Windenergie in Baden-Württemberg: Von der „Zerstörung der Landschaft“ und dem Preis der „Kugel Eis“

Die Umsetzung der Regionalpläne zum Ausbau der Windenergie ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits führen sie zur Erreichung des von der Politik angestrebten Flächenziels. Andererseits sehen das viele Menschen in der Bevölkerung kritisch. Der Verein Mensch Natur visualisiert, wie verschiedene Regionen schon bald aussehen könnten.
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Die Stadt Baden-Baden. So könnte künftig der Blick aus dem Bäderviertel aussehen, wenn der Regionalplan realisiert wird. (Bildmontage)Foto: Verein Mensch Natur
Von 26. Dezember 2024

Für die einen ist es eine grüne, saubere Stromproduktion, die fossile Energiequellen ablösen soll. Für andere ist es unter anderem eine „Zerstörung der Landschaft“. Die Rede ist vom Ausbau der Windenergie.

Ist und Soll in Baden-Württemberg

Im Rahmen der Energiewende sollen in Baden-Württemberg zusätzlich zu den bestehenden noch hunderte weitere Windräder errichtet werden. Das Flächenziel steht fest: Bis zum Jahr 2027 müssen 1,1 Prozent der Landesfläche für Windenergie ausgewiesen sein, bis 2032 dann 1,8 Prozent. Das entspricht einer Fläche von rund 643,5 Quadratkilometern – oder rund 90.100 Fußballfeldern.

Laut dem Umweltministerium von Baden-Württemberg sind heute 778 Windkraftanlagen (Stand: 26. Dezember 2024) in dem südwestdeutschen Bundesland in Betrieb. Zusammen haben sie eine installierte Leistung von 1.817 Megawatt. In diesem Jahr gingen 20 neue Anlagen ans Netz.

Laut dem Sektorenzielgutachten müssen sich im Bundesland von Bodensee, Schwarzwald und Schwäbischer Alb bis 2030 rund 1.400 Windräder drehen. Dieses Ziel scheint realisierbar zu sein, denn weitere 936 Windkraftanlagen stecken bereits „in der Pipeline“. Das bedeutet, dass sie vorgestellt, im Verfahren oder bereits genehmigt, aber noch nicht im Betrieb sind. Das Sektorenzielgutachten hält fest, welche Maßnahmen in den verschiedenen Sektoren umzusetzen sind.

Widerstand von Windkraftgegnern

Allerdings stoßen die Initiatoren und Planer der Windparks regelmäßig auf Widerstand von Anwohnern und Windkraftgegnern. Viele Menschen sind mit dem massiven Ausbau der Windenergie nicht einverstanden – vor allem, wenn die Anlagen in unmittelbarer Nähe zu ihrem Wohnort aufgestellt werden sollen.

Die Argumente der Windkraftgegner sind dabei vielfältig: Sie sprechen vom Schattenwurf auf ihre Grundstücke, der Belastung durch Schall und Infraschall und von einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes.

Diese Einschränkungen können zu sinkenden Immobilienpreisen führen. Laut einer Studie von Prof. Frondel aus dem Jahr 2019 vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) verringert sich der Gebäudewert von Häusern im Umkreis von einem Kilometer von einer Windkraftanlage regelmäßig um bis zu 7,1 Prozent. Bei einigen Häusern auf dem Land beträgt der Verlust rund 23 Prozent – basierend auf Daten der Jahre 2011 bis 2015.

Fotomontagen zeigen neue Landschaften

Jahrelanger Widerstand kommt etwa vom Verein Mensch Natur. Als Landesvertretung der Bundesinitiative Vernunftkraft in Baden-Württemberg setzt sich dieser für den Schutz und Erhalt der Naturräume und der Kulturlandschaft ein.

Eine neue, über 200-seitige Broschüre mit dem Titel „Energiewende in Baden-Württemberg“ soll mithilfe von Fotomontagen visualisieren, wie das Landschaftsbild verschiedener Ortschaften auf Grundlage der aktuellen Regionalplanung künftig aussehen soll. Der Verein bezeichnet diese Entwicklung als „Zerstörung der Landschaft“. Die Dokumentation wurde bereits an viele Entscheidungsträger in Baden-Württemberg geschickt.

Rund 30 Kilometer östlich der Landeshauptstadt Stuttgart befindet sich die Gemeinde Adelberg. Hier sollen laut Planung Dutzende neue Windkraftanlagen entstehen.

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Windkraftplanung östlicher Schurwald bei Adelberg nahe Stuttgart. (Bildmontage) Foto: Verein Mensch Natur

Weitere geplante Windparks um Adelberg herum. (Bildmontage) Foto: Verein Mensch Natur

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Blick über Hohengehren nach Schlichten-Oberberken, der Nachbargemeinde von Adelberg, zum Kaisersträßle. (Bildmontage) Foto: Verein Mensch Natur

Ebenfalls in der Region Stuttgart befindet sich die Gemeinde Kuchen. Zu den bestehenden drei Windkraftanlagen auf dem dortigen Tegelberg sollen in den kommenden Jahren weitere drei oder vier Anlagen hinzukommen. Neben der Windparkerweiterung ist zudem ein Solarpark geplant.

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Bereits bestehende Windräder am Tegelberg bei Kuchen in der Region Stuttgart. Foto: Verein Mensch Natur

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Bis zu vier weitere Windkraftanlagen sowie einen Solarpark sieht die Regionalplanung auf dem Tegelberg vor. (Bildmontage) Foto: Verein Mensch Natur

Nur rund 15 Kilometer nordöstlich von der Gemeinde Kuchen befindet sich das Windindustriegebiet Lauterstein bei der gleichnamigen Stadt. Der Windpark Lauterstein mit 16 Windkraftanlagen ging im Jahr 2016 in Betrieb. Jede Anlage ist 199 Meter hoch.

 

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Bestehendes Windindustriegebiet Lauterstein in Ost-Württemberg. Blick vom Kulturdenkmal Hohenstaufen zum Stuifen, einem der Drei-Kaiserberge im Kernland der Staufer. Foto: Verein Mensch Natur

Kurstadt neben Windindustriegebiet?

Weiter westlich, rund 15 Kilometer von der französischen Grenze entfernt, liegt die Kur- und Thermalstadt Baden-Baden. Auch hier will das Land rund 25 Stahltürme Richtung Himmel wachsen lassen.

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Blick auf die geplanten Windkraftanlagen in Baden-Baden vom Bäderviertel aus. (Bildmontage) Foto: Verein Mensch Natur

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Im Vordergrund das Alte Schloss Hohenbaden. So soll laut Regionalplanung künftig der Blick nach Süden aussehen. (Bildmontage) Foto: Verein Mensch Natur

Weiter südlich, am Bodensee, sollen ebenfalls zahlreiche Windkraftanlagen entstehen. So etwa in der Region Bodensee-Oberschwaben bei der Gemeinde Wallhausen. Hier stehen bereits vier Anlagen und produzieren seit 2016 bei genügend Wind Strom. Laut Regionalplanung sollen rund neun weitere Windturbinen hinzukommen.

Der bestehende Windpark bei Wallhausen am Bodensee soll laut Regionalplanung deutlich erweitert werden. (Bildmontage) Foto: Verein Mensch Natur

Der Verein Mensch Natur befürchtet, dass der bergigere Süden Deutschlands schon bald genauso dicht mit Windkraftanlagen bebaut sein wird wie heute einige norddeutsche Regionen. Die Bundesländer Niedersachsen, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben die Windenergie bislang am stärksten ausgebaut.

Bild vom Landkreis Uckermark im Nordosten Brandenburgs. In Brandenburg ist der Ausbau der Windkraft weit fortgeschritten. Foto: Verein Mensch Natur

Preis der „Kugel Eis“

In der Broschüre zählt der Verein mehrere Nachteile auf, die sich durch Windkraftanlagen ergeben. Einer ist der finanzielle Aspekt. Im Jahr 2004 versprach der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne):

Es bleibt dabei, dass die Förderung erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund 1 Euro im Monat kostet – so viel wie eine Kugel Eis.“

Der Verein Mensch Natur hat nachgerechnet, wie viel diese Kugel Eis in diesem Jahr gekostet hat. Dazu hat er die Differenz zwischen der EEG-Einspeisevergütung und dem Marktwert der Photovoltaik als Richtwert genommen. Diese Differenz war in jedem Monat negativ, sodass der Bund diese Differenz mit Steuergeldern ausgleichen musste.

Im Juni war diese Differenz mit mehr als 1,5 Milliarden Euro besonders tief in den roten Zahlen. Umgerechnet auf die Anzahl der Einwohner Deutschlands ergab sich im Juni ein Preis von 18,71 Euro pro Kopf oder 9,35 Euro pro Haushalt bei durchschnittlich zwei Personen pro Haushalt.

Netzausbau verteuert die Kugel massiv

Zwar war der Juni im ersten Halbjahr 2024 der teuerste Monat beim Blick auf die Solardifferenz. Dafür betrug der EEG-Zuschuss von Januar bis November für alle erneuerbaren Energiequellen im Schnitt rund 1,62 Milliarden Euro pro Monat.

Berücksichtigt man dazu aber noch die Kosten des Netzausbaus, die im Rahmen der Energiewende nötig sind, wird die Kugel Eis weitaus teurer. Nach einer Schätzung der Bundesnetzagentur betragen diese bis 2030 66 Milliarden Euro pro Jahr. Pro Monat wären das 5,5 Milliarden Euro – obendrauf.

Addiert mit den 1,62 Milliarden Euro EEG-Zuschuss ergibt sich daraus ein Preis von 42,13 Euro für die Kugel Eis pro Haushalt pro Monat. Nicht berücksichtigt sind hier etwa die gestiegenen Kosten für Redispatch-Maßnahmen, also Eingriffe der Netzbetreiber zur Netzstabilisierung.

Das energiepolitische Dreieck

Mit dem Verweis auf die Wetterabhängigkeit von Wind- und Solaranlagen sieht der Verein somit mindestens zwei der drei Grundpfeiler des energiepolitischen Dreiecks nicht gewährleistet. Die Energiewende garantiere weder die Bezahlbarkeit noch die Versorgungssicherheit. Das bestätigte auch der jüngste Ruf des EnBW-Finanzchefs nach mehr Reservekraftwerken zum Ausgleich von weiteren Dunkelflauten.

Foto: Verein Mensch Natur

Auch den Aspekt des Umweltschutzes stellt der Verein infrage. „Die Naturräume und Ressourcen werden durch die ineffektiven Energieerzeuger massiv belastet. Der Flächenverbrauch zerstört unsere Landschaft, Naturräume und Lebensqualität“, so das Argument in der Broschüre. Daher fordert der Verein den sofortigen Ausbaustopp der Windenergie.



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