Kopf runter, Welt vergessen: Was Handysucht ist – und wie man sie loswird

Wenn man etwas übertreibt, hat das viele negative Folgen. So ist es auch bei einer übermäßigen Nutzung von mobilen Geräten. Ein Psychotherapeut gibt Tipps, wie man einer Handyabhängigkeit trotzen kann.
Titelbild
Zu viel Zeit an mobilen Geräten kann sich auch negativ auf die zwischenmenschlichen Beziehungen auswirken.Foto: Zinkevych/iStock
Von 3. Dezember 2024

Die folgende Szene kennen wir alle: Man isst in seinem Lieblingsrestaurant. Dann sieht man sich um und entdeckt, dass die meisten anderen Besucher schweigend dasitzen und auf ihren Handys scrollen. Oder man geht an einer Bushaltestelle vorbei, an der Kinder stehen, die nicht miteinander reden oder scherzen, sondern still und einzeln auf ihre Handys starren.

Die ständige Erreichbarkeit und der Zwang, Benachrichtigungen, Nachrichten oder Social-Media-Updates zu prüfen, um immer auf dem neuesten Stand zu sein, sind Teil unseres Alltags geworden. Die Folgen für uns und unsere Umgebung sind oft nicht positiv.

Handynutzung als Droge

Denn viele Menschen haben heute eine ungesunde und zwanghafte Abhängigkeit von mobilen Geräten. Diese Abhängigkeit hat aber nicht nur eine übermäßige Nutzung zur Folge. Sie beinhaltet auch die Unfähigkeit, die Zeit, die man vor dem Gerät verbringt, zu kontrollieren.

Das kommt daher, dass die ständige Handynutzung in unserem Gehirn Dopamin freisetzt, einen Neurotransmitter, der mit Vergnügen und Belohnung in Verbindung gebracht wird. Langfristig kann das zu einer Dopaminabhängigkeit führen. Dieses chemische Belohnungssystem verstärkt unseren Zwang, das Telefon weiterzunutzen, auch wenn wir wissen, dass es uns von wichtigen Aufgaben ablenkt oder unsere Beziehungen beeinträchtigt. 

Arten der Handysucht

Was die Handysucht angeht, denken die meisten Menschen an übermäßigen Bildschirmkonsum. Allerdings gibt es je nach Handynutzung verschiedene Kategorien von Sucht:

Soziale Medien

Bei dieser Form der Sucht geht es um die zwanghafte Nutzung von Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok oder X. Die Nutzer schauen sich stundenlang Feeds an, posten Inhalte und suchen durch Likes, Kommentare und Follower nach Bestätigung.

Spiele

Mobile Spiele erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Einige Nutzer sind süchtig nach Spielen, die endlose Levels oder Herausforderungen bieten. Spiele wie „Candy Crush“, „Clash of Clans“ und „Call of Duty“ sind berüchtigt dafür, zwanghaftes Spielverhalten zu fördern.

Informationen

Manche Menschen sind süchtig nach Informationen. Sie haben das Bedürfnis, ständig auf dem Laufenden zu bleiben, was die neuesten Nachrichten, Trends oder das neueste Wissen angeht. Deshalb verbringen sie oft Stunden auf Nachrichtenseiten, Suchmaschinen und in Wissensforen.

Textnachrichten und Messaging

Eine weitere Form der Sucht ist der Zwang, ständig Textnachrichten abzurufen, sofort auf Texte zu antworten oder endlose Unterhaltungen über Nachrichtenplattformen wie WhatsApp zu führen. Das Bedürfnis nach sofortiger Kommunikation und die Angst, etwas zu verpassen, fördern dieses Verhalten. Die Angst ist nicht nur im englischen Sprachraum als FOMO (Fear of Missing Out) bekannt.

Glücksspiel

Mit mobilen Apps für Casinos, Sportwetten und Onlinepoker können die Nutzer bequem in den eigenen vier Wänden zocken. Um Nutzer zu begeistern, verwenden Glücksspiel-Apps ähnliche psychologische Techniken wie Handyspiele. Durch variable Belohnungen und Auszahlungsalgorithmen erleben die Spieler intermittierende Gewinne. Diese lösen eine Dopaminausschüttung aus und verstärken den Drang, weiterzuspielen.

Die Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden

Es gibt einige Möglichkeiten, wie sich digitale Abhängigkeit auf das Leben auswirken kann:

Mentale und emotionale Gesundheit

Zahlreiche Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen digitaler Abhängigkeit und psychischen Problemen. Dazu gehören schwere Depressionen, Angstzustände und sogar Selbstmordgedanken. Eine Untersuchung ging sogar so weit, das Smartphone als „Heroin für Millennials“ zu bezeichnen. Denn das Gehirn reagiert auf positives Feedback in den sozialen Medien ähnlich wie auf Opioide im Blutkreislauf.

Ferner ergab eine Studie aus dem Jahr 2006, dass 9 Prozent der Patienten einen „mäßigen bis schweren problematischen Internetgebrauch“ hatten. Bei Teilnehmern unter 25 Jahren wurden Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und soziale Angststörung festgestellt. Ältere Teilnehmer zeigten eher eine generalisierte Angststörung und eine Zwangsstörung.

Soziale Isolation

Viele Menschen ziehen virtuelle Interaktionen der persönlichen Kommunikation vor. Das führt zu einem Abbau realer sozialer Fähigkeiten und einem verstärkten Gefühl der Einsamkeit. Die Illusion, durch Textnachrichten und soziale Medien verbunden zu sein, ersetzt oft sinnvolle persönliche Kontakte. Deshalb fühlen sich die Menschen, obwohl sie ständig online sind, noch isolierter.

Beziehungsstress

Wenn ein Partner während eines Gesprächs oder einer gemeinsamen Aktivität am Telefon klebt, kann dies zu einem Gefühl der Vernachlässigung und des Abstands führen. Dies kann Spannungen verursachen und zum Scheitern von Beziehungen beitragen, vor allem, wenn das Handy zu einem Ersatz für echte Interaktion wird.

Leistungsabfall

Das ständige Piepsen und der Drang nach Neuigkeiten beeinträchtigen die Aufmerksamkeit und machen es schwierig, sich auf Aufgaben zu konzentrieren. Forschungsergebnissen zufolge kann Multitasking die Leistung senken und die kognitive Belastung erhöhen, was zu einem Leistungsabfall führt.

Schlafstörungen

Viele Menschen schauen kurz vor dem Schlafengehen auf ihr Handy oder wachen mitten in der Nacht auf, um in sozialen Medien zu surfen oder auf Nachrichten zu antworten. Diese Angewohnheit beeinträchtigt die Schlafqualität. Müdigkeit und verminderte kognitive Funktionen sind die Folgen.

Tipps gegen Handysucht

Obwohl Smartphones Teil des modernen Lebens sind, ist es wichtig, Grenzen zu setzen, um die Kontrolle zu behalten. Hier sind einige Strategien:

Sich Zeitlimits setzen

Viele Smartphones bieten inzwischen integrierte Funktionen zur Überwachung der Bildschirmzeit. Man kann sich Tageslimits für soziale Medien, Spiele oder Apps für Unterhaltung festlegen und sollte diese auch einhalten.

„Handyfreie“ Zonen schaffen

Man kann bestimmte Bereiche wie den Esstisch als „handyfrei“ bestimmen, oder Zeiten wie etwa in Besprechungen oder vor dem Schlafengehen. Diese Grenzen können dazu beitragen, die Bildschirmzeit zu senken und ein sinnvolleres Engagement mit Mitmenschen zu fördern.

Benachrichtigungen ausschalten

Eine der effektivsten Möglichkeiten, die Handynutzung zu reduzieren, besteht darin, nicht benötigte Benachrichtigungen abzuschalten. Ständiges Piepen und Vibrieren lösen zwanghaftes Verhalten aus und machen es schwer, dem Blick aufs Handy zu widerstehen.

Sich körperlich betätigen

Man kann sinnloses Scrollen durch Aktivitäten ersetzen, die das körperliche und geistige Wohlbefinden verbessern. Bewegung, Sport oder Hobbys im Freien können eine Pause von Bildschirmen bieten und gleichzeitig einen gesünderen Lebensstil fördern.

Zeiten für eine „digitale Entgiftung“ einplanen

Man kann bewusst regelmäßige Pausen vom Handy einlegen. Das heißt, dass man jeden Tag ein paar Stunden das Handy liegen lassen oder einen ganzen Tag in der Woche ohne Bildschirm auskommen sollte (beispielsweise ein bildschirmfreier Sonntag). Oder man kann einen Wochenendausflug planen, bei dem man sich auf Aktivitäten in der realen Welt ohne Technologie einlässt.

Persönliche Interaktionen bevorzugen

Man kann sich bewusst um persönliche Kommunikation bemühen. Ganz gleich, ob man sich Zeit für Familie und Freunde nimmt oder sich an gesellschaftlichen Veranstaltungen beteiligt, diese realen Interaktionen bieten emotionale Erfüllung und tragen dazu bei, die Abhängigkeit von virtuellen Beziehungen zu senken.

Seine Denkweise ändern

Darüber hinaus kann man seine Denkweise zum Handy ändern. So kann man es als ein Werkzeug betrachten, das für bestimmte Zwecke wie Kommunikation und Arbeit gedacht ist und nicht als Quelle der Unterhaltung oder der ständigen Verbindung. Wenn man die Beziehung zu seinem Gerät neu gestaltet, wird es seltener als eine sinnlose Fluchtmöglichkeit dienen.

Über den Autor

Dr. Gregory Jantz ist Psychotherapeut mit den Schwerpunkten Essstörungen, Depressionen, Angststörungen, Sucht und vielen mehr. Er ist der Begründer und Leiter von The Center: A Place of Hope, einer Klinik für psychische Gesundheit in Edmonds im US-Bundesstaat Washington. Außerdem ist er der Autor von „Healing Depression for Life“, „The Anxiety Reset“ und vielen anderen Büchern.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „The Science Behind Phone Addiction—and How to Overcome It“. (redaktionelle Bearbeitung as)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion