Preise für Fernwärme explodieren: Mieter müssen teilweise kräftig nachzahlen
Aus verschiedenen Gebieten in Deutschland kommen derzeit sich ähnelnde Meldungen: Eine Mieterin auf der Potsdamer Halbinsel Hermannswerder soll ganze 4.300 Euro Nebenkosten für Fernwärme nachzahlen, wie der „Spiegel“ berichtet. Und das, obwohl sie ihren Wärmebedarf um rund ein Viertel gesenkt hatte. Auch ihre Nachbarn blieben nicht verschont, 23 Mieter in der Siedlung mussten mindestens eintausend Euro nachzahlen.
Einen regelrechten Schock bekam vor Kurzem die Hamburger Mieterin Christine Müller als sie einen Brief ihres Fernwärme-Lieferanten Getec Wärme & Effizienz GmbH Nord öffnete. Dieser verlangte von ihr laut der „Bild“ eine Nachzahlung von 2.849,78 Euro. Hinzu kommt eine drastische Erhöhung ihres monatlichen Abschlags ab Februar 2024 für ihre 68-qm-Wohnung. Statt bisher 80 Euro soll sie jetzt 452 Euro bezahlen. Das entspricht einer Erhöhung um 465 Prozent. Müller merkte an: „Heizen ist jetzt teurer als meine 420 Euro Kaltmiete. Das ist Abzocke unter dem Deckmantel der Energiekrise.“
Auch E.ON-Kunden im Versorgungsgebiet Erkrath-Hochdahl in Nordrhein-Westfalen erlebten in den vergangenen Jahren starke Preissteigerungen. Im Jahr 2020 kostete der Brutto-Arbeitspreis für Fernwärme 6,18 Cent pro Kilowattstunde. Bis 2022 hatte dieser sich mit 23,24 Cent pro Kilowattstunde fast vervierfacht. Der Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv) rechnete nach, was das an Mehrkosten für die Verbraucher bedeutet. Für die Jahre 2021 und 2022 mussten die Kunden demnach insgesamt 3.500 Euro zusätzlich aufbringen. Bemessungsgrundlage war ein Jahresverbrauch von 15.000 Kilowattstunden. Von höheren Preisen waren auch andere Versorgungsgebiete betroffen.
Verbraucherzentrale hakt nach
Im letztgenannten Fall wurde nun die Verbraucherzentrale aktiv. Sie hält die Preiserhöhungen von E.ON und auch von HanseWerk für rechtswidrig. Diese seien zu hoch. Es kommt zur Klage gegen diese Unternehmen.
Fernwärme-Kraftwerke verwenden als Brennstoff und Energieträger nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums primär Gas, wie „Finanztip“ berichtet. Und dessen Kosten gehen seit Dezember leicht nach unten. Steinkohle und Braunkohle belegen die dahinterliegenden Plätze. Rund 14 Prozent – sechs Millionen Haushalte – werden laut „Finanztip“ mit Fernwärme beheizt. Diese Haushalte befinden sich oftmals in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Baden-Württemberg und Bayern.
Eine Sondererhebung zur Preisentwicklung bei Fernwärme durch den Verbraucherzentrale-Bundesverband für den „Spiegel“ zeigt: die Preise für Fernwärme steigen kontinuierlich. Bundesweit prüfte der Bundesverband deutschlandweit 21 Fernwärmenetze. Im Fokus standen dabei die Preisentwicklung im Januar 2024.
Auslaufen der Energiepreisbremse und Mehrwertsteuer
Das Besondere in diesem Januar ist, dass zum Jahreswechsel die Energiepreisbremsen der Bundesregierung endeten. Damit waren bisher die Kosten für Verbraucher auf 9,5 Cent pro Kilowattstunde begrenzt.
Laut der Untersuchung lag in 18 der 21 Netze der Arbeitspreis im Januar über 9,5 Cent pro Kilowattstunde – meist steigen die Preise wieder. Ausnahmen sind Frankfurt am Main, Halle und Hamburg, hier blieben die Preise unter 9,5 Cent.
Die Mehrbelastung aufgrund der gestiegenen Fernwärme-Preise variiert nach Angaben der Verbraucherschützer. Die Bewohner eines Musterhaushaltes müssen demzufolge je nach Fernwärmeversorger monatlich zwischen 2 und 145 Euro mehr bezahlen.
Im März kann es nochmals teurer werden. Nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung erhöht sich dann bei den Fernwärmepreisen die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent. Diese hatte die Ampelkoalition während des starken Anstiegs der Energiepreise vor rund 1,5 Jahren für eine begrenzte Zeit auf 7 Prozent reduziert.
Mit der Mehrwertsteuererhöhung kommt der vzbv auf eine Mehrbelastung zwischen 15 und 174 Euro pro Musterhaushalt.
Alexander Müller, Direktor des Verbands der Wohnungswirtschaft Sachsen, sieht diese Entwicklung laut MDR kritisch. „Der plötzliche Wegfall der Preisbremse ist fatal. Da hätten wir uns wirklich mehr Augenmaß von der Bundesregierung gewünscht, von der Politik generell. Das können wir den Mietern nicht antun. Wir fühlen uns auch ein Stück weit abhängig und haben eben die Angst, wenn es dort preislich in die falsche Richtung geht, dass unsere Mieter dann nicht mehr zahlungsfähig sind.“
Kunden können bei Fernwärme nicht aussteigen
Bei einem zentralen Fernwärmenetz sind zahlreiche Haushalte angeschlossen. Für eine Region gibt es immer nur ein solches Netz – und somit nur ein Energieunternehmen. Dieses besitzt laut der „Frankfurter Rundschau“ ein sogenanntes „natürliches Monopol“.
Die Kunden haben nicht die Möglichkeit, bei gestiegenen Preisen einen günstigeren Fernwärme-Anbieter zu wählen. Sie sind laut den Verbraucherschützern „gefangene Kunden“. Verträge mit sehr langen Laufzeiten von teilweise zehn Jahren sind daher üblich.
Das Problem ist bekannt, bereits seit mehreren Jahren warnen Verbraucherschutzzentralen davor. Es existiert kaum eine Regulierung für das Monopol der Energieunternehmen.
Im November 2023 ist das Bundeskartellamt daher aktiv geworden: Es initiierte Verfahren gegen insgesamt sechs Stadtwerke und Fernwärmeversorger. Der Grund: Verdacht „auf missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen im Zeitraum von Januar 2021 bis September 2023“.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht ebenfalls das Problem. Er will laut „Handelsblatt“ für Fernwärme-Kunden transparentere und fairere Preise durchsetzen. Eine Vergleichsplattform der Branche wäre dabei hilfreich, schlug er vor. Ebenso könne ein Teil der Lösung ein Schlichtungsmechanismus in bestimmten Streitfällen sein.
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