Italienische Deckenfresken: Kunst, die daran erinnert, nach oben zu schauen

Mantegna, Correggio und Tiepolo entwarfen erhabene Deckenfresken, die den Höhepunkt ihrer malerischen Brillanz zeigen und uns daran erinnern, den Kopf zu heben und nach oben zu schauen.
Die fünfte Wand: Italienische Deckenfresken
Bei Deckenfresken spielen Künstler häufig mit malerischer Illusion, bei der Räume durch eine scheinbare Dreidimensionalität künstlich vergrößert werden.Foto: sedmak/iStock
Von 16. November 2024

Die Decke eines Gebäudes wird in der heutigen Innenarchitektur oft als „fünfte Wand“ bezeichnet. Dabei ist ihre künstlerische Ausgestaltung nichts Neues, denn ihre Wurzeln reichen bis ins alte Rom mit seinen aufwendigen Wandmalereien zurück.

Schon damals beherrschten die Römer die malerische Illusion, die sogenannte Quadraturmalerei, bei der Räume durch Wand- und Deckenfresken mit einer dreidimensionalen Wirkung künstlich vergrößert wurden.

Am bekanntesten ist die illusionistische Technik „sotto in su“ aus Italien, die übersetzt „von unten nach oben“ bedeutet und im Venedig des 16. Jahrhunderts besonders beliebt war. Bei anderen historischen Deckenfresken wurde auch die Trompe-l’œil-Malerei angewendet, bei der sich Decken bis in himmlische Höhen zu erstrecken scheinen.

Klassische Motive in historischen Fresken sind Personen aus der griechisch-römischen Mythologie und biblische Figuren. Die Wanddekoration, bei der auf nassen Putz gemalt wird, ist in ganz Europa zu finden, jedoch ziert sie am häufigsten die Kirchen und Paläste ihres Entstehungslandes Italien.

Bereits die Römer kannten aufwendige Fresken wie diese aus der Mysterienvilla in Pompeji. Foto: font83/iStock

Es verwundert daher kaum, dass einige der bedeutendsten historischen Künstler aus dem stiefelförmigen Land kommen. Für ihr malerisches Schaffen und die großartigen Fresken werden vor allem Mantegna, Correggio und Tiepolo gefeiert.

Während die Deckenfresken der Renaissancekünstler Andrea Mantegna und Antonio da Correggio im herzoglichen Palast zu Mantua und in Kathedralen Norditaliens zu sehen sind, schuf der Rokokokünstler Giovanni Battista Tiepolo vor allem Fresken in Italien und Spanien. Das weltgrößte und bedeutendste Werk von Tiepolo ist jedoch in Deutschland zu finden.

Bleiben wir jedoch zunächst in der Renaissance Italiens.

Andrea Mantegna – Hofkünstler und Vorbild Dürers

Andrea Mantegna (um 1431–1506) kam in der Nähe von Padua auf die Welt. Mit ihren vielen antiken Stätten weckte sein Geburtsort bereits früh Mantegnas lebenslanges Interesse an klassischer Kunst und inspirierte seine Arbeit.

Er heiratete in die Familie Bellini ein, eine bedeutende venezianische Kunstdynastie. Mantegnas Werke zeigen oft einzigartige Kompositionen und zeichnen sich durch einen skulpturalen Malstil aus, in dem Proportionen und Perspektive eine große Rolle spielen.

Zu Lebzeiten genoss er ein hohes Ansehen und beeinflusste andere herausragende Künstler, darunter seinen Schwager Giovanni Bellini und Albrecht Dürer. Im Jahr 1460 wurde Mantegna zum Hofkünstler der Herrscher von Mantua ernannt und arbeitete für drei Generationen der Familie Gonzaga.

Palazzo Ducale in Mantua: Wohnort der Adelsfamilie Gonzaga. Foto: Fabiomichelecapelli/iStock

Der „bemalte Raum“

Sein krönendes Fresko entstand zwischen 1465 und 1474 in einem Raum des oben bereits erwähnten Palazzo Ducale in Mantua. Das im nordöstlichen Teil des Herzogenpalastes gelegene Zimmer ist heute unter dem Namen „Camera degli Sposi“, übersetzt „Brautgemach“, bekannt.

Das ehemals „Camera Picta“ oder „bemalter Raum“ genannte Zimmer wurde als Repräsentationsraum genutzt, um Regierungsmitglieder zu empfangen, oder um mit der Familie zusammenzusitzen. Die Wände sind flächendeckend bemalt mit Motiven, welche die Familie Gonzaga und ihren Hofstaat ehren. Im Hintergrund sind üppige Landschaften zu sehen, die die architektonische Begrenztheit des Raums verschleiern.

Wand- und Deckenfresken im Palazzo Ducale

Blick in den Saal „Camera degli Sposi“ des Palazzo Ducale. Foto: Gemeinfrei

Blickfang des Saals ist die berühmte Decke von Mantegna. Ihr Oculus – ein gemaltes Rundfenster in der Mitte – zeigt einen idyllischen Himmel mit Wolken. Um eine Balustrade versammeln sich spielerisch Putten, die Mantegna mit stark verkürzter Tiefe malte. Weibliche Figuren, ein Pfau und eine Topfpflanze ergänzen die reizvolle Szenerie. Girlanden aus Früchten und Blättern umrahmen den Oculus.

Mantegnas technische und stilistische Experimente mit illusionistischen Raumkonstruktionen „durchbrachen die gläserne Decke“ und inspirierten nachfolgende Künstler, insbesondere Correggio.

Deckenfresken im Palazzo Ducale

Das Rundfenster mit seinem idyllischen Wolkenhimmel, der Balustrade und geflügelten Kindern. Foto: Gemeinfrei

Correggio – Maler des göttlichen Lichts

Der als Antonio Allegri (circa 1489–1534) geborene Künstler ist besser bekannt unter dem Namen seiner Heimatstadt Correggio. Er wird für seine Fähigkeit geschätzt, Leuchtkraft und geradezu göttliches Licht in seinen Bildern darzustellen.

Correggio malte Altarbilder, virtuose illusionistische Fresken, mythologische Szenen und kleinere Andachtsbilder. Er gilt als der führende Maler der italienischen Region Emilia-Romagna und schuf seine größten Werke in der Stadt Parma.

Aus Parma sind gleich drei Deckenfresken bekannt. Das außergewöhnlichste davon war für die achteckige Kuppel der romanischen Kathedrale von Parma bestimmt. Das Fresko mit dem Titel „Himmelfahrt der Jungfrau“ stellte Correggio 1530 fertig.

Im Dom von Parma, Emilia-Romagna, Italien, befindet sich Correggios Deckenfresko „Himmelfahrt der Jungfrau“. Foto: bbsferrari/iStock

„Himmelfahrt der Jungfrau“

Vier Schutzheilige von Parma – der Heilige Bernhard degli Uberti, der Heilige Johannes der Täufer, der Heilige Josef und der Heilige Hilarius – sind in den Eckzwickeln der Kuppel in je einer Muschel zu sehen. Darüber befindet sich eine Trompe-l’œil-Brüstung, ähnlich der von Mantegna, mit den Aposteln davor.

Deckenfresken im Dom von Parma

In den Eckzwickeln der Kuppel, vor großen Muscheln, sind die vier Schutzheiligen von Parma zu sehen. Foto: DilettaMaria, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0

Über der vorgetäuschten Brüstung befindet sich eine Darstellung der zum Himmel aufsteigenden Jungfrau Maria. Correggio platzierte sie an der Westseite der Kuppel, nicht in deren Mitte. So ist sie für den Betrachter am Fuß der Treppe sichtbar, die vom Kirchenschiff zum Altar führt.

Maria, in rosarotem Gewand und blauem Mantel, befindet sich inmitten einer glorreichen, scheinbar unendlichen Spirale aus Engeln, Putten und Wolken.

Zu Marias Rechten sind die biblischen Urväter dargestellt, angeführt von Adam. Mit ihm gruppieren sich David mit dem Kopf von Goliath, Abraham, sein Sohn Isaak mit dem Opferlamm und Jakob.

Auf der linken Seite Marias ist Eva zu sehen, umgeben von weiblichen Figuren. Eva hält einen Apfel mit einem grünen Spross in der Hand, der in diesem Zusammenhang ein Symbol für die Erlösung ist.

Deckenfresken im Dom von Parma

Blick auf Correggios Deckenfresko in der Kathedrale von Parma. Foto: zusammengestellt von kms/Epoch Times; nach Wirestock/iStock, sedmak/iStock

Die Identität der zentralen Kuppelfigur, angestrahlt von himmlischem Licht, ist umstritten. Einige Historiker glauben, dass es sich um Christus handelt, der herabsteigt, um Maria zu treffen.

Andere sind überzeugt, dass es sich um einen Engel handelt, der Maria beim Aufstieg begleitet, da die Figur keine mit Christus assoziierten Symbole wie einen Bart oder Wundmale zeigt. Außerdem trägt die dargestellte Person Grün und Weiß – Farben, die nicht mit Christusdarstellungen in Verbindung stehen.

Deckenfresken im Dom von Parma

Die achteckige Kuppel mit dem Fresko befindet sich in der sogenannten Vierung (ganz rechts), jener Raum, wo Haupt- und Querschiff der Kirche aufeinandertreffen. Foto: zusammengestellt von kms/Epoch Times; nach sansa55/iStock, Luca Ponti/iStock

Tiepolo – das größte Fresko der Welt in Würzburg

Während des Barock und des Rokoko inspirierten Correggios Fresken viele Künstler innerhalb und außerhalb Italiens. Giovanni Battista Tiepolo (1696–1770), in eine bedeutende venezianische Familie geboren, war einer von ihnen.

Tiepolo gilt als der größte Freskenmaler seiner Zeit, der mit seiner technischen Begabung und seinen theatralischen Kompositionen die Grenzen dieser Kunstgattung sprengte.

Seine komplexen Erzählungen zeichnen sich durch prachtvolle Gewänder und üppige Fantasie aus. Der Italiener war auch ein innovativer Zeichner, dessen Drucke weitverbreitet waren. Viele seiner Gemälde waren Vorarbeiten für seine Fresken oder Kopien der fertigen Fresken.

Das Gemälde „Apollo und die vier Kontinente“ von Giovanni Battista Tiepolo als Vorlage für das monumentale Deckenfresko in Würzburg. Foto: Gemeinfrei

Um Tiepolos größte künstlerische Leistung zu sehen, muss man nach Bayern reisen, genauer gesagt ins fränkische Würzburg. Ein architektonisches Meisterwerk der nordbayerischen Stadt ist seine Residenz, ehemaliger Sitz der regierenden Fürstbischöfe.

Über der grandiosen dreiläufigen Treppe befindet sich Tiepolos „Apollo und die vier Kontinente“, das zwischen 1750 und 1753 entstand und mit 19 mal 32 Metern das größte zusammenhängende Deckenfresko der Welt ist.

Die Würzburger Residenz ist der ehemalige Sitz der Fürstbischöfe und beherbergt das größte zusammenhängende Deckenfresko der Welt. Foto: Eagle2308/iStock

„Apollo und die vier Kontinente“

Das Fresko verbindet Mythos und zeitgenössische Politik miteinander. Ebenso sorgfältig wie Correggio in der Platzierung, plante Tiepolo mehrere Blickwinkel, die den Weg des Besuchers beim Treppenaufstieg berücksichtigen.

Zentrales Element ist ein weitläufiger, dramatischer Himmel mit den griechischen Göttern im Olymp in der Hauptrolle.

Deckenfresken in der Würzburger Residenz

Treppenhaus der Würzburger Residenz mit dem Deckenfresko von Giovanni Battista Tiepolo. Foto: Edelseider, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0

Apollon, der Gott der Sonne und der Künste, bereitet sich auf seine tägliche Wagenfahrt vor, die das Licht in die Welt bringt. In seiner Komposition vergleicht Tiepolo damit Apollon mit dem Fürstbischof.

Die Horen, Symbol der Zeiteinteilung und als weibliche Figuren mit Schmetterlingsflügeln versinnbildlicht, führen die gezügelten Pferde zu Apollon, während geflügelte Putten das goldene Transportmittel durch die Wolken schieben.

Die anderen dargestellten Götter sind Zeus, der Kriegsgott Ares, Hermes der Götterbote und die Liebesgöttin Aphrodite.

Deckenfresken in der Würzburger Residenz

Das Deckenfresko ist mit 19 mal 32 Metern und rund 580 Quadratmetern das größte der Welt. Foto: Myriam Thyes, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0

Umrahmt wird dieses Herzstück von Szenen an den Gesimsen, die die vier Kontinente der bekannten Welt zur Zeit Tiepolos symbolisieren: Afrika, Amerika, Asien und Europa.

Die Figuren der ersten drei Kategorien tragen fantasievolle Gewänder und werden von exotischen Tieren begleitet.

Afrika als Zentrum des Handels wird von einer schwarzen Frau mit Turban verkörpert, auf einem Kamel sitzend inmitten eines belebten Marktplatzes. Foto: Gemeinfrei

Amerika symbolisiert die ungezähmte Neue Welt, und die Personifikation des Kontinents ist eine indianische Frau, die auf einem Alligator sitzt. Foto: Gemeinfrei

Die Personifikation Asiens, ebenfalls als Frau, sitzt auf einem Elefanten und ist von Elementen umgeben, die den Kontinent als Wiege des geschriebenen Wortes, der Wissenschaft und der Monarchie kennzeichnen. Foto: Gemeinfrei

Der europäische Teil ist als Höhepunkt der Betrachtung angelegt und zeigt den Würzburger Hof. Es gibt sogar ein Porträt des Fürstbischofs, das von Ruhm und Ehre gehalten wird, verkörpert durch zwei große Engelsgestalten.

Deckenfresken in der Würzburger Residenz

Das Porträt des Fürstbischofs Carl Philipp von Greiffenclau wird von den Personifikationen von Ruhm und Ehre gehalten. Foto: Gemeinfrei

Mantegna, Correggio und Tiepolo schufen Meisterwerke, die Betrachter und Künstlerkollegen verzauberten, beeindruckten und inspirierten.

Die drei hier vorgestellten monumental großen Deckenfresken stellen den Höhepunkt der Schaffenskraft der jeweiligen Künstler dar und sind eine Erinnerung daran, den Kopf zu heben und nach oben zu schauen.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „The Fifth Wall: Italian Ceiling Frescos“. (redaktionelle Bearbeitung kms)



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