Bundesrechnungshof: Regierung vermittelt „ein falsches Bild der tatsächlichen Kosten“ der Energiewende

Der Bundesrechnungshof hat die Bezahlbarkeit der Energiewende unter die Lupe genommen. Demnach ergeben sich weitaus höhere Kosten, als in den Vorjahren angenommen. Was bedeutet das für die Verbraucher?
Energiewende
Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich: Welche Kosten verbergen sich hinter der Energiewende?Foto: iStock
Von 25. März 2024

Eine sichere und für alle Stromverbraucher bezahlbare Energieversorgung ist für jedes Land von elementarer Bedeutung. Sie stellt eine wichtige Grundvoraussetzung für eine starke Wirtschaft und Wohlstand in der Bevölkerung dar.

Das bestätigt auch der Bundesrechnungshof (BRH) in seinem Bericht vom 7. März 2024 zur Umsetzung der Energiewende. Bei der Beleuchtung der Bezahlbarkeit der Stromversorgung heißt es:

Hohe Strompreise stellen ein erhebliches Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung dar.“

Mit dem Sonderbericht hat die Bundesbehörde den derzeitigen politischen Kurs der deutschen Energiewende kritisiert. Neben Kritikpunkten zur Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit beleuchtete der BRH auch die Kostenfrage dieser grundlegenden Transformation unserer Stromversorgung.

Subventionen für die Energiewende

Nach Ansicht des BRH „steht bereits heute die Bezahlbarkeit der Stromversorgung infrage“. Denn obwohl die Energiekrise für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) inzwischen als beendet gilt, sind die Kosten weiterhin hoch. Bestandskunden zahlen derzeit im Schnitt rund 45 Cent für die Kilowattstunde (kWh).

„Angesichts der hohen Strompreise hat die Bundesregierung die Kosten des Energiesystems wiederholt bezuschusst, beispielsweise zum ‚Stabilisieren‘ der Netzentgelte“, so der Sonderbericht. Das bedeutet, dass die Bundesregierung bereits seit mehreren Jahren einige Kosten der Energiewende mit Steuergeldern trägt. Wären diese Kosten auf den Stromkunden umgewälzt worden, wäre die Kilowattstunde entsprechend noch teurer. Als Beispiel nennt die Behörde den Zubau der 10 Gigawatt an H2-Ready-Gaskraftwerken im Zuge der Kraftwerksstrategie. Die Bundesregierung plant, diese Kraftwerke durch den Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu finanzieren. Der Bundesrechnungshof schlussfolgert daraus:

Damit erkennt die Bundesregierung an, dass der Strompreis ohne diese zusätzlichen Interventionen zu hoch wäre.“

Das ist nur ein Aspekt. Es seien „weitere Kostensteigerungen des Energiesystems absehbar“. Bis 2045 würden massive Investitionskosten für den Ausbau der Stromnetze anfallen. Ebenso würden „die Kosten für Systemdienstleistungen voraussichtlich erheblich ansteigen“.

Der BRH kritisierte das Argument des Wirtschaftsministeriums, dass nur ein erheblicher Ausbau der erneuerbaren Energien eine kostengünstige Stromversorgung gewährleiste. Tatsächlich lasse das Ministerium „erhebliche weitere Kosten für die Energiewende unberücksichtigt“. Dazu zählen beispielsweise die Kosten für die Stromverteilung – inklusive Netzausbau und Systemdienstleistungen – und der Zubau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke. Dadurch entstünde außerhalb von Fachkreisen, also beim Großteil der Bevölkerung, „ein falsches Bild der tatsächlichen Kosten der Transformation“.

Hoher Anstieg der Netzentgelte

Die meisten Menschen spüren diese Auswirkungen schon indirekt. Der BGH erwähnt den gestiegenen Anteil der von Energiearmut bedrohten Haushalte in Deutschland. Dieser stieg von 14,5 Prozent im Jahr 2021 auf 25,2 Prozent im Folgejahr an.

Eine weitere Belastung ist die Erhöhung der Netznutzungsentgelte, die die Kosten von Ausbau und Betrieb der deutschen Stromnetze abdecken. Wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 kann die Bundesregierung die Netzentgelte dieses Jahr nicht wie geplant mit zusätzlichen 5,5 Milliarden Euro finanzieren. Stattdessen haben die Übertragungsnetzbetreiber die Netzentgelte für 2024 von 3,12 Cent pro kWh auf 6,43 Cent pro kWh verdoppelt.

Der BRH ermittelte die Preissteigerungen der Netzentgelte für den Zeitraum von 2013 bis 2023:

• Für Haushaltskunden stiegen die Preise von 6,52 auf 9,35 Cent pro kWh. Ein Anstieg von 43 Prozent. Bei ihnen machten die Netzentgelte im vergangenen Jahr gut ein Fünftel des Strompreises aus.

• Gewerbekunden kamen mit einem Plus von 32,3 Prozent noch am besten davon. Hier stieg der Preis von 5,61 auf 7,42 Cent pro kWh.

• Am härtesten traf es hingegen die Kunden in der Industrie. Mit einem Anstieg von 1,79 auf 3,30 Cent pro kWh mussten sie 84,4 Prozent mehr bezahlen.

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Anstieg der Netzentgelte von 2013 bis 2023. Foto: Bundesrechnungshof

Netzausbaukosten viel höher als gedacht

In den vergangenen zehn Jahren sind die geplanten Investitionen in das Übertragungsnetz an Land bereits um 90 Prozent angestiegen. 2023 ist man noch von Kosten in Höhe von rund 4,5 Milliarden Euro ausgegangen. Inzwischen haben sich diese Prognosen laut dem Netzentwicklungsplan der Bundesnetzagentur jedoch auf 156,2 Milliarden Euro bis zum Jahr 2045 erhöht.

Hinzu kommt noch der Netzausbaubedarf auf See für die Offshore-Windkraftanlagen. Hier ist inzwischen die Rede von 157,5 Milliarden Euro bis 2045. In Summe sind das 313,7 Milliarden Euro.

Doch auch die Verteilernetze müssen massiv ausgebaut werden, also das Hochspannungsnetz bis zum Niederspannungsnetz zu den Verbrauchern. Der BRH spricht hier von 93.136 Kilometern. Die geschätzten Kosten liegen nach neuestem Stand bei 42,27 Milliarden Euro.

Veranschaulichung des deutschen Verteilernetzes. Foto: Bundesnetzagentur; Grafik: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

Bei Berücksichtigung der erhöhten Ausbauziele für die sogenannten erneuerbaren Energien aus dem EEG 2023 steigen diese Kosten noch weiter an. Die Bundesnetzagentur nannte hierfür im Januar 2024 einen Investitionsbedarf von gut 150 Milliarden Euro bis 2045. In diesem Schritt kommt die Behörde bereits auf insgesamt über 463 Milliarden Euro. Bisherige offizielle Kostenschätzungen gingen von rund 107 Milliarden Euro aus.

Mindestens 786 Euro jährliche Mehrkosten – für jeden

„Gemäß Presseberichterstattung könnte der Investitionsbedarf [für die Verteilernetze] in diesem Zeitraum sogar 250 Milliarden Euro betragen“, heißt es im Sonderbericht. Diese Schätzung kommt von Marktteilnehmern. Behalten diese recht, belaufen sich die Gesamtkosten inzwischen auf 563 Milliarden Euro.

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Darstellung der alten und neuen Kostenschätzung der Netzausbaukosten. Foto: Bundesrechnungshof

Nach Angaben des YouTube-Kanals „Outdoor Chiemgau“ beziehen sich die Schätzungen der Bundesnetzagentur aber nicht auf einen Zeitraum bis 2045 – sondern lediglich bis 2030. Der Kanalbetreiber hat den BRH aufgefordert, dies zu berichtigen. Aufgeteilt auf sieben Jahre (2024 bis einschließlich 2030) bedeuten diese 463 Milliarden Euro eine jährliche Belastung von über 66 Milliarden Euro. Bei 84 Millionen Menschen in Deutschland wäre das für jeden – vom Baby bis zum Rentner – eine Mehrbelastung von rund 786 Euro pro Jahr.

Hinzu kommen noch Kosten für Redispatchmaßnahmen, also der Gewährleistung der Netzstabilität. In den vergangenen zehn Jahren haben diese sich zusammen mit anderen Systemdienstleistungen auf 5,8 Milliarden Euro vervielfacht. Dabei erwartet der BRH ein weiteres Ansteigen dieser Kosten, was weiter steigende Kosten für Verbraucher erwarten lässt.

Forderungen an die Ampel

Letztendlich sieht die Behörde das Ziel einer preisgünstigen Versorgung des Landes mit Strom als nicht gesichert an. „Trotz dieser Risiken hat es die Bundesregierung bis heute versäumt zu konkretisieren, was sie unter einer bezahlbaren Energieversorgung versteht“, bemängelt der BRH. Dazu würden bis heute die nötigen Ziel- und Schwellenwerte fehlen.

Der Sonderbericht stellt die Aussage des BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz), dass niedrige Stromgestehungskosten für Erneuerbare eine preisgünstige Stromversorgung gewährleisten, als falsch dar. Stromgestehungskosten sind alle anfallenden Kosten, die auf dem Weg zur Energiegewinnung auftreten.

Der BRH fordert die Bundesregierung auch zu mehr Transparenz bei der Energiewende auf. Die Ampel müsse „auf Grundlage einer systematischen Betrachtung nachvollziehbar festlegen, in welcher Form die Kosten der Transformation zu tragen sind“.



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