Hochwasser, eine besondere Gefahr – wie Sie und der Staat vorsorgen sollten

2024 in Süddeutschland, 2021 im Ahrtal, 2002 in Sachsen und Thüringen – Hochwasser haben verheerende Folgen. Wie gingen und gehen Behörden mit der Gefahr um? Was können Betroffene tun und wie können Sie sich vorbereiten? In einer vierteiligen Artikelserie blickt unser Gastautor auf die historischen und aktuellen Gefahren durch steigendes Wasser – und wie Sie sich schützen können und müssen.
Hochwasser sind eine wiederkehrende Gefahr. In Deutschland schreibt der Gesetzgeber vor, wie Sie sich davor schützen müssen.
Hochwasser sind eine wiederkehrende Gefahr. In Deutschland schreibt der Gesetzgeber vor, wie Sie sich davor schützen müssen – und welche Aufgaben er selbst übernehmen muss.Foto: Bilanol/iStock
Von 15. Juli 2024

Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und das Saarland kämpfen im Jahr 2024 mit den Folgen von Hochwasser. Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen waren 2021 betroffen. 2002 traf es Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Niedersachsen, Brandenburg und die Stadtstaaten Hamburg und Bremen.

Egal ob Starkregen oder Schneeschmelze, Menschen in den betroffenen Regionen scheinen den Wassermassen hilflos ausgeliefert, aber ist dem wirklich so? Und richten Überschwemmungen wirklich immer häufiger und immer größere Schäden an?

Der richtige Zeitpunkt für Hochwasserschutz …

… ist jetzt. Unabhängig davon, ob Extremwetterereignisse häufiger oder seltener werden; solange Starkregen und Hochwasser auftreten können, ist es geboten, sich angemessen davor zu schützen. Lesen Sie in diesem vierten Teil einer Artikelserie über die Hochwasser 2021 und 2024, wie Sie sich selbst und Ihr Haus schützen können sowie wann und wo das Gesetz Sie dazu sogar verpflichtet.

In den vorangegangenen Teilen betrachtete Klaus H. Richardt, Kraftwerksingenieur, Strömungstechniker sowie Wasser- und Stahlwasserbauer im Ruhestand, die jüngsten Hochwasser im Detail und im geschichtlichen Kontext.

Der erste Teil zeigte, wie sich die Gefahr durch steigendes Wasser in den letzten Jahren – und Jahrhunderten – entwickelt hat. Der zweite Teil beschäftigte sich detailliert mit den Flutereignissen des Jahres 2021 sowie ihren historischen Rahmenbedingungen und ihrer Einordnung. Analog betrachtete der dritte Teil die Hochwasser 2024.

In einer Notsituation wie einem Hochwasser sollte der Schutz des Lebens oberste Priorität haben. Neben den Betroffenen sind dabei vor allem die Rettungsdienste gefordert sowie Katastrophenschutz und Bundeswehr.

Im Gegensatz dazu besteht bei der Hochwasservorsorge keine akute Gefahr. Hier können – und müssen – alle aktiv werden. Im Einzelnen gibt es drei Handlungsfelder, die jeweils verschiedene Akteure verlangen:

Der private Bereich – in und um das Haus

Laut Wasserhaushaltsgesetz, § 5, Absatz 2 gilt:

Jede Person, die durch Hochwasser betroffen sein kann, ist im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen, insbesondere die Nutzung von Grundstücken den möglichen nachteiligen Folgen für Mensch, Umwelt oder Sachwerte durch Hochwasser anzupassen.“

Mit anderen Worten: Jeder Hausbesitzer, in gefährdeten Gebieten, muss dafür sorgen, dass

  1. kein Sickerwasser durch die Bodenplatte dringen kann;
  2. in der Wand aufsteigendes Kapillarwasser verhindert wird – Feuchtigkeitssperre einbauen;
  3. kein Rückstau aus Kanalisation erfolgt – eine Rückschlagklappe vorsehen;
  4. kein Grundwasser durch Fugen eintritt – regelmäßige Sichtkontrollen von Keller und Wänden;
  5. Türen druckwasserdicht ausgeführt sind – Türen und Rahmen prüfen, nicht selten versagt der Rahmen statt der Tür;
  6. kein Wasser durch undichte Rohrdurchführungen passieren kann – regelmäßige Kontrollen von Keller und Dach;
  7. kein Rückstau über verstopfte Regenfallrohre erfolgt – regelmäßig reinigen.
An welchen Stellen dringt Hochwasser ins Gebäude?

Mögliche Schwachstellen an Gebäuden gilt es, möglichst schon vor einem Hochwasser zu beheben. Foto: Ingenieurbüro Reinhard Beck in „Leitfaden Starkregen – Objektschutz und bauliche Vorsorge“ (ISBN 978-3-87994-239-8) Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)

Da vieles davon baubedingt ist, sollten insbesondere Häuslebauer ein Auge darauf werfen. Grundsätzlich gilt außerdem, jeder Bachlauf kann über die Ufer treten, auch solche, wo nie welche waren. Eine wasserdichte Tür kostet zwar mitunter mehr, kann aber so unter Umständen größere Schäden vermeiden. Wer in einem Mietshaus wohnt, hat auf diese Punkte mitunter nur bedingt Einfluss, er kann seinen Vermieter jedoch darauf ansprechen.

Der öffentliche Bereich – Gemeinde und Stadt

Die Gemeinde sollte ein sogenanntes Starkregenrisikomanagementkonzept erstellen, dass die Gefahrenpunkte entschärft und die Bürger vor stark ansteigendem, strömendem Hochwasser und Schlamm in den Straßen schützt. Außerdem sollten die Kommunen geeignete Hilfsmittel bereithalten, um Menschen im Notfall retten und helfen zu können.

LKW, Amphibienfahrzeug, Schlauchboot. Im Katastrophenfall lässt sich auf vielen Wegen helfen.

Geeignete Hilfsmittel sind nicht nur Schlauchboote, auch große Lkw oder Amphibienfahrzeuge für den Transport von Mensch und Material helfen im Katastrophenfall. Foto: Bilanol/iStock

Hierzu gehören auch Konzepte, wie man die Unterspülung von Häusern beispielsweise mit Flutschürzen und einer Drainageringleitung vor nachfolgendem Mauereinsturz schützen kann. So ist auf vielen Bildern der Hochwasser 2021 als auch 2024 zu sehen, dass meist das Fundament nachgab, sodass die Seitenmauer an der Längswand einstürzte. Dies lässt sich mit einer Flutschürze, die etwa 1,2 m senkrecht unter das Fundament hinausragt, recht wirksam verhindern.

Eine weitere Maßnahme ist die Belüftung des Flutwasserstroms mittels hohler Pfosten – wie die Straßenleitpfosten in einem Wadi in Marokko/Algerien. Das mindert die Wucht des Wassers.

Im Idealfall lässt sich die Kommune oder Gemeinde von einem erfahrenen Berater eine Risikoanalyse erstellen, mit Vorschlägen, wie die Gefahrenpunkte Schritt für Schritt beseitigt werden können. Diesen Weg geht die Stadt Oberkirch im Ortenaukreis (Schwarzwald), die sich von der Stuttgarter Firma Fichtner Water & Transportation GmbH ein Konzept erstellen ließ, das öffentlich ausliegt und demnächst mit den Bürgern diskutiert wird. So schreibt die Stadt Oberkirch:

„Um herauszufinden, wie stark die eigene Betroffenheit im Falle eines Starkregenereignisses ist, hat die Stadt Oberkirch Starkregengefahrenkarten erstellt. Starkregengefahrenkarten zeigen den Weg des Wassers vom Ort des Niederschlags bis hin zum nächstgrößeren Gewässer auf. Mit Hilfe der Gefahreninformationen (Überflutungsfläche, Überflutungstiefe und Fließgeschwindigkeit) können Sie herausfinden, inwiefern Ihre Wohnung oder Ihr Haus bzw. Grundstück von Starkregenszenarien betroffen ist.“

Wer betroffen ist, zeigen die mit der Veröffentlichung einhergehenden interaktiven Karten. Diese umfassen nicht nur Szenarien für verschiedene Regenmengen, sondern auch Detailaussagen zu einzelnen Häusern. Mit derartigen Karten ist eine direkte Kommunikation möglich. Ebenfalls wird die konkrete Gefahr für jeden Bürger sichtbar.

Bin ich durch Starkregen und Hochwasser gefährdet? In Oberkirch können sich die Bürger diese Frage selbst beantworten.

Die Stadt Oberkirch stellt interaktive Starkregengefahrenkarten zur Verfügung, hier dargestellt für seltenen (links, 54 l/m²h) und extremen Niederschlag (rechts, 128 l/m²h). Dunkelblaue Flächen stehen einen halben Meter oder mehr unter Wasser. Zum Vergrößern klicken. Foto: ts/Epoch Times, mit Material von Wagner, Badillio/Fichtner Water & Transportation, Stadt Oberkirch

Generelle Vorsorge (1) – Land und Bund

Auch Bund und Länder müssen sich auf stärkere Hochwasserrisiken einstellen und ausreichend Vorsorgemaßnahmen treffen. Dazu gehören:

  • Einführung flächendeckender automatischer Pegelmessungen – auch für kleinere Wasserläufe, die bereits in der Vergangenheit auffielen.
  • Simulation möglicher Überflutungen anhand von Wettervoraussagen erstellen. Diese rechtzeitig und in ausreichend klarer Form, beispielsweise als Kartendarstellung, den Kommunen für Vorsorgemaßnahmen zur Verfügung stellen.
  • Erstellung gestufter Alarmpläne, die örtliche Krisenstäbe, Personal und Material je nach Schwere des Ereignisses vorsehen, bis hin zur Bundeshilfe mit THW und Bundeswehr. Die Ausrufung der jeweils höheren Alarmstufe den örtlichen Teams überlassen, nicht einer bestimmten Person, die auch einmal ausfallen kann.
  • Vorsorgemaßnahmen wie in Oberkirch direkt mit den Bürgern durchsprechen und realisieren.
Schutz vor Hochwasser fordert alle: Bürger, Kommunen, Regierungen

Mobile Hochwasserschutzwände wie hier am Fluss Severn in Bewdley (Worcestershire, England) sind auch in Deutschland Sache der öffentlichen Hand. Foto: Neil Bussey/iStock

Generelle Vorsorge (2) – nationales Hochwasserschutzprogramm

Die verheerenden Hochwasser an Elbe und Donau von 2013 führten seinerzeit dazu, dass sich die Landesumweltminister in Deutschland zusammensetzten, um die LAWA zu gründen, die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser. In diesem Rahmen wurde vereinbart, dass die Länder gemeinsam mit dem Bund eine nationale Hochwasserstrategie erarbeiten und gemeinsam umsetzen. Als wesentliche Maßnahmen wurden wiederum drei Hauptaufgaben erkannt:

  1. Deichrückverlegung beziehungsweise Wiedergewinnung von natürlichen Rückhalteflächen mit einer Größe von über 100 Hektar. Die erforderlichen Flächen entsprechen jeweils mehr als 150 Fußballfeldern.
  2. Gesteuerte Hochwasserrückhaltung in Hochwasserrückhaltebecken mit einem Fassungsvermögen von über zwei Millionen Kubikmetern und gesteuerte Flutpolder mit einem Fassungsvermögen über fünf Millionen Kubikmetern Rückhaltevolumen.
  3. Beseitigung von Schwachstellen.

Wie die LAWA in einer Festschrift zum zehnjährigen Bestehen feststellte, wurde seither zwar viel geplant, aber wenig umgesetzt. Von den 168 raumgebenden Teil- und Einzelmaßnahmen des Nationalen Hochwasserschutzprogramms befanden sich Ende 2022 laut LAWA 66 (39 Prozent) in der Konzeptionsphase, 46 (27 Prozent) in der Vorplanung, 18 (11 Prozent) in der Genehmigungs- oder Vergabephase für Bau und 26 (15 Prozent) in der Bauphase.

Maßnahmen und Umsetzungsstatus des Nationalen Hochwasserschutzprogramms (NHWSP) der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA).

Beschlossene Maßnahmen im Rahmen des Nationalen Hochwasserschutzprogramms (NHWSP). Nur ein Bruchteil davon wurde bis Ende 2022 begonnen (26 von 168; 15,5 Prozent), geschweige denn abgeschlossen (5,4 Prozent). Foto: ts/Epoch Times, mit Material der LAWA (Diagramm, CC BY 4.0), Bundesanstalt für Gewässerkunde (Karte)

Demzufolge bleiben zwölf Maßnahmen übrig, die bislang in der ein oder anderen Form beendet wurden. Der LAWA-Bericht konkretisiert dies und unterteilt in neun „in Betrieb genommene beziehungsweise finanziell abgeschlossene“ und drei „noch nicht begonnene“ Maßnahmen. Damit sind in ersten zehn Jahren fünf Prozent der Maßnahmen erfolgreich umgesetzt worden. Gleichzeitig befinden sich vier von fünf Maßnahmen noch nicht im Bau oder in einer späteren Projektphase.

Bisher liegt der Schwerpunkt zudem auf dem Schutz der großen Flüsse. Die diesjährigen Ereignisse machen es erforderlich, auch kleinere Gewässer näher anzuschauen, aber insbesondere die Realisierung der Maßnahmen zu beschleunigen.

Schlussbemerkung

Hochwasser hat es schon immer gegeben und Veränderungen des Klimas sind normal. Wir befinden uns erdgeschichtlich in einer ansteigenden Warmzeit. Unabhängig, ob wir an Kohlenstoffdioxid als alleinige Ursache glauben, müssen wir jetzt Vorsorgemaßnahmen gegen Hochwasser treffen.

Zur Vorsorge gehört aber auch, Wälder als natürliche Wasserspeicher und Temperaturregler zu erhalten, statt sie für Windräder abzuholzen, die Energie aus dem Wind nehmen und die Umgebung austrocknen, was Extremwetterlagen begünstigt.

Auch Großphotovoltaikanlagen tragen zur Erwärmung der Umgebung bei, durch Wärmestrahlung, konvektive Wärme über den Paneelen und nächtliche Kondenswasserabfuhr an den dann kühlen Paneelen. So wird, genau wie bei Windrädern, der nächtliche flächige Tauniederschlag auf den Boden verhindert, der üblicherweise tagsüber durch Wiederverdunstung die Außentemperatur reduziert.

Zudem sollten wir die weitere Versiegelung der Landschaft durch neue Wohnsiedlungen und Straßen verhindern sowie keine Baugenehmigungen mehr in Überflutungsgebieten erteilen. Wir müssen dahin kommen, dass Bund, Länder, Gemeinden und der einzelne Hausbesitzer so weit vorsorgen, dass Schäden nur noch in außergewöhnlichen Ausnahmefällen auftreten, was Versicherungen wegen des geringeren Risikos erschwinglicher macht.

Angesichts der aufgetretenen Schäden wird es Zeit, die Prioritäten zum Schutz der eigenen Bevölkerung neu zu setzen. Die Menschen der vorherigen Jahrhunderte waren deswegen erfolgreich, weil sie sich der Natur anpassten und nicht versuchten, die Natur ihrem Willen zu unterwerfen. Die Parameter, die das Wetter bestimmen sind einfach zu vielfältig, um sich auf eine einzige Ursache, das CO₂ reduzieren zu lassen.

Dieser Artikel wurde am 15.07.2024 aktualisiert und Formulierungen auf Bitte des Gastautors angepasst.

Über den Autor

Dipl.-Ing. Klaus Hellmuth Richardt, geboren 1951 in Offenbach, war 38 Jahre tätig in Entwicklung, Konzeption, Vertrieb, Realisierung, Inbetriebnahme, Betrieb und Modernisierung von Wasserbauten, Wasserkraft- und thermischen Kraftwerken auf der ganzen Welt. Er hat unter anderem den Stahlwasserbau für die Wuppertalsperre und Hochwasserschutzeinrichtungen konzipiert sowie Talsperren und Meeresdämme saniert. Er ist Autor der Bücher „Damit die Lichter weiter brennen“ sowie „Grüne Volkswirtschaft“ und arbeitet an einem weiteren.

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Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Klaus Hellmuth Richardt



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