Der Klimapass fürs Bauen kommt – Ingenieur: „Es wird noch teurer“

Nach dem Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude soll nun als Erweiterung der Gebäuderessourcenpass kommen. Ziel ist eine noch bessere Kontrolle über die CO₂-Bilanz im Gebäudesektor. Branchenfachleute äußerten sich trotz möglicher Vorteile kritisch darüber.
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Beim Gebäuderessourcenpass ist es relevant, wie welche Baumaterialien hergestellt worden sind.Foto: ymgerman/iStock
Von 1. September 2024

Im Rahmen des Green Deal der EU-Kommission ist bereits seit einigen Jahren das „Digital Building Logbook“ (digitales Gebäudelogbuch) im Gespräch. Dabei handelt es sich um den Gebäuderessourcenpass der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DBNG).

Entsprechend den EU-Vorgaben hat die Ampelregierung im Koalitionsvertrag bereits einen solchen Gebäudepass für Neubauten ab 2025 berücksichtigt. Für Immobilienbesitzer von Bestandsbauten wird der Gebäuderessourcenpass etwas später relevant. Hier will die EU ab 2028 schrittweise das „Logbuch“ verteilen.

Gebäuderessourcenpass fürs Klima

In diesem digitalen Zertifikat sollen Informationen über die im Gebäude verbauten Materialien dokumentiert sein. Das betrifft vor allem deren Herkunft und damit verbunden ihre spezifische Kohlenstoffdioxid-(CO₂-)Bilanz. Diese soll sich aus Herstellung, Transport und einem 50-jährigen Lebenszyklus ergeben. Ebenso soll der Pass die Recyclingfähigkeit der Materialien preisgeben.

Bauherren sollen dadurch möglichst sparsam und bewusst mit Baumaterialien umgehen. Die EU will damit einen weiteren Beitrag zur Senkung der Emissionen im Gebäudesektor leisten, um dem Klimawandel entgegenwirken zu können.

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) teilte hierzu bereits im Mai mit: „Bislang steht der CO₂-Verbrauch eines Gebäudes im laufenden Betrieb im Fokus. Zukünftig wird es darum gehen, den CO₂-Fußabdruck eines Gebäudes über seinen gesamten Lebenszyklus – einschließlich der Wiederverwendbarkeit seiner Teile – zu messen.“

Der Vorteil: Bei genauer Dokumentation der verwendeten Materialien lassen sich abgerissene Gebäude gezielter wiederverwerten. Hier ist das Ziel, möglichst wenig Abfall und möglichst viel wiederverwertbare Materialien in Baubereich zu haben. Im Optimalfall soll dann eine Kreislaufwirtschaft ohne Müll nach dem sogenannten Cradle-to-Cradle-Prinzip entstehen, oder das sogenannte zirkuläre Bauen.

Gebäuderessourcenpass

Welche Baumaterialien in einer Immobilie enthalten sind, ist auch beim Abriss von Bedeutung. Foto: pwmotion/iStock

Was gibt es bisher?

Derzeit setzt das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) strenge Regularien für möglichst klimafreundliches Bauen.

Worum geht es bei diesem QNG-Siegel? Zunächst einmal gibt es hier keine harten Grenzwerte. Stattdessen muss der Energieberater oder der Bauunternehmer möglichst viele gute Entscheidungen treffen. Das betrifft die Minimierung von Schadstoffen, die Barrierefreiheit, den Flächenverbrauch sowie die Recyclingfähigkeit der eingesetzten Baumaterialien.

Somit gilt das QNG-Siegel ohnehin schon als schwierig und komplex. Jetzt kommt ergänzend noch der Gebäuderessourcenpass als Erweiterung hinzu. Dadurch müssen die Verantwortlichen am Hausbau künftig noch die CO₂-Emissionen der Materialien beachten.

Gewinner und Verlierer

Zunächst dürften laut der „Welt“ insbesondere Zertifizierungsdienstleister wie die DBNG die Nutznießer sein. Profitieren könnten dann auch Hersteller von nachhaltigen Baumaterialien und weitere Firmen, die sich an Projekten für nachhaltiges Bauen beteiligen. Diese Produkte dürften infolgedessen eine höhere Nachfrage erfahren.

Doch es gibt wohl zunächst auch Verlierer. Der Energie-Fachberater Jan Paruzynski betrachtet beide Seiten der Medaille: „Ein Ressourcenpass macht durchaus Sinn vor dem Hintergrund, nachhaltiges Bauen zu fördern.“

Hier gebe es laut Paruzynski durchaus Unterschiede. Manche Baustoffe hätten eine schlechte CO₂-Bilanz, da bei ihrer Herstellung vermehrt fossile Grundstoffe zum Einsatz kämen. Oder sie seien im Zuge einer Entsorgung kaum noch verwendbar. „Das an die QNG-Zertifizierung zu koppeln, ist aber wieder mal über das Ziel hinausgeschossen und fördert nur Bürokratie statt Ergebnisse“, kritisierte der Energieberater.

Weiter sagte er: „Wenn der Ressourcenpass nur annähernd dem Dokumentationsaufwand der Zertifizierung für Neubau ähnelt, dann sind die Kosten für Verbraucher vergleichsweise hoch. Außerdem fehlt den meisten Energie-Effizienz-Experten noch die entsprechende Qualifikation.“

Auch der Ingenieur und Energieexperte Timo Leukefeld lehnt eine zu große Menge an Bauvorgaben zur Senkung der CO₂-Emissionen ab. Mit Blick auf den Gebäuderessourcenpass sagte er: „Es wird noch teurer, und es wird noch weniger gebaut.“

Welche CO₂-Bilanz haben die Baumaterialien? Diese Frage stellt sich mit dem Gebäuderessourcenpass. Foto: roman023/iStock

Wie funktioniert die Bilanzierung?

Die Einstufung der verwendeten Baumaterialien ist jedoch nicht immer einfach. Regelmäßig gibt es Diskussionen zur Bilanzierung. Zwar gibt es mit der Onlineplattform ÖKOBAUDAT eine Baustoffdatenbank vom Bundesbauministerium für alle Baumaterialien, allerdings sind die dortigen Eintragungen nicht in Stein gemeißelt: Aufgrund neuer Erkenntnisse gibt es hier gelegentlich Änderungen und Anpassungen.

Ein kontroverses Beispiel ist der Kalksandstein. Auch für dieses Material gibt es einen festgelegten CO₂-Wert. Dass dieser Stein aber mit der Zeit CO₂ aufnimmt, berücksichtigt die Datenbank nicht. Insgesamt hätten Kalksandsteine zudem wegen hohem Energieeinsatz bei der Herstellung generell einen schlechteren Klimawert als Bauteile aus Holz.

Ebenso ist es bei manchen Materialien fragwürdig, einen pauschalen CO₂-Wert festzulegen, da hierfür auch der Ort und der Zeitpunkt der Herstellung eine Rolle spielt. So ist die Klimabilanz von Aluminium beispielsweise weitaus schlechter als die von Baustahl. Das liegt an den energieintensiven hohen Temperaturen bei der Herstellung. Jedoch kann nur schwer ermittelt werden, ob der Strom dafür aus fossilen oder erneuerbaren Energiequellen stammt.

Das Bauministerium arbeitet momentan die erste Stufe vom Gebäuderessourcenpass aus. Dabei will die Behörde Ökobilanzen ins QNG-Zertifikat integrieren.



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