Fritz Vahrenholt: Zwei kleine Dunkelflauten und die Fortsetzung der gescheiterten Energiepolitik
Die Abweichungen der globalen Mitteltemperaturen vom 30-jährigen Durchschnitt der satellitengestützten Messungen der University of Alabama (UAH) ist im November erneut deutlich gefallen. Im vergangenen Monat überstiegen die Temperaturen jene der Referenzperiode 1991 bis 2020 um +0,64 Grad Celsius. Im Oktober lag die Abweichung bei +0,73 Grad Celsius, im September bei +0,96 Grad Celsius.
Die durchschnittliche Erwärmung der letzten 40 Jahre ist wieder auf 0,15 Grad Celsius pro Jahrzehnt gesunken. Das entspräche 1,5 Grad in 100 Jahren.
Stromengpass mit Ansage
Vom 2. bis 8. November sowie vom 10. bis 13. Dezember brach in Deutschland die Stromversorgung durch sogenannte Erneuerbare Energien zusammen. Eine für den Winter typische Großwetterlage einer Windflaute bei gleichzeitiger minimaler Solareinstrahlung führte zu Versorgungsknappheit, hohem Stromimport und explodierenden Strompreisen.
Zeitweise mussten über 20.000 Megawatt (MW), mehr als ein Viertel des deutschen Strombedarfs, importiert werden. Die Strompreise stiegen bis auf das Zehnfache. Betriebe, die keine Langfristverträge hatten, mussten ihre Produktion einstellen.
Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), sagte in diesem Zusammenhang: „Es ist zum Verzweifeln. Unsere Unternehmen und unser Land können sich keine Schönwetter-Produktion leisten. Wir brauchen dringend Kraftwerke, die sicher einspringen können.“
Die Ursache: Die Ampelregierung und die vorherigen Merkel-Regierungen hatten 19 Kernkraftwerke stillgelegt. Diese konnten 30 Prozent des deutschen Strombedarfs decken. Allein am 1. April 2023 gingen zusätzlich 15 Kohlekraftwerke vom Netz. Weitere Kraftwerke folgten. 4,35 Milliarden Euro Steuergelder an Stilllegungsprämien wurden an RWE und LEAG verteilt.
Im Januar 2025 soll außerdem das RWE-Kraftwerk Weisweiler vom Netz gehen. Ausgerechnet im Januar, wenn der Stromverbrauch in Deutschland am höchsten ist und Frankreich möglicherweise wenig liefern kann. Warum? Frankreich ist das wärmeempfindlichste Land Europas – schon kleine Temperaturschwankungen wirken sich wegen des großflächigen Einsatzes von Elektroheizungen auf den Stromverbrauch aus. 1 Grad Celsius weniger und der Verbrauch in Frankreich steigt um 2.400 Megawatt.
Nachbarländer ziehen Konsequenzen
Aber die deutsche Energiepolitik des Abschaltens von gesicherter Leistung führt mittlerweile auch unsere Nachbarn in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Südnorwegen, Südschweden, Österreich und die Niederlande hatten während der Dunkelflaute ähnlich hohe Strompreise wie wir. Auch Dänemark, dessen Stromversorgung ebenso auf Windstrom beruht, verstärkte durch seinen Stromimport aus Skandinavien die dortige Malaise.
Norwegens Energieminister der Mitte-Linksregierung, Terja Aasland, will das Stromkabel nach Dänemark kappen und die Stromverträge mit Deutschland neu verhandeln. Er geht damit auf die Forderungen der rechten Fortschrittspartei ein, die das schon lange fordert und wahrscheinlich die nächsten Wahlen gewinnen wird. Die Preisinfektion aus dem Süden müsse gestoppt werden, so die Fortschrittspartei.
Die schwedische Energieministerin Ebba Busch wurde noch deutlicher:
Es ist schwer für eine industrielle Wirtschaft, sich für ihren Wohlstand auf das Wohlwollen der Wettergötter zu verlassen.“
Weiter sagte sie:
Kein politischer Wille ist stark genug, um die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen – nicht einmal der von Herrn Habeck.“
Windräder verbrauchen Strom, wenn sie keinen liefern
Zudem wird häufig vergessen, dass Windräder Strom verbrauchen, wenn sie stillstehen oder abgestellt werden. Denn auch im Stillstand müssen sämtliche technischen Komponenten wie Ölpumpen, Lüfter und Steuerungen in Betrieb bleiben. Vestas gibt für eine 4,2-MW-Anlage einen Stromverbrauch von 55.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr im Stillstand an.
In Produktionszeiten versorgt sich die Anlage selbst mit Strom. Aber sie steht eben an 120 Tagen des Jahres nahezu still. Gehen wir von einem durchschnittlichen Eigenverbrauch von 40.000 kWh pro Jahr aller deutschen Anlagen aus, kommt man auf 1,2 Terawattstunden. Das entspricht der Erzeugung von einem mittelgroßen Gaskraftwerk.
Um es auf die jüngsten Dunkelflauten zu übertragen: Um die Windkraftanlagen zu versorgen, musste ein Kraftwerk mit etwa 400 MW laufen oder die gleiche Leistung tagelang importiert werden, um die Windkraftwerke nicht absaufen zu lassen.
Energiepolitik im Wahlprogramm der CDU – Teil 1
Keine wesentliche Änderung der Energiepolitik zu erwarten ist, wenn man das Wahlprogramm der CDU betrachtet. Warum CDU? Weil es aller Voraussicht das in eine Koalition mit SPD oder Grünen einzubringende Programm des zukünftigen Kanzlers ist.
Kurz und schmerzhaft lässt sich zusammenfassen: Der Energie- und Klimateil des CDU-Wahlprogramms ist eine einzige Enttäuschung für diejenigen, die sich mit der energiepolitischen Lebenswirklichkeit der Betriebe und Bürger befassen.
Es findet keine Benennung der Ursachen der aktuellen Energiekrise statt. Thematisiert werden außerdem weder die horrenden Subventionen für erneuerbare Energien aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 20 Milliarden Euro im laufenden Jahr, noch die massiv steigenden Netzkosten, die eine Folge der Schwankungen von Wind- und Solarstrom sind, noch die zu hohen Strompreise, die zu einer Deindustrialisierung führen.
Stattdessen ein Weiter so: „Die im Klimaschutzgesetz [der Ampel] verbindlich verankerte Klimaneutralität bis 2045 haben wir fest im Blick.“ Den Mut der FDP, wenigstens das Klimaschutzgesetz an die (fehlerhafte) Forderung des Bundesverfassungsgerichtes nach Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 anzupassen, verzichtet die Union. Ihrerseits heißt es, „wir wollen die Erneuerbaren Energien deutlich ausbauen“ und „wir werden die klimafreundliche Erzeugung von Strom und Wasserstoff vorantreiben“.
Energiepolitik im Wahlprogramm der CDU – Teil 2
Wer Aussagen zur CO₂-Abscheidung (CCS) bei Kohlekraftwerken sucht, wird ebenso enttäuscht wie derjenige, der eine Aussage zur Förderung von heimischem Erdgas (Schiefergas) in Norddeutschland und der Nordsee erwartet. Dafür findet sich, wie bei den Grünen, ein Klimabonus im Programm in Form einer teilweisen Rückerstattung der CO₂-Abgabe.
Besonders ärgerlich ist die Aussage „wir stehen zu unseren Zusagen zur globalen Klimafinanzierung und zur Verantwortung in der internationalen Zusammenarbeit“. Diese Zusage ist gerade von Frau Baerbock (B90/Grüne) auf der Weltklimakonferenz in Baku auf 18 Milliarden verdreifacht worden. Das will also auch die CDU/CSU.
Insgesamt gewinnt man beim Lesen des energie- und klimapolitischen Teils des Programms den Eindruck, dass dieser Teil andockfähig für die Grünen formuliert werden sollte. Sieht man von der Forderung nach der Ermöglichung der Erforschung von Kernkrafttechnologien der vierten oder fünften Generation ab, gibt es keine programmatische Aussage, die mit den Grünen zu Schwierigkeiten führen würde.
Bemerkenswerterweise fehlt die Wiederinbetriebnahme der noch bestehenden Kernkraftwerke in der beschlossenen Fassung des Programms. Das wäre die Sollbruchstelle mit den Grünen gewesen.
Doch selbst wenn das Wahlprogramm diesen Punkt enthalten würde, bleibt die Frage, wie weit die Versicherung, bestehende Kernkraftwerke zurückzuholen, von der Partei, deren Vertreter in den Regierungen von Schleswig-Holstein, Bayern und Baden-Württemberg geholfen haben, den Abriss so schnell wie möglich durchzuführen, für bare Münze genommen werden können.
Die Rettung der Weltretter
Jedenfalls findet sich ähnlich wie bei den Grünen im CDU-Programm der Gedanke wieder, Deutschland müsse klimapolitisch die Welt retten: „Deutschland hat 1 Prozent der Weltbevölkerung, 2 Prozent des CO₂-Problems [Anm. d. A.: In Wahrheit sind es nun noch 1,5 Prozent]. Wir wollen aber 20 Prozent zur Lösung beitragen […] Deutschland muss zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien werden.“
Deutschland kann jedoch zeitweise nicht einmal die eigene Stromversorgung sicherstellen und ist auf Stromimporte angewiesen, soll aber neben der Elektrifizierung des Verkehrs und der Wärme auch noch Strom zu Wasserstoff machen. Wer Deutschlands Industrie endgültig den Garaus machen will, der setzt auf vierfach teureren Wasserstoff wie die Grünen und die SPD und jetzt auch die CDU. Helfen soll dabei der Ausbau des grenzüberschreitenden Stromhandels.
Wahrscheinlich haben nicht alle in der CDU/CSU Führung mitbekommen, dass uns gerade Norwegens Energieminister und Schwedens Energieministerin angedroht haben, die Verbindungen zu Deutschland zu kappen, weil wir in Zeiten der Knappheit auch deren Strompreissystem durch teuren Stromhandel extrem belasten.
Deutschlands Energiepolitik: Alles eine Frage des Preises
So sieht also das energiepolitische CDU/CSU-Programm pur aus. Da kann man sich gut vorstellen, wie das Schwarz-rote oder Schwarz-grüne Regierungsprogramm aussehen wird. Eine Aufhebung der Schuldenbremse erscheint mehr als möglich.
Die Forderung der Grünen, die Netzkosten der Übertragungsnetze durch den Staat zu übernehmen, wird laut Regierung voraussichtlich 38 Milliarden Euro pro Jahr kosten, in der gesamten Wahlperiode also 150 Milliarden Euro. Auf dem gleichen Weg, die Netzkosten durch den Steuerzahler tragen zu lassen, sind auch SPD und CDU.
Statt die verfehlte Energiepolitik auf Basis schwankender, nicht wettbewerbsfähiger erneuerbarer Energien zu problematisieren, die sich in massiv steigenden Netzkosten zeigt, nimmt man den Steuerzahler für neue Milliardenschulden in Anspruch.
Es gibt sicherlich auch gute Ansätze im Unionsprogramm, etwa zur Steuerpolitik. Aber in der Klima- und Energiepolitik war die klare Devise: nichts beschließen, was die Fortsetzung der grünen Politik mit Kanzler Merz behindert.
Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Weihnachtszeit und ein Gutes Neues Jahr.
Über den Autor:
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist promovierter Chemiker, SPD-Politiker, Manager, Wissenschaftler und Buchautor. Seit 1976 arbeitete er unter anderem im Umweltbundesamt, als Staatsrat bei der Umweltbehörde und als Umweltsenator in Hamburg. Er war Vorstand für erneuerbare Energien der Deutschen Shell AG sowie Gründer und Vorstand des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems.
Seit 1999 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eines der wirkmächtigsten Bücher in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2020 erschien sein Bestseller „Unerwünschte Wahrheiten“ und 2021 folgte „Unanfechtbar – Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz im Faktencheck“. www.vahrenholt.net
Dieser Artikel erschien im Original auf klimanachrichten.de/ unter dem Titel „Fritz Vahrenholt: Findet die gescheiterte Energiepolitik nach den Wahlen ihre Fortsetzung?“. (redaktionelle Bearbeitung ts/Epoch Times)
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