Fußball, WEF, Klimakonferenz: CO₂-Emissionen von Privatjets binnen 5 Jahren stark gestiegen
Durch Privatjets verursachte Kohlendioxidemissionen sind in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Insbesondere internationale Großveranstaltungen einschließlich sportliche Höhepunkte wie die Fußball-WM und der Superbowl, das alljährliche Filmfestival in Cannes als auch der Weltwirtschaftsgipfel (WEF) und die UN-Klimakonferenz (COP) lassen unzählige Privatjets – und damit die Emissionen – in die Höhe steigen.
In Summe waren im Jahr 2023 Privatjets verantwortlich für den Ausstoß von „mindestens 15,62 Millionen Tonnen CO₂“. Dies entspricht einem Anstieg der Emissionen aus der privaten Luftfahrt um 46 Prozent im Vergleich zu dem Jahr 2019 und etwa 1,8 Prozent der Gesamtemissionen der kommerziellen Luftfahrt im Jahr 2023. Zu diesem Ergebnis kommen Stefan Gössling, Andreas Humpe und Jorge Cardoso Leitão in ihrer Anfang November veröffentlichten Studie. 2019 waren es noch 10,7 Millionen Tonnen.
Ob und in welchem Ausmaß Kohlenstoffdioxid das Klima beeinflusst, ist jenseits der Politik umstritten und nach wie vor Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung. Wie stark der Einfluss oder wie sinnvoll eine Reduktion des vermeintlichen Klimagases ist, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.
Eine Branche im Aufwind
„Die private Luftfahrt ist die energieintensivste Form des Luftverkehrs, ihr weltweites Ausmaß, ihre Verbreitung und ihre Energieintensität sind jedoch noch immer nicht hinreichend erforscht“, so die Forscher.
Um dies zu ändern, untersuchten die Professoren Gössling (Linnaeus University, Schweden) und Humpe (Hochschule München) mit dem Datenwissenschaftler Leitão aus Dänemark im Rahmen ihrer Studie die Flugdaten von 25.993 Privatjets, die weltweit im Dezember 2023 registriert waren. Von ihnen sind knapp 69 Prozent in den USA gemeldet, die sich wenig verwunderlich als Emissionsschwerpunkt erwiesen, gefolgt von Brasilien und Kanada mit 3,5 respektive 2,9 Prozent der registrierten Maschinen.
Deutschland landete mit 630 registrierten Privatjets (2,4 Prozent) auf Platz vier. Pro Kopf gerechnet beherbergt Malta die größte Flotte privater Flugzeuge (247 Maschinen, 46,5 pro 100.000 Einwohner), Deutschland kommt hier auf 0,75.
Die drei Autoren ermittelten außerdem, dass die derzeit knapp 26.000 Flieger von nur 256.000 Menschen genutzt werden – mit einem durchschnittlichen Vermögen von 123 Millionen US-Dollar und einem kombinierten Vermögen von 31 Billionen US-Dollar.
Rechnerisch kommen durchschnittlich zehn Passagiere auf einen Privatjet. Da können auch „umweltfreundliche“ Maschinen nichts daran ändern, dass jene, die es sich leisten können, einen vielfach größeren CO₂-Fußabdruck haben als der Durchschnittsflieger, geschweige denn der Durchschnittsbürger.
Bereits im Februar 2024 umfassten die Flugregister 26.454 Maschinen, was auf ein ungebremstes Wachstum hindeutet. Bis 2033 sei laut Branchenangaben zudem mit der Inbetriebnahme von weiteren 8.000 Privatjets zu rechnen, die jegliche Emissionsminderung einzelner Flieger zunichtemachten.
Super-Privatjets fliegen jenseits der Wertung
Wie die Autoren schreiben, verbringen Privatjets knapp die Hälfte ihrer Flugzeit in Höhen über 30.000 Fuß (etwa 9 Kilometer über dem Meeresspiegel). Die Autoren schreiben ebenfalls, dass dies „darauf hindeutet, dass ein Teil der Emissionen in empfindliche Schichten der Atmosphäre gelangt.“ Da sie jedoch in ihrer Studie immer wieder von „direkten Emissionen“ sprechen, ist zu erwarten, dass sie andere Effekte wie Kondensstreifen sowie Stickoxid- und Wasserdampfemissionen nicht berücksichtigt haben.
Alles in allem flossen in die Auswertung 18.655.789 einzelne Flüge aus den Jahren 2019 bis 2023 ein. Strecken mit Zwischenlandung zählen dabei als unterschiedliche Ereignisse. Verknüpft wurden die erfassten Flugdaten mit Herstellerangaben bezüglich des Treibstoffverbrauchs von 72 hauptsächlich für den Transport von Einzelpersonen genutzten Flugzeugtypen, von Propellermaschinen von Cessna und Beechcraft bis zu den Jets von Bombardier und Lockheed.
Die Studie umfasse damit den Großteil der weltweiten privaten Luftfahrt, einschließlich Flügen von kommerziellen Anbietern für persönliche Luftfahrt, sprich private Flüge in gecharterten Flugzeugen. Es gibt jedoch Einschränkungen, die vielfach zu einer Untererfassung der Emissionen aus dem privaten Luftverkehr führen.
Eine davon ist die zunehmende Nutzung von temporären „privaten Flugzeugnummern“ (PIAs), was eine Zuordnung der Flüge zu einzelnen Privatjets und Flugzeugmodellen erheblich erschwert. Zudem blieben Rollwege und Wartezeiten am Boden und daraus resultierende Emissionen von Privatjets ausdrücklich unberücksichtigt. Ebenso blieben private Helikopter gänzlich unbeachtet, auch Flugzeuge, welche aus dem Schema „Privatjet“ herausstechen – mancher nennt einen Airbus oder einen Jumbo-Jet sein Eigen – wurden in der Studie nicht ausgewertet. Dass diese entsprechend höhere Emissionen verursachen, steht außer Frage.
Mehr Zeit am Boden als in der Luft?
Allein im Jahr 2023 wurden demnach knapp über 4,3 Millionen Einzelflüge über eine Gesamtdistanz von rund 3,72 Milliarden Kilometern durchgeführt. Dabei verbrachten die Flugzeuge knapp 6,5 Millionen Stunden in der Luft – etwa 249 Stunden pro Flugzeug oder etwa 90 Minuten pro Flug. Bereits daran ist erkennbar, dass viele Flüge eher auf der Kurzstrecke erfolgten. Die Daten von Gössling und Kollegen belegen dies.
So legten Privatjets im Jahr 2023 zwischen Start und Landung durchschnittlich 865,7 Kilometer zurück. Der längste Flug war über 12.000 Kilometer lang, jedoch führte weniger als jeder dritte Flug (29,1 Prozent) zu Zielen in mehr als 1.000 Kilometer Entfernung. Gut die Hälfte der Flüge (52,6 Prozent) legte immerhin mehr als 500 Kilometer zurück.
Knapp jeder fünfte Flug (18,9 Prozent) war unter 200 Kilometer lang, während jeder 20. Flug (4,7 Prozent) sogar lediglich 50 Kilometer – oder weniger – überbrückte. Einer der kürzesten Flüge des Jahres war laut Aufzeichnungen 13 Kilometer kurz.
Derart kurze Strecken legen andere mit dem Fahrrad zurück, manche sogar wortwörtlich vor dem Frühstück. Während ein gut trainierter Radler für 50 Kilometer etwa zwei Stunden unterwegs ist, benötigt ein Privatjet nur 5 bis 10 Minuten. Somit ist nicht auszuschließen, dass die Zeit, die Passagiere am Boden verbringen, länger dauert als der eigentliche Flug – so sie denn überhaupt an Bord sind. Den Autoren zufolge seien „viele“ Flüge leer, das heißt, auf dem Weg zu oder auf dem Rückweg von einem „bemannten Flug“. Wie groß der Anteil an Leerflügen ist, sei nicht bestimmbar.
Fliegen im Namen des Klimaschutzes
Was die Flugziele im Detail angeht, bestätigte sich ein lang bekanntes Phänomen: Rund um große sportliche, kulturelle oder politische Ereignisse ist das Aufkommen von Privatflugzeugen jeweils besonders hoch. Das trifft sowohl auf die Fußballweltmeisterschaft der Herren im Jahr 2022 in Katar, den Superbowl und die Filmfestspiele in Cannes an der Côte d’Azur zu, aber auch auf das Weltwirtschaftsforum in Davos sowie die – eigentlich dem Klimaschutz verschriebenen – UN-Klimakonferenzen, deren diesjährige Ausgabe COP29 derzeit in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku stattfindet.
So erfolgten anlässlich der Klimakonferenz 2023 in Dubai 644 Privatflüge. Für diese errechneten die Forscher direkte Emissionen in Höhe von 4.800 Tonnen CO₂. Die Fußball-WM 2022 war ihrerseits mit 1.846 Privatflügen verbunden, die 14.700 Tonnen CO₂ verursachten.
Zudem stellten Gössling und Kollegen vielfach Überschneidungen fest und identifizierten ein und dieselben Privatjets anhand ihrer Hecknummern bei mehreren Veranstaltungen. Beispielsweise seien von den 766 Privatflugzeugen, die im Kontext der Filmfestspiele von Cannes, Frankreich, registriert wurden, 172 auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos, Schweiz, zu finden.
Von den 409 Privatmaschinen bei der Fußball-WM in Doha, Katar, waren jeweils 66 auch beim Superbowl 2023 in den USA sowie in Cannes zu finden. Ferner wurden 65 beim WEF wiedergesehen und 96 bei der UN-Klimakonferenz COP28.
Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden
Ob es sich dabei um dieselben Vielflieger handelt, geht aus der Studie nicht hervor. Dazu erklären die Autoren: „Es ist nicht möglich zu sagen, […] dass die Veranstaltungen von denselben Personen besucht werden, da häufig Flugzeuge gechartert werden.“ Sie räumen aber ein „Interesse ein, die Reisemotivationen über politische, wirtschaftliche und kulturelle Dimensionen hinweg weiter zu untersuchen“.
Eine eigene detailliertere Auswertung der Daten hat Epoch Times nicht vorgenommen. Die Rohdaten sind hier verfügbar.
Was die Daten indes zeigen, fasst das Team um Gössling wie folgt zusammen: „In vielen Fällen scheint die private Luftfahrt das Auto aus Zeitgründen oder aus Bequemlichkeit zu ersetzen.“ Außerdem wiesen „ein klarer saisonaler Trend“ und wöchentliche Muster in bekannten Feriengebieten darauf hin, dass ein wesentlicher Teil der Privatjet-Flüge für Freizeit- und Urlaubstrips genutzt werde. So erreichen beispielsweise an luxuriösen Küstenorten wie Ibiza und Nizza die Besucherzahlen im Sommer ihren Höhepunkt, wobei sich die Reisen an den Wochenenden konzentrieren.
Die Auswertung auf Flughafenebene spiegelt ihrerseits die Termine naher Großveranstaltungen wider. Im Fall von Nizza sind das die Filmfestspiele im benachbarten Cannes Ende Mai sowie die Monaco Yacht Show Ende September. Auf Ibiza zeigen sich zu dem Termin selbst keine Auffälligkeiten, jedoch ist in den Tagen bis Wochen davor und danach erhöhter Flugbetrieb zu erkennen, was auf einen (Kurz-) Urlaub im zeitlichen Zusammenhang der Veranstaltungen schließen lässt.
Ein fliegendes Steuerprivileg
Während Gössling und Kollegen besondere Vielflieger identifizieren konnten, ist aus genannten Gründen eine Zuordnung zu bestimmten Personen nicht eindeutig möglich. Unabhängig von den Passagieren errechneten die Forscher für einzelne Privatjets jährliche Emissionen von bis zu 2.400 Tonnen CO₂, wobei sie sich nach wie vor nur auf direkte Emissionen in der Luft beziehen. Das ist 300-mal mehr als die Pro-Kopf-Emission der Bundesbürger im vergangenen Jahr (8 Tonnen CO₂-Äquivalente) – einschließlich der auf alle Einwohner umgelegten Emissionen aus der Wirtschaft.
„Die Studie untermauert, dass die Superreichen einen riesigen CO₂-Fußabdruck haben“, erklärte Nora Wissner vom Öko-Institut Berlin, die selbst nicht an der Analyse beteiligt war.
Hinzu kommt, dass die Kosten für Privatflugzeuge in vielen Fällen steuerlich absetzbar sind. Das könnte die Verbindung von Geschäftsreisen, beispielsweise nach Cannes oder Monaco, mit einem Urlaub auf Ibiza erklären.
Privatjets fielen zudem oft nicht unter den europäischen Emissionshandel, da dieser eine Mindestgröße und einen Mindestausstoß an Emissionen pro Jahr definiere, welche Privatjets oft nicht erreichen, erklärte Wissner. „Sie erfahren außerdem faktisch eine Subventionierung, da sie in den meisten Ländern keine Energiesteuer oder Mehrwertsteuer zahlen müssen.“
Angesichts „wachsender Klimaauswirkungen des Sektors“ fordern auch Gössling, Humpe und Leitão Regulierungen. Die zentrale Frage sei „wie der weitere Anstieg der Emissionen begrenzt werden kann.“ Dabei veranschauliche der private Luftverkehr „das politische Dilemma, die Rolle der Wohlhabenden anzusprechen, da sich die politischen Entscheidungsträger nur ungern auf die Reichen und Mächtigen konzentrieren.“
Die Studie erschien am 7. November in der Fachzeitschrift „Communications Earth & Environment“.
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