Barocke Oper in Bayreuth: „Ifigenia in Aulide“

Im Rahmen des Opernfestivals Bayreuth Baroque kam „Ifigenia in Aulide“ von Porpora im Markgräflichen Opernhaus zur Aufführung. Porpora, ein Zeitgenosse Händels, ist ein Komponist, den es lohnt, wiederzuentdecken. Die werktreue Inszenierung von Max Emanuel Cencic verschafft höchsten Operngenuss.
Titelbild
Bayreuth Baroque Opera Festival im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth – nicht zu verwechseln mit den Wagnerfestspielen auf dem Grünen Hügel.Foto: Clemens Manser
Von 9. September 2024

Den Komponisten Nicolà Antonio Porpora entdeckt die Opernwelt erst allmählich wieder. Der gebürtige Neapolitaner war genauso produktiv wie Georg Friedrich Händel, dessen erfolgreichem Opernunternehmen er mit seiner „Opera of Nobility“ Konkurrenz machte, als er 1733 nach London kam. Er schrieb mehr als 50 Bühnenwerke, von denen sich nicht eines im Repertoire bis heute halten konnte.

An Händels Genialität reicht Porpora vielleicht nicht heran, aber seine überwiegend sehr vitale Musik, die er den Starsängern seiner Zeit, darunter viele Kastraten, direkt in die Kehle schrieb, besticht durch hohe Virtuosität.

Archaische Inszenierung

Countertenor, Regisseur und Produzent Max Emanuel Cencic, der sich nicht zum ersten Mal für Porporas Ouevre in seinem Bayreuth Baroque Opera Festival im prächtigen Markgräflichen Opernhaus engagiert, erscheint dafür der richtige Mann. Das noch recht junge Festival, das seine fünfte Ausgabe mit dem Musikdrama „Ifigenia in Aulide“ eröffnete, ist von Anfang an erfolgreich eingeschlagen.

Während andere Häuser 2020 mit Rücksicht auf restriktive Corona-Maßnahmen nur noch kurze Stücke ohne Pause und unter Einhaltung großer Abstandsregeln auf der Bühne szenisch aufführten, setzte Cencic weiland selbstbewusst Porporas Drama „Carlo, il Calvo“ durch — ein Stück mit den langen Ausmaßen einer Oper von Richard Wagner und zwei Pausen, das er aufwendig und höchst unterhaltsam szenisch umsetzte.

Auch in seiner Inszenierung der „Ifigenia“ schwimmt der Multikünstler Cencic gegen den Strom. Denn im Gegensatz zu vielen Regisseuren, die oftmals stark in Libretti und Partituren eingreifen, unternimmt er nicht den heiklen Versuch, das auf der antiken Mythologie basierende Stück in die Gegenwart zu katapultieren. 

Vielmehr wirkt seine Inszenierung des Dramas um den König Agamemnon, der von der Jagdgöttin Diana gezwungen wird, seine Tochter Iphigenie als Menschenopfer darzubringen, weil er einen ihrer Hirsche getötet hat, über weite Strecken sehr archaisch. 

Das zeigt sich vor allem an Agamemnons Gefolge, spärlich, mit wenigen Stofffetzen und Lederriemen bekleidete Krieger. Aber auch prächtige Gewänder und lange Haarpracht bei den Männern (Bühne und Kostüme: Giorigina Germanou) bescheren Schauwerte

Dazu erzeugen auf der Bühne bewegliche Paravents unterschiedliche Landschaften und Stimmungen. 

Jasmin Delfs in der Rolle der Ifigenia und Maayan Licht als Achille. Foto: Clemens Manser

Ohrenschmaus der Extraklasse

Dass dieses Stück dabei durchaus mit seiner Handlung auch von einer heutigen Gesellschaft erzählt, in der sich die meisten Menschen gegenüber Mächtigen in Gehorsam üben und nur die wenigsten unerschütterlich tapfer für Menschlichkeit eintreten, vermittelte sich gleichwohl dank Sängern, die ihre Partien sehr lebendig durchleben. 

Ein solcher Held, der als Einziger das blutige Opfer an Iphigenie nicht zulassen will, ist in dieser Geschichte Achilles, der sich in sie verliebt und gegen Widerstand von allen Seiten entschlossen ist, sie zu retten. In einer der stärksten Szenen streitet er darüber mit dem Priester Kalchas, der sich den Göttern als hörig erweist.

Maayan Licht singt diesen unerschütterlichen Helden fulminant. Der Sänger ist ein Vertreter des für Männer noch recht jungen Stimmfachs des Soprans, was sich von dem traditionellen Fach des Countertenors entscheidend abhebt: Männliche Soprane verfügen über eine Höhe wie weibliche Soprane und lassen sich kaum von weiblichen Sopranstimmen unterscheiden. 

Licht singt sich in seinen anspruchsvollsten Arien mit seiner höchst biegsamen, schlanken Stimme in die Höhen eines Koloratursoprans und beeindruckt mit kristallklaren Spitzentönen als grandioser Vokalakrobat. 

In einigen Details gibt die Inszenierung Rätsel auf, vor allem damit, dass Iphigenie und Diana, vorzüglich von Jasmin Delfs mit leuchtendem Sopran gesungen, zu einer Figur zusammenschmelzen. 

Musikalisch aber empfiehlt sich die Produktion als ein Ohrenschmaus der Extraklasse. Sämtliche Partien sind hervorragend besetzt, Cencic selbst überzeugt als zerknirschter Agamemnon, der aber nicht Mumm genug besitzt, sich gegen das Götterurteil aufzulehnen.

Im Orchestergraben musiziert das französische Ensemble Les Talens Lyrique stilsicher und mitreißend unter Christophe Rousset

Infobox:

„Ifigenia in Aulide“ von Porpora in der Inszenierung von Max Emanuel Cencic im Rahmen des Bayreuth Baroque Opera Festivals ist noch am Freitag, 13. September, sowie am Sonntag, 15. September, jeweils 18 Uhr zu sehen. Am Samstag, 14. September, um 17 Uhr wird es ein Künstlergespräch mit Max Emanuel Cencic geben und am Sonntag, 15. September, um 12 Uhr ein Brunch mit Werkeinführung zu „Ifigenia in Aulide“.

Tochter und Vater: Ifigenia (Jasmin Delfs) und Agamennone (Max Emanuel Cencic). Foto: Clemens Manser



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