Vergleichbares, was heute lebt“, sagte de Winter. „Besonders in der späten Kreidezeit waren sie die größten Riffbauer weltweit. Sie übernahmen also wirklich die ökosystembildende Rolle, die die Korallen heute haben.“

Kurze Tage prägten das Leben der Muscheln mehr als Jahreszeiten

Die neue Methode fokussierte einen Laser auf kleine Teile der Schale, wodurch Löcher von 10 Mikrometern Durchmesser entstanden. Die Spurenelemente in diesen winzigen Proben geben Aufschluss über die Temperatur und die Chemie des Wassers zum Zeitpunkt der Bildung der Schale.

Weiterhin lieferte die Analyse genaue Messungen bezüglich Breite und Anzahl der täglichen Wachstumsringe sowie der jahreszeitlichen Muster. Die Forscher verwendeten jahreszeitliche Schwankungen in der versteinerten Schale, um die Jahre zu identifizieren.

Zudem stellte sich heraus, dass sich die Zusammensetzung der Schale im Laufe eines Tages stärker veränderte als im Laufe der Jahreszeiten oder mit den Zyklen der Gezeiten. So zeigt die Auswertung der Tagesschichten, dass die Schale am Tage deutlich schneller wuchs als in der Nacht.

Laut den Wissenschaftlern lässt dieses Ergebnis vermuten, dass Tageslicht für die Lebensweise der Muschel wichtiger war als bislang angenommen. Dies sei besonders dann der Fall, wenn sie sich vor allem durch das Filtern von Nahrung aus dem Wasser ernährten – ähnlich wie moderne Austern, so die Autoren.

„Diese Muschel hatte eine sehr starke Abhängigkeit vom Tageszyklus, was darauf hindeutet, dass sie Photosymbionten hatte“, so de Winter. Skelton ergänzte „Bis jetzt waren alle veröffentlichten Argumente für eine Photosymbiose bei Rudisten im Wesentlichen spekulativ – und sind in einigen Fällen nachweislich falsch“. Der Paleobiologe warnte jedoch, dass die Schlussfolgerung der neuen Studie spezifisch für Torreites-Muscheln gelten und nicht automatisch auf andere Rudisten angewendet werden können.



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