Drei Lektionen in Sachen Führung von einem Königsbiografen

Was macht einen Chef zu einem guten Anführer? Das Vertrauen und der Respekt der Untergebenen – doch das muss sich auch ein König erst verdienen. Die drei wichtigsten Eigenschaften schrieb der griechische Philosoph Xenophon vor rund 2.400 Jahren nieder.
3 Lektionen von Xenophon in Sachen Führung
Xenophon lebte in einer vom Krieg gezeichneten Zeit und kannte viele gute, aber auch schlechte Anführer.Foto: theowl84/iStock
Von 7. Februar 2025

Welche Eigenschaften sollte eine große Führungspersönlichkeit haben? Diese verblüffend einfache Frage sollte sich jeder Mensch stellen. Ein Verständnis der Qualitäten, die große Führungspersönlichkeiten auszeichnen, hilft uns, diese in uns selbst zu erkennen und zu kultivieren.

Eine der ältesten Beschreibungen einer Führungspersönlichkeit und ihrer Qualitäten ist die „Kyrupädie“ des griechischen Philosophen Xenophon. Obwohl er sie vor mehr als zwei Jahrtausenden schrieb, enthält diese Biografie entscheidende Erkenntnisse über das Wesen der Führung.

Anhand zahlreicher Beispiele aus dem Leben von Kyros dem Großen, König von Persien, erörtert Xenophon drei Eigenschaften, die jede Führungspersönlichkeit haben sollte.

Xenophon von Athen: Historiker, Philosoph und Feldherr

Im Gegensatz zu anderen antiken Schriftstellern ist Xenophons Leben relativ gut dokumentiert. Dies liegt unter anderem an seinen Memoiren mit dem Titel „Anabasis“, die bis heute erhalten sind.

Marmorbüste von Xenophon

Diese Marmorbüste zeigt Xenophon aus Athen, der um 430 v. Chr. im antiken Attika geboren wurde. Foto: Carole Raddato, Wikimedia Commons | CC BY-SA 2.0

Daraus ist bekannt, dass Xenophon um 430 v. Chr. in Athen geboren wurde. Die griechische Hauptstadt auf der Halbinsel Attika war während seiner Jugend in den Peloponnesischen Krieg verwickelt, als Sparta und Athen um die Vorherrschaft in der hellenischen Welt kämpften.

Gelernt hat der junge Xenophon bei dem Philosophen Sokrates, dem er vier Dialoge widmete. Die gleichen politischen Spannungen, die schließlich zur Hinrichtung von Sokrates führten, betrafen auch Xenophon. Er war Zeuge mehrerer turbulenter Ereignisse, darunter der Sturz der athenischen Demokratie durch die berüchtigten 30 Tyrannen. Diese waren eine Gruppe von Oligarchen, die Sparta nach dessen Sieg über Athen als neue Regierung einsetzte.

Xenophon und Sokrates

In dem Gemälde „Die Schule von Athen“ von Raphael könnte neben Sokrates (r.) auch Xenophon dargestellt sein. Foto: Gemeinfrei

Als er 30 Jahre alt war, wurde Xenophon persönlich eingeladen, an einem Feldzug gegen Persien teilzunehmen. Er nahm das Angebot an, zog in die Schlacht und schrieb das Erlebte in seinen Memoiren nieder. Doch der Krieg, den er hautnah miterlebte, war nur einer von vielen im Mittelmeerraum. Neben dem Peloponnesischen Krieg erschütterten weitere kriegerische Auseinandersetzungen die Region zu dieser Zeit. Immer wieder konkurrierten griechische, karthagische und persische Herrscher um die regionale Vorherrschaft.

Diese prekäre Situation hinterließ Spuren in Xenophons Schriften. Von den fünf historischen Werken, die er verfasste, handeln alle auf die eine oder andere Weise vom Krieg. Eines davon ist die „Kyrupädie“, in der er den persischen König Kyros II. (um 590–530 v. Chr.), auch Kyros der Große genannt, verewigte. Hierin zeigt Xenophon die Qualitäten des Herrschers auf, den er aber nie persönlich kannte. Kyros starb 100 Jahre vor Xenophons Geburt.

„Kyrupädie“ von Xenophon

In seinem Werk „Kyrupädie“ schreibt Xenophon über den persischen König Kyros II. als idealen Herrscher. Foto: Gemeinfrei

Lektion 1: Charisma

Eine der wirkungsvollsten Eigenschaften von Kyros soll sein Charisma gewesen sein: die Fähigkeit, andere zur Hingabe zu bewegen. In Xenophons Worten: „Kyros aber war […] außerordentlich schön, in Bezug auf sein Inneres ausnehmend menschenfreundlich, wissbegierig und ehrgeizig, sodass er jede Beschwerde ertrug, jeder Gefahr sich unterzog, um des Lobs willen.“

Ein Teil seiner Anziehungskraft soll durch sein Aussehen und seine Tapferkeit verstärkt worden sein. Aber das Wesentliche lag in seiner Fähigkeit, mit ehrlichen Worten zu überzeugen und zu inspirieren.

Kyros II., auch Kyros der Große genannt, regierte zwischen 559 und 530 v. Chr. in Persien. Foto: DiegoColle, Wikipedia Commons | CC BY-SA 4.0

In einer Schlacht gegen assyrische Stämme war Kyros zahlenmäßig deutlich im Nachteil. Die einzige Möglichkeit, die Schlacht zu gewinnen, bestand darin, die Einstellung seiner Soldaten zu ändern. Der General versammelte sein verzweifeltes Heer und hielt eine Rede, in der er die Soldaten aufforderte, sich in erster Linie auf ihren Mut zu verlassen.

Xenophon beschrieb, wie Kyros’ wortgewandte Direktheit die Armee zu einer disziplinierten Nahkampftruppe formte. Seine Gefolgsleute respektierten ihn und setzten sich bereitwillig und unerschütterlich für seine Sache ein. Letztlich überwanden sie die Nachteile und besiegten ihren Feind. Xenophon zeigte, dass Charisma den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen kann.

Lektion 2: Disziplin

Ohne Disziplin ist kein Erfolg möglich. Als junger Perser musste Kyros alles lernen – von der Moralphilosophie bis zur Jagd. Der strenge Lebensstil, den er als Jugendlicher entwickelte, übertrug sich auf seine Erfahrungen in den Palästen der alten Könige.

Während eines langen Aufenthalts bei seinem Großvater Astyages, dem König der Meder, widerstand Kyros den Verlockungen des Luxus. So weigerte er sich unter anderem höflich, von den für ihn vorbereiteten Festmählern zu speisen, und zog es vor, seine einfacheren, maßvollen Essgewohnheiten beizubehalten.

Nachdem seine Truppen seine beeindruckende Disziplin aus erster Hand erfahren hatten, waren sie eher bereit, die strengen Forderungen von Kyros zu akzeptieren. Er unterzog seine Soldaten einer harten Ausbildung, indem er einige seiner schwächeren Truppen umschulen ließ und anderen neue Kampffähigkeiten beibrachte.

Das Wandgemälde im Schloss Versailles, Frankreich, zeigt Kyros den Großen bei der Wildschweinjagd. Foto: Coyau, Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Er belohnte Disziplin mit großzügigen Essensportionen und Beförderungen: „Die Taxiarchen, welche ihre Abteilungen gut hielten, sollten Chiliarchen werden; die Lochagen, deren Lochen am ausgezeichnetsten erfunden würden, sollten in die Stellen der Taxiarchen nachrücken“ und so weiter.

Kyros’ leistungsorientierte Haltung stellte harte Arbeit über alles andere und verschaffte ihm großen Respekt bei Soldaten, Politikern und einfachen Menschen.

Lektion 3: Strategisches Denken

Der Erfolg des persischen Königs ist zum Teil auf seine charismatischen Reden zurückzuführen, zum Teil auf sein strategisches Denken. Als Anführer war er ein brillanter Stratege und ein hartnäckiger Verhandler.

Als 16-Jähriger bot er seine Dienste an, um assyrische Überfälle auf das Königreich der Meder abzuwehren, wo seine Verwandten mütterlicher Linie regierten. Sein Plan: Er hatte vor, eine kleine Kavallerieeinheit einzusetzen, um die Beutetransporte des gegnerischen Heeres abzufangen.
So sollte die eigene Armee auf dem Schlachtfeld weniger Gefahren ausgesetzt sein und ihre gestohlenen Güter zurückerhalten. Die Strategie war gewagt, aber erfolgreich. Sein Sieg verschaffte ihm Respekt als Taktiker und beschleunigte seinen Aufstieg zur Macht.

Auch Verhandlungen spielten eine entscheidende Rolle für den Erfolg von Kyros. Manchmal besiegte er seine Feinde auf dem Schlachtfeld, aber manchmal wählte er auch den weniger blutigen Weg.

Darstellung von Kyros II., König von Persien. Foto: Siamak², Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0

Laut Xenophon soll Kyros dauerhafte Bündnisse ausgehandelt haben, anstatt seine Armee in den Krieg zu schicken. Dabei erhielt er neben Land auch Truppen und Ressourcen.

Die Fähigkeit, eine Situation zu verstehen, die konkurrierenden Interessen aller beteiligten Parteien abzuschätzen und ansprechende Kompromisse vorzuschlagen, war für den Erfolg von Kyros – wie für jeden aufstrebenden Anführer – entscheidend.

Das Vermächtnis von Xenophon

Xenophon schrieb in einer vom Krieg gezeichneten Zeit über einen Feldherrn, der trotz seiner Tugendhaftigkeit gewohnt war, seine Gegner mit Gewalt zu unterwerfen. Der Philosoph räumte ein, dass gelegentliche tyrannische Handlungen des Königs auch zu Problemen führten. Letztlich sollen diese der Keim für den Untergang des persischen Reiches gewesen sein. Diese ehrliche Schlussfolgerung hat Xenophons Werk umso einflussreicher gemacht.

In der Antike zogen weltbewegende Persönlichkeiten wie Alexander der Große, Cicero und Gaius Julius Caesar die „Kyrupädie“ regelmäßig zurate.

Das Buch wurde zum Musterbeispiel der Literaturgattung „Fürstenspiegel“. Während des gesamten Mittelalters und der Renaissance verfassten Autoren Lehrbücher über die Regierungsführung für Könige und Fürsten, einschließlich historischer Berichte über gute und schlechte Herrscher. Niccolò Machiavelli stützte sich bei der Abfassung seines einflussreichen Werks „Der Fürst“ weitgehend auf Xenophons Stil und Inhalt.

Der Einfluss der „Kyrupädie“ setzte sich während der Aufklärung und der Neuzeit fort. Außerdem erreichte sie die prominenten Persönlichkeiten in der Neuen Welt wie den amerikanischen Gründervater Benjamin Franklin, der das Buch lobend erwähnte.

Abgesehen von den historischen Details ist Xenophons Botschaft recht einfach. Um Hervorragendes zu leisten, muss sich eine Führungspersönlichkeit echten Respekt verschaffen, eine inspirierende Disziplin an den Tag legen und strategisch vorgehen, um aus jeder Situation das Beste herauszuholen.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „3 Lessons in Leadership From a King’s Biographer“. (redaktionelle Bearbeitung kms)



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