Atomenergie im Trend: Deutschland Außenseiter bei internationalem Gipfeltreffen
„Wir verpflichten uns dazu, das Potenzial der Nuklearenergie voll auszuschöpfen.“ So hieß es in der gemeinsamen Erklärung, die auf dem ersten internationalen Gipfeltreffen für Atomenergie am Donnerstag, 21. März, in Brüssel verabschiedet wurde. Dort wollen sich 35 Staaten weltweit für einen noch schnelleren Ausbau und eine einfachere Finanzierung von Kernkraftwerken (KKW) einsetzen.
Strom aus Kernkraftwerken sei für die Verringerung von klimaschädlichen CO₂-Emissionen unerlässlich, hieß es weiter. An dem Treffen nahmen unter anderem Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, den Niederlanden und Polen sowie hochrangige Vertreter aus den USA, China und Japan teil. Deutschland, das den Atomausstieg bereits im vergangenen Jahr vollzogen hat, nahm nicht an dem Treffen teil.
Im Vorfeld äußerte sich das Bundesumweltministerium laut „ntv“ gelassen und hielt an seiner ablehnenden Haltung gegenüber dieser Technologie fest. „Dass es unter den EU-Mitgliedstaaten bezüglich der Atomkraftnutzung unterschiedliche Sichtweisen gibt, ist bekannt und wird gegenseitig respektiert“, teilte ein Sprecher mit. Die Bundesrepublik habe mit seinem Ausstieg im April vergangenen Jahres den Standpunkt der atomkritischen EU-Länder gestärkt.
Meiler sollen auch länger laufen
Die EU-Politiker sprachen sich in ihrer Erklärung nicht nur für den Bau neuer KKW, sondern auch für die Verlängerung der Lebenszeit bestehender Anlagen aus. Zudem plädierten sie für den raschen Einsatz neuerer und kleinerer Reaktoren.
Die Teilnehmer riefen internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank dazu auf, Atomprojekte verstärkt zu unterstützen, und deuteten an, dass andere alternative Energieträger aus ihrer Sicht von Entwicklungsbanken bislang bevorzugt behandelt würden.
Weltweit sind der Internationalen Atomenergiebehörde zufolge 415 Reaktoren zur Stromproduktion in Betrieb. Bereits bei der Weltklimakonferenz Ende des vergangenen Jahres hatten rund 20 Staaten angekündigt, die Kapazitäten zur Kernenergieerzeugung bis 2050 zu verdreifachen.
Kernenergie zum Erreichen der Klimaziele
Bereits kurz vor dem Treffen haben Vertreter aus Brüssel und mehrere Mitgliedstaaten für Kernenergie geworben. Kernkraft sorge für Energiesicherheit in der EU und könne „helfen, den Klimawandel zu bekämpfen“, erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel am Donnerstag beim von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) organisierten Atomgipfel in Brüssel. Neben den 35 Teilnehmerstaaten waren auch Vertreter aus Industrie und Wissenschaft anwesend.
„Unsere Priorität muss sein, aus Kohle und dann aus Gas auszusteigen und auf Kernkraft und erneuerbare Energien umzustellen“, betonte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Paris setzt sich seit Jahren für den Einsatz von Kernkraft in der EU ein. Inzwischen ist eine knappe Mehrheit von 14 Mitgliedsländern Teil eines Kernkraftbündnisses unter französischer Führung.
In der EU bestimmt jedes Land selbst über seine Form der Energiepolitik und den Strommix, wie die „Welt“ berichtet. Allerdings herrscht seit mehreren Jahren Unstimmigkeit, wie neue Kernenergieprojekte finanziert werden sollen. Denn zu Beginn sind viele Kernkraftprojekte teuer. Ein Argument der Befürworter wie Alexander De Croo, Premierminister von Belgien, ist, dass die Kernkraft unerlässlich für das Erreichen der EU-Klimaziele sei. Ein strikter Gegner dieser Technologie ist die deutsche Ampelregierung. Aber auch Österreich und Dänemark lehnen laut „t-online“ die Nutzung und eine Finanzierung der Kernkraft ab.
Im europäischen Recht gilt Kernenergie als eine der Technologien, mit denen die EU ihre Klimaziele erreichen will. Ihre Zukunft hänge jedoch von „der Disziplin der Kernkraftindustrie“ ab, mahnte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Viel zu oft war der Bau neuer Kernkraftwerke mit erheblichen Mehrkosten und Verzögerungen verbunden“, erklärte von der Leyen.
In der EU betreiben derzeit 12 der 27 Mitgliedstaaten Kernreaktoren. Neue KKW sind aktuell in der Slowakei und in Frankreich im Bau. Belgien hatte noch bis vor wenigen Jahren beschlossen, rasch aus der Kernenergie auszusteigen. Doch aufgrund neuer Bedingungen durch den Ukraine-Krieg hat das Nachbarland den Ausstieg auf 2035 verschoben. Ebenfalls bis spätestens 2035 will Spanien seine letzten Meiler stillgelegt haben, wie „E-Fahrer“ berichtet.
Frankreich hat von allen EU-Staaten die meisten Kernkraftwerke. Rund zwei Drittel seines Strombedarfs deckt das Land damit ab. Auch Polen setzt vermehrt auf diese Technologie und will ein Kernenergieprogramm neu starten. Tschechien plant ebenfalls den Bau neuer Meiler.
Proteste von Umweltorganisationen
Am Rande des Treffens gab es auch Proteste von Umweltschutzaktivisten der Organisation Greenpeace gegen den Ausbau der Kernenergie. Ihre Protestaktion störte zeitweise den Ablauf des Gipfels in Brüssel. Bei einer Aktion konnte sich ein Aktivist vom Dach der Tagungshalle abseilen. Für rund 15 Minuten hing er über dem Eingang des Gebäudes mit einem runden Plakat. Darauf standen die Worte „Nuclear Fairytale“ („Nukleares Märchen“).
Daraufhin beschlossen die Veranstalter kurzerhand, die Redebeiträge der eintreffenden Staats- und Regierungschefs zu unterbrechen. Nach Aussagen der Veranstalter bewirkte der Protest auch, dass die Annahme einer gemeinsamen Erklärung zur globalen Bedeutung der Nuklearenergie verschoben wurde. Die Polizei konnte vor Ort einen weiteren Aktivisten aufhalten. Andere Aktivisten versuchten, mit Fahrrädern und Autos den Zugang zum Gipfel zu blockieren.
Die Forderung von Greenpeace lautet: Die gesetzten Energieziele sollen die Regierungen mit erneuerbaren Energien erreichen. Kernenergie soll dafür keine Option sein.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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