Aufenthalt in China wird gefährlicher: Peking erweitert Anti-Spionage-Gesetz
Am 1. Juli tritt Chinas neues Anti-Spionage-Gesetz in Kraft. Im Gegensatz zur vorherigen Version des Gesetzes vom November 2014 wurde der Begriff „Spionage“ ausgeweitet und breiter verfasst. Die unklarere Formulierung bietet fortan mehr Auslegungsspielraum. Nach Ansicht von Menschenrechtsexperten zielt das Gesetz auf eine Verschärfung der Unterdrückung des chinesischen Volkes und soll dazu benutzt werden, Ausländer und ausländische Unternehmen in China besser verfolgen zu können.
Das vom Nationalen Volkskongress abgenickte Gesetz wurde am 26. April auf der Webseite der Regierung veröffentlicht. Mit der neuen Gesetzesversion bekommt der Begriff der Spionage in China eine unschärfere Kontur, was den Behörden mehr Spielraum zur Anwendung gibt, um „die Spionageabwehr zu stärken, Spionage zu verhindern, zu stoppen und zu bestrafen“.
Wie gefährlich wird mit der Verschärfung des Anti-Spionage-Gesetzes eine private oder geschäftliche Reise nach China oder generell die Arbeit von Ausländern im Reich der Mitte?
„Neue Ära der Sicherheit und der Kontrolle“
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte in ihrer China-Grundsatzrede am 30. März in Brüssel – nur wenige Tage vor ihrem China-Besuch –, dass China die Zeit der „Reform und Öffnung“ hinter sich gelassen habe und nun in eine „neue Ära der Sicherheit und der Kontrolle“ eintrete – „ob militärisch, technologisch oder wirtschaftlich“.
Es seien „strengere wirtschaftliche Kontrollmaßnahmen […] durch die Kommunistische Partei Chinas durch ihre Institutionen und Führer“ zu erwarten sowie die Strategie, andere Länder in Abhängigkeit zu bringen. Dies untergrabe „die Logik der freien Märkte und des offenen Handels“, so von der Leyen.
Doch was will Chinas Regime dadurch erreichen? Für die EU-Kommissionspräsidentin ist das kein Geheimnis: „Das klare Ziel der Kommunistischen Partei Chinas ist eine systemische Veränderung der internationalen Ordnung mit China im Zentrum“, sagte Ursula von der Leyen.
In Artikel 2 des Gesetzestextes wird deutlich verankert, wer das eigentliche Sagen hat: „Die Spionageabwehr orientiert sich an der zentralen und einheitlichen Führung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas.“
Viele Firmen bekommen Probleme
Im Gespräch mit der Epoch Times erklärte am 27. April ein leitender Angestellter eines ausländischen Unternehmens in Hongkong, dass die Überarbeitung des Anti-Spionage-Gesetzes größere Auswirkungen auf Unternehmen und Angestellte in den drei Arten von Unternehmen haben könnte: „Die erste Art sind Unternehmen, die in China mit Ermittlungen beschäftigt sind, oder solche, die mit der Prüfung von Buchhaltungsunterlagen befasst sind, wie Deloitte und vier andere große globale Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Sie verfügen möglicherweise über einige sensible Informationen. Die zweite Art sind die Unternehmen, die Investitionsanalysen erstellen“. Laut dem Insider seien die dritte Art „Unternehmen, die in China in den Bereichen medizinische Biotechnologie und Software kooperieren oder Wirtschafts- und Handelsaustausch betreiben“.
Er erinnerte daran, dass China kein internationales Rechtssystem habe. Auch die meisten westlichen Länder hätte Gesetze zur nationalen Sicherheit und zur Terrorismusbekämpfung. Chinas sozialistisches Rechtssystem sei jedoch mit den meisten in der Welt gebräuchlichen internationalen Gesetzen unvereinbar. „Weil die rechtlichen Maßnahmen der KP Chinas (KPC) oft gegen Menschenrechte verstoßen, werden ausländische Unternehmen und ihre Mitarbeiter sehr besorgt sein“, prophezeite der Manager.
Weiter wird berichtet, dass chinesische Behörden im März eine Razzia im Pekinger Büro der Mintz Group, einer amerikanischen Ermittlungsfirma, durchgeführt hätten. Fünf chinesische Mitarbeiter seien festgenommen worden. Auch in Shanghai wurden die Behörden tätig. Die chinesische Polizei befragte im Büro der US-Beratungsfirma Bain & Co. die dortigen Mitarbeiter und nahm Computer und Mobiltelefone mit, wie ein Sprecher des Unternehmens am 26. April bestätigte.
Wird China immer riskanter?
Im April wurde ein leitender Angestellter der Pekinger Niederlassung des japanischen Unternehmens Astellas Pharmaceuticals wegen angeblicher Spionage verhaftet. Der Vorfall habe die japanische Geschäftswelt erschüttert. Einige Unternehmen hätten bereits eine Neubewertung der Risiken in China vorgenommen und ihre Geschäftsreisen in den kommunistischen Staat gestoppt.
Am 27. April sprach die Epoch Times mit einem chinesischen Anwalt. Dieser erklärte unter dem Pseudonym Yang Ming etwas Ähnliches. Er glaubt, dass „viele mit ausländischem Geld finanzierte Unternehmen und ausländische Investoren eine Bewertung auf der Grundlage der potenziellen Probleme in der gegenwärtigen chinesischen Gesellschaft vornehmen werden“. So mancher werde es nicht wagen, nach China zu kommen, um zu investieren, so der Anwalt.
Der Anwalt fragte: „Was ist Spionage? Genau genommen ist Spionage eine Handlung, die durch Beweise belegt ist, dass jemand von einem Feind oder einem feindlichen Land ausgebildet wurde oder davon profitiert hat, Informationen zu sammeln oder sie bereitzustellen“, erklärte Yang. „Aber in Wirklichkeit definiert die KPC Spionage willkürlich. Wenn Sie eine Wirtschaftsumfrage machen oder ein Foto einer Militärbasis auf Ihrem Handy haben, wenn Sie es ins Internet stellen, kann das Regime es als Spionage definieren.“
Yang wies darauf hin, dass die Einführung des erweiterten Antispionagegesetzes sowie des Antiterrorgesetzes und des Cybersicherheitsgesetzes, die das Regime zuvor erlassen hatte, „alles Mittel der KPC [sind], um ihre Diktatur und illegale Herrschaft zu stärken“. Das sei hauptsächlich dazu da, um das gesamte Volk einzuschüchtern. „Weil die Glaubwürdigkeit der KPC zusammengebrochen ist und der Widerstand des chinesischen Volkes zunimmt. Also nutzt sie eine umfassende Gesetzgebung, um den Menschen zu verbieten, über die Propaganda des Regimes zu diskutieren, die auf erfundenen Geschichten basiert.“ Die Partei wolle die Menschen daran hindern, die Wahrheit zu sagen. Sie wolle den Widerstand des einfachen Volkes unterdrücken.
Überall Spione und Agenten
Was besagt eigentlich das neue Gesetz über Spionage? Dem Text nach gelten beispielsweise nicht nur Aktivitäten von „Spionageorganisationen und ihren Agenten“ gegen die nationale Sicherheit als Spionagehandlungen, sondern auch deren Finanzierung. Ebenso fällt darunter die Zusammenarbeit mit ihnen oder mit „Agenturen, Organisationen oder Einzelpersonen innerhalb oder außerhalb des Landes, die mit ihnen zusammenarbeiten“.
Allein in diesen Auslegungen sind zahlreiche Gefahren verborgen. Wen stuft China als Agent oder als Spionageorganisation ein? Werden ausländische Sicherheitsbehörden in dieser Kategorie eingereiht? Wer arbeitet mit wem zusammen? Es wird undurchschaubar.
Das japanische Medienhaus Nikkei äußerte Befürchtungen, dass die Kommunistische Partei Chinas durch willkürliche Anwendung des Gesetzes ausländische Personen und Unternehmen ins Visier nehmen will. Dies könnte zu willkürlicher Strafverfolgung und zu Verhaftungen von Personen ohne konkrete Beweise führen. Den Angaben nach sei nicht klar definiert, was genau Chinas nationale Sicherheit oder Interessen ausmache. Nikkei verweist auch auf einen Passus der Meldepflicht von Spionageakten aller Art durch die Bürger – inklusive von Belobigungen für herausragende Beiträge zur Spionageabwehr.
Hiroki Seto von der Krisenmanagementberatung bei Sompo Risk Management in Tokio warnt: „Menschen, die dort stationiert oder unterwegs sind, müssen sich bewusst sein, dass sie ständig überwacht werden.“ Der Versicherungsspezialist rät: „Sie sollten alles vermeiden, was auch nur annähernd als Spionage ausgelegt werden könnte.“ Wenn man an einen unbekannten Ort in China gehe, solle man sich jemanden mitnehmen, der die Gegend gut kenne, so Seto. Man solle sich über die Standorte militärischer Einrichtungen und dergleichen informieren lassen und darauf achten, diese nicht zu betreten.
Gefährlich wird es allerdings nicht nur für Ausländer oder ausländische Firmen. Auch kritische chinesische Journalisten geraten zunehmend in die Schusslinie. Nach Epoch Times-Angaben wurde im vergangenen Jahr ein ehemals leitender Redakteur einer der größten chinesischen Zeitung, der Guangming Daily, verhaftet. Als Dong Yuyu gerade beim Mittagessen mit einem japanischen Diplomaten war, traten die Pekinger Behörden an ihn heran und nahmen ihn fest. Eine Anklage wegen Spionage folgte. Dong war bekannt dafür, das chinesische Regime bei mehreren Gelegenheiten kritisiert zu haben. Am 24. April dieses Jahres äußerte sich seine Familie erstmals öffentlich zu dem Fall. Sie erklärte, dass die Anschuldigungen der Behörden frei erfunden seien. Man wolle damit seine abweichende Meinungen unterdrücken.
Damoklesschwert „Staatsgeheimnisse“
Spionagehandlungen in China sind auch: „Stehlen, Ausspionieren, Kaufen oder rechtswidriges Bereitstellen von Staatsgeheimnissen und Geheimdienstinformationen durch ausländische Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen, die keine Spionageorganisationen und ihre Agenten sind“.
Während im alten Gesetzestext ein Schwerpunkt auf die illegale Weitergabe von Staatsgeheimnissen gelegt wurde, umfasst das neue Gesetz auch „Dokumente, Daten, Materialien und Gegenstände im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit und Interessen oder Aktivitäten“, die jemand sich von inländischen Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen beschafft.
Ebenso sind Cyberangriffe auf staatliche Organe oder geheimdienstliche Einheiten oder wichtige Informationsinfrastrukturen aufgeführt – ein Punkt, der beispielsweise das Durchsickern von Informationen betrifft.
Die Offenlegung von Staatsgeheimnissen bringt in China schwerwiegende Konsequenzen mit sich – je nach Schwere der vorgeworfenen Verfehlungen bis zu lebenslanger Haft und sogar Todesstrafe.
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