Von der Schulbank ans Steuerrad: Die Erfolgsreise des Romanautors Mark Twain

Dass Mark Twain (1835–1910), mit bürgerlichem Namen Samuel Langhorne Clemens, zu einer Ikone der amerikanischen Literatur wurde, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Er verachtete die formale Schulbildung seiner Zeit und verließ kurz nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1847 glücklich das Klassenzimmer.
In den nächsten 20 Jahren reiste er umher und übte verschiedene Berufe aus – unter anderem als Schriftsetzer, Zeitungsreporter und Lotse für die Mississippi-Schifffahrt. Aus der letztgenannten Tätigkeit stammt auch sein Künstlername „Mark Twain“, was so viel wie „zwei Faden Wassertiefe“ bedeutet. Nachdem er mit seinen Geschichten und Vorträgen Berühmtheit erlangt hatte, folgte er schließlich dem, was er später als seinen „Ruf“ zur Literatur bezeichnete.

Der junge Mark Twain ging nur widerwillig zur Schule. Foto: Gemeinfrei
Obwohl es ihm an einer grundlegenden Schulausbildung mangelte, verfügte Twain über ein sprachliches Talent. Während seiner Reisen bewahrte er sich einen scharfen Blick für Details und sammelte einen Vorrat an Geschichten und Anekdoten, die ihm den Weg zur literarischen Karriere ebnen sollten.
Sein Sinn für das Absurde und sein Humor, der in vielen seiner Werke zum Ausdruck kommt, verschafften ihm weltweit ein großes Publikum. Außerdem war Twain ein talentierter Redner und ein leidenschaftlicher Leser.

Mark Twain gilt als einer der besten Humoristen der USA. Foto: Gemeinfrei
Liebe für europäische Literatur
In „Der Prinz und der Bettelknabe“ schrieb Twain: „Wenn ich König bin, sollen sie nicht nur Brot und Obdach haben, sondern auch Lehren aus Büchern, denn ein voller Bauch ist wenig wert, wenn der Geist verhungert ist.“
Trotz seiner Abneigung gegen formale Schulbildung – oder vielleicht gerade deswegen – bildete sich Twain mit Büchern. Besonders interessiert war der amerikanische Autor an europäischen Autoren.
Olin Harris Moore schrieb zwar 1922 zu Beginn seines Beitrags „Mark Twain und Don Quijote“: „Wir glauben gern, dass Mark Twain vor allen anderen Autoren in den jungfräulichen Boden seines Heimatlandes gegraben und reiche Schätze hervorgebracht hat, die nirgendwo sonst zu finden waren. Wir sagen gern: ‚Welch echter amerikanischer Humor! Welch wahres Bild der amerikanischen Jugend! Nichts von Europa in Mark Twain! Tom Sawyer und Huckleberry Finn sind echte Amerikaner!‘“

Ein Porträt von Samuel Langhorne Clemens aus dem Jahr 1907. Foto: Gemeinfrei
Im Verlauf seines Beitrags legt Moore jedoch das Gegenteil dar: dass Twain und seine Werke stark von europäischen Autoren beeinflusst waren. So habe Twain unter anderem die „Mémoires“ des französischen Schriftstellers Louis de Rouvroy, duc de Saint-Simon 20-mal gelesen, was angesichts ihrer Länge unwahrscheinlich ist. Weiterhin sei Twain ein bekennender Fan von William Leckys „History of European Morals“ gewesen.
Aus einer Fülle von europäischen Schriftstellern waren es in erster Linie zwei, die Twains Aufmerksamkeit und Zuwendung auf sich zogen.

Mark Twain liebte es, die Werke europäischer Schriftsteller zu lesen. Foto: Gemeinfrei
Twain und das Mittelalter
In „Leben auf dem Mississippi“ bezichtigte Twain die viel gelesenen Romane von Sir Walter Scott der „mittelalterlichen ritterlichen Dummheit“. Er sah in Scotts historischen Romanen sogar eine Ursache für den Amerikanischen Bürgerkrieg und schrieb: „Sir Walter hatte einen so großen Anteil an der Prägung eines Charakters der Südstaaten, wie er vor dem Krieg bestand, dass er in hohem Maße für den Krieg verantwortlich ist.“
Ein anderer mittelalterlicher Liebesroman jedoch faszinierte Twain. 1884 machte der Schriftsteller George Washington Cable in einer Buchhandlung in Rochester Twain mit „Le Morte d’Arthur“ von Thomas Malory bekannt. Später sagte Cable:
Er [Mark Twain] hatte ein oder zwei Tage darin gelesen, als ich auf seinen Wangenknochen jene lebhaften rosafarbenen Flecken sah, von denen jeder, der ihn gut kannte, wusste, dass sein Geist mit all seinen Energien arbeitete.“

Das Glasfenster zeigt die beiden Sagengestalten König Arthus und Ritter Lancelot. Foto: Gemeinfrei
Twains 1880 erschienener Roman „Ein Yankee am Hofe des König Artus“ scherzt zum einen über den Aberglauben und das rückständige Denken am Artushof von Malory, zum anderen lobt Twain die Tugenden von Artus und Rittern wie Lancelot. Begeistert und geradezu verzaubert davon reiste er selten, ohne ein Exemplar von Malory bei der Hand zu haben.
Dass Twain seit Langem vom Mittelalter beeindruckt war, zeigt sich auch in zwei anderen historischen Romanen: „Der Prinz und der Bettelknabe“ und „Persönliche Erinnerungen an Jeanne d’Arc“. Letztere Geschichte veröffentlichte Twain 1896, jedoch wurde sie von seinem Publikum schlecht aufgenommen. Die Leser vermissten hierin den bekannten Humor vom „König der literarischen Komödie“.
Dennoch war es Twains persönliches Lieblingsbuch. In einem Beitrag für die Zeitschrift „Harper’s“ aus dem Jahr 1904 beschrieb er Jeanne d’Arc als „die bei weitem außergewöhnlichste Person, die die Menschheit je hervorgebracht hat“.

Jeanne d’Arc, auch als Johanna von Orléans bekannt, war eine französische Widerstandskämpferin im Hundertjährigen Krieg (1337–1453). Foto: Gemeinfrei
Don Quijote auf dem Mississippi
Mit seiner satirischen Betrachtung von Rittertum und Ritterlichkeit können wir verstehen, warum Twain „Don Quijote“ von Miguel Cervantes mochte und eingehend studierte. Er fand sogar so viel Gefallen an dieser Geschichte des verblendeten Ritters, der von einem pragmatischen Kumpan begleitet wird, dass er diese Art der Kameradschaft bei Tom Sawyer und Huckleberry Finn zugrunde legte.

Huckleberry Finn schwänzt gern mit seinem Freund Tom Sawyer die Schule. Die beiden Charaktere sind Mark Twain und seinem Freund Thomas Blankenship nachempfunden. Foto: Gemeinfrei
Wie Quijote ist Tom der Romantiker, der seine regen Fantasien aus Büchern schöpft, die von Robin Hood, Piraten und anderen Fantasiefiguren erzählen. Mühelos bringt er diese ins Missouri des 19. Jahrhunderts.
Wie bei Quijote dient Huck als Toms Gegenspieler mit gesundem Menschenverstand. In beiden Büchern ist es die Kombination von romantischer Fantasie und bodenständigem Witz, der für einen Großteil der Unterhaltung sorgt.

Tom Sawyer ist ein Waisenjunge aus Missouri, der mit seinem besten Freund Huckleberry Finn viele Abenteuer erlebt. Foto: Gemeinfrei
Am Ende des Romans „Abenteuer und Fahrten des Huckleberry Finn“ beschließt Huck, sich „auf den Weg ins Hinterland zu machen“ und nach Westen zu ziehen. Bei der Erschaffung von Tom und Huck ging Twain in die entgegengesetzte Richtung. Er begab sich nach Spanien und in die Welt von Miguel de Cervantes. Dafür können wir Leser nur dankbar sein.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Ex Libris: Mark Twain“. (redaktionelle Bearbeitung kms)
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