„Eine volkswirtschaftliche Katastrophe“ – Dunkelflauten gefährden die Industrie

Die wetterabhängige und deswegen schwankende Stromproduktion in Deutschland stellt inzwischen eine ernst zu nehmende Herausforderung für die Industrie dar. Einblicke in zwei Unternehmen zeigen den Ernst der Lage. Ebenso schlagen Verbände Alarm.
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„Je weniger Strom wir einsetzen, desto weniger produzieren wir – ein einfaches Gesetz“, kritisiert Tobias Wesselow, Geschäftsführer der Firma ANKE.Foto: Silas Stein/dpa
Von 23. Dezember 2024

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Die deutsche Strominfrastruktur hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Die erneuerbaren Energien besitzen inzwischen einen beträchtlichen Anteil an der durchschnittlichen Stromproduktion, insbesondere die Windkraft und Photovoltaik. Mit Blick auf die Wetterabhängigkeit dieser sogenannten Erneuerbaren schwanken jedoch die Stromproduktion und der Börsenstrompreis teils enorm. Das stellt neue Herausforderungen für die deutsche Industrie dar, die sich bisher immer auf eine überwiegend grundlastfähige Energieversorgung verlassen konnte.

Kurzfristiger Produktionsstopp

Bereits zum zweiten Mal innerhalb von rund fünf Wochen ereignete sich am 11. und 12. Dezember eine sogenannte Dunkelflaute. Das bedeutet Produktionsstillstand bei Deutschlands Photovoltaik- und Windkraftanlagen mangels Sonnenlicht und Wind.

Aufgrund der daraus resultierenden geringen Stromausbeute waren Teile der deutschen Industrie gezwungen, ihre Produktion stillzulegen. Zwar war die Energieversorgung durch Stromimporte aus dem Ausland gewährleistet. Der Börsenstrompreis erreichte hingegen einen Rekordwert, was die Produktion in vielen Fabriken unrentabel machte. Das führte dann zum Produktionsstillstand, um den Verlust zu begrenzen.

Das war bei der Firma ANKE in Essen, einem Spezialisten für Metalloberflächenveredelung, der Fall. Auf Anfrage der Epoch Times teilte der Geschäftsführer Tobias Wesselow mit:

Um auf diese Situation zu reagieren, mussten wir für Donnerstag [12. Dezember] kurzfristig beschließen, alle Prozesse, die beim Verchromen besonders viel Strom benötigen, aus den teuren Zeitfenstern herauszunehmen.“

Zudem habe der Betrieb die Laufzeiten der Öfen, in denen die Bauteile erhitzt werden, entsprechend angepasst. Die an jenem Tag nicht hergestellten Bauteile hat das Unternehmen am Samstag nachproduziert, so Wesselow. An diesem Tag befand sich der Börsenstrompreis wieder nahe dem Normalbereich.

Geschäftsführer: „Eine volkswirtschaftliche Katastrophe“

Wesselow sieht sein Unternehmen stark von den aktuellen Schwankungen auf dem Strommarkt betroffen. Mit Bezug auf den Dunkelflaute-Donnerstag sagte er: „Die derzeitigen Strompreise sind unerträglich hoch und haben teilweise auf die Stunde hin gesehen den Faktor 10 im Vergleich zu normalen Preisen erreicht.“

Solche ungeplanten Unterbrechungen würden seine Firma „vor erhebliche Herausforderungen“ stellen. „Neben den zusätzlichen Kosten entstehen durch die kurzfristigen Anpassungen Unsicherheiten in den Arbeitsabläufen, was die Planung für unser Team erschwert.“ Laut Wesselow sei seine Belegschaft erfahren und engagiert. Dennoch sei die Belastung für seine Mitarbeiter und das Unternehmen „enorm“, so der Geschäftsführer.

„Das Grundproblem ist, dass wir ohne Strom nicht galvanisieren [metallisieren] können. Und je weniger Strom wir einsetzen, desto weniger produzieren wir – ein einfaches Gesetz“, erklärte Wesselow. „Besonders frustrierend ist, dass diese Situation nicht nur uns betrifft. Viele Unternehmen, die ihren Strom an der Börse beziehen, schränken ihre Fertigung ein – eine volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Katastrophe.“

Zudem weist Wesselow auf Länder wie Norwegen oder Schweden hin, die die deutsche Energiewende zunehmend kritisch betrachten. „Der starke Fokus auf Solar- und Windenergie bei gleichzeitiger Abschaltung großer Grundlastkraftwerke führt zu einer fragilen Versorgungslage, die wir nun direkt spüren“, äußerte der Unternehmer. Er befürwortet eine ausgewogenere Strategie, „die einerseits auf erneuerbare Energien setzt, andererseits aber auch Grundlastkraftwerke berücksichtigt, um eine stabile Versorgung und bezahlbare Preise sicherzustellen“. Ebenso solle es mehr Stromspeicher geben.

Indes hätten Mitarbeiter bereits Fragen gestellt wie: „Wo soll das noch hinführen? Arbeiten wir künftig nur noch im Sommer?“ Tatsächlich hat die Bundesnetzagentur im August der Industrie bereits empfohlen, sich an die schwankende Stromerzeugung anzupassen. Wenn es im Sommer viel Solarstrom gibt, sollte die Industrie die Produktion hochfahren. Im Winter, bei Dunkelflaute und somit Strommangel, müsste diese dann häufig zum Erliegen kommen.

„Solche Situationen machen deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um Unternehmen wie unserem eine verlässlichere Planungsgrundlage zu bieten“, sagte Wesselow. „Wir hoffen, dass es bald Ansätze oder Lösungen gibt, die mehr Stabilität in die Energieversorgung und -kosten bringen können.“

Anlagen nicht in jeder Industrie abschaltbar

Doch nicht bei jedem Betrieb ist solch ein Produktionsstopp ohne Weiteres möglich, so etwa bei dem Chemiekonzern Covestro, der Hightechpolymerwerkstoffe herstellt. Eine Pressesprecherin teilte der Epoch Times auf Anfrage mit: „Als ein Unternehmen der Prozessindustrie können wir unsere Anlagen nicht beliebig ab- und wieder anfahren.“

Das Unternehmen sei nicht in der Lage, die Produktion an kurzfristige Änderungen im Stromnetz anzupassen. „Insofern hatten die Preisschwankungen der letzten Tage keine Auswirkungen auf unsere Produktionsmengen“, sagte sie.

In der vergangenen Woche stieg der Börsenstrompreis auf rund 936 Euro pro Megawattstunde. Normal wäre ein Preis von rund 70 Euro. Inzwischen weht der Wind wieder kräftiger über Deutschland und konnte dieser Tage teilweise fast den kompletten inländischen Strombedarf abdecken. Bei dieser üppigen Stromausbeute hat Deutschland wieder einen Stromüberschuss, was den Börsenstrompreis jedoch auf rund 0 Euro senkt – so geschehen aktuell in den nächtlichen Morgenstunden des 16. und 19. Dezember.

BDI: Dunkelflauten gefährden Industrieproduktion

Auch die Verbände kritisieren inzwischen die Auswirkungen der deutschen Energiewende. Eine Gefahr für die Industrie sieht etwa Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Der BDI vertritt 39 Branchenverbände sowie eine Arbeitsgemeinschaft, die aus sechs Verbänden besteht. Epoch Times fragte beim BDI nach. Lösch dazu:

Dunkelflauten erzeugen immer öfter extrem hohe Energiepreise und gefährden so Industrieproduktion und Arbeitsplätze am Standort Deutschland. Die aktuellen Entwicklungen am Strommarkt zeigen, dass die Versorgungssicherheit bei der Energiewende sträflich vernachlässigt wurde.“

Nach Aussage von Lösch muss die Politik „dringend handeln“, damit die Stromversorgung jederzeit zuverlässig ist und die Strompreise wettbewerbsfähig sind. Dabei betonte er – wie ansatzweise schon Wesselow – die Grundlastfähigkeit. Die Politik müsse diese mit einer „intelligenten Kraftwerksstrategie“ garantieren. Mit dem Atom-Aus und dem laufenden Kohle-Aus sinkt die Anzahl der grundlastfähigen Kraftwerke kontinuierlich.

Weiter sagte Lösch: „Bis 2030 sind Dutzende Gaskraftwerke notwendig, die auch Wasserstoff nutzen können, um Deutschlands Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Für deren Planung und Bau fehlt jedoch weiterhin jede Grundlage.“

Von der neuen Bundesregierung, die am 23. Februar gewählt wird, fordert er, das Thema Kraftwerksstrategie in den ersten 100 Tagen mit voller Kraft anzugehen. Nur so sei ein weiterer Abstieg der deutschen Industrie zu verhindern.

VCI: Stromkosten sind „zu hoch“

Auch der Verband der Chemischen Industrie (VCI) ist besorgt. Der VCI vertritt 2.300 Unternehmen aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Im Jahr 2023 setzten seine Mitgliedsunternehmen in Summe rund 245 Milliarden Euro um und beschäftigten über 560.000 Mitarbeiter.

In seiner kürzlich veröffentlichten Jahresbilanz 2024 fordert der Industrieverband unter anderem wettbewerbsfähige Energiepreise am Standort Deutschland: „Die Stromgesamtkosten sind im internationalen Vergleich zu hoch. Es fehlt an gesicherten Erzeugungskapazitäten, Speichern und ausreichenden Stromnetzen“, heißt es darin.

Laut dem Energiepreisindex hatte Deutschland zuletzt im November mit knapp 40 Cent pro Kilowattstunde die höchsten Endverbraucherpreise in ganz Europa.



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