Correggio und die Wiederkehr des lebendigen Glaubens
Er ist ein Zeitgenosse von Michelangelo, Leonardo da Vinci und Raffael und gilt zu Unrecht als einer der weniger bekannten italienischen Maler der Renaissance: Antonio Allegri, auch Antonio da Correggio oder kurz Correggio genannt. Namensgeber war hierbei sein Geburts- und Schaffensort im Norden Italiens.
Corregio, der von 1489 bis 1534 lebte, ist zwar vor allem für seine die Kunst des Barock prägenden Kuppelfresken in Parma bekannt, doch hat er nicht weniger eindrucksvolle Altarbilder geschaffen, von denen vier in der Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Platz in der renommierten Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden gefunden haben.
Eines davon, die „Madonna des heiligen Sebastian“, wird nun in einer gläsernen Schauwerkstatt direkt in der Galerie aufwendig restauriert. 1746 kam es als Bestandteil der 100 Meisterwerke in die Königliche Gemäldegalerie nach Dresden. Aufgrund seiner hohen Empfindlichkeit darf das Ölgemälde auf Pappelholz die Galerie nicht verlassen.
Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) hoffen, mit der Restaurierung dem Altarbild seine ursprüngliche Strahlkraft wiedergeben zu können. 2025 soll es dann ins Rampenlicht zurückkehren und seinem Schöpfer Correggio endlich die angemessene Würdigung seines Schaffens und Könnens verleihen. Die Beteiligten sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer „Wiedergeburt“ (italienisch: rinascita) dieses Meisterwerks.
Drei Heilige und der Glauben
Auf dem 2,65 Meter hohen Altargemälde erscheint Maria mit dem Jesuskind wie aus dem Himmel kommend und blickt sanft auf die drei Heiligen unter sich herab. Links schaut der heilige Sebastian, nackt bis auf das Lendentuch und mit beiden Händen an einen Baum gefesselt, verzückt zu ihr hinauf. In der Mitte kniet der heilige Bischof Geminianus – mit dem Blick dem Betrachter zugewandt – und deutet mit der rechten Hand zur Erscheinung empor. Die linke Hand lädt den Betrachter ein, der Rechten zu folgen. Zu seinen Füßen hält ihm ein Engel das Modell eines Kirchengebäudes entgegen. Rechts schläft der nacktbeinige heilige Rochus. Größere und kleinere Engel erscheinen in Interaktion mit den Heiligen. Ganz oben strahlt die Engelkopf-Glorie in goldgelbem Licht.
Correggios Intention lässt sich nicht so leicht erkennen und gibt Spielraum für vielerlei Interpretationen. Was man weiß, ist, dass das Gemälde um 1524 von Correggio für die Bruderschaft des heiligen Sebastian in Modena gemalt wurde. In der modernen Zeit stiefmütterlich behandelt, mangelt es an Erkenntnissen zum Bild. Das wollen die Dresdner Kunstsammler nun ändern:
„Restaurierungen haben immer einen wissenschaftlichen und kunsthistorischen Ertrag“, erklärt Stephan Koja, Direktor der Gemäldegalerie gegenüber Epoch Times. „Man kann einen Maler neu und besser verstehen, wenn man seine Technik versteht und die ursprüngliche Wirkung wieder sehen kann, die der Maler intendiert hat. Zu seiner Zeit hatte Correggio eine ungeheure Wirkung auf seine Zeitgenossen und auch auf die Maler nach ihm.“
Interessant und sicher nicht unbedeutend ist, dass die drei Heiligen im unteren Teil des Bildes aus verschiedenen Zeiten stammen. Sebastian und Geminianus sind einander zugewandt und beide im Licht gemalt. Mit Kopf- und Handbewegung lenken sie das Auge des Betrachters auf Maria, die das nackte Jesuskind, den Erlöser, auf dem Schoß hält. Der heilige Sebastian lebte im 3. Jahrhundert und gilt seit dem 4. Jahrhundert als Märtyrer und Heiliger, der den Tod überwand. Durch sein Bekenntnis zum Christentum wurde er zum Tode verurteilt und durch Bogenschützen getötet. Unerwartet überlebte er und bekannte sich erneut zum Christentum, woraufhin er erneut getötet wurde. Der heilige Geminianus lebte ebenfalls im 4. Jahrhundert und war Bischof in Modena, der Gegend, in der Correggio lebte und wirkte.
Der schlafende heilige Rochus rechts im Bild lebte viel später im 14. Jahrhundert, nicht lange vor Correggio und gilt als Schutzpatron gegen die Pest. Seine Haltung hinter dem Rücken Geminianus’ wirkt erschöpft, nur die Beine sind nackt und im Licht gemalt, sein Oberkörper und sein Kopf sind jedoch in Dunkelheit. Seine rechte Hand über dem eigenen Kopf bildet eine Barriere zwischen ihm und dem Engel, der schräg darüber auf einer kleinen, dunklen Wolke sitzt und ihm nicht zugewandt ist.
Der heilige Sebastian, nackt wie das Kind, das diese Reinheit und Unschuld verkörpert, steht direkt über dem Kirchenmodell, mit beiden Händen an einen Baum gefesselt. Ein Engel über seinem Kopf lenkt seinen Blick zur Madonna mit dem Kind hinauf, die Sebastian beide hingebungsvoll anschaut. Das Kind wiederum streckt seine Hand in Richtung Sebastian aus. Es könnte ein Hinweis an die Geistlichen zu Correggios Zeit sein, sich auf das Martyrium und den unerschütterlichen Glauben des heiligen Sebastian zurückzubesinnen.
Auffällig ist, dass das Bild viel lebendiger und facettenreicher wirkt, als beispielsweise Raffaels berühmte „Sixtinische Madonna“, die ebenfalls ihren Platz in Dresden gefunden hat. Koja erklärt:
„Correggio bringt den Bildraum in Bewegung, was ihn gegenüber anderen Zeitgenossen wie etwa Raffael auszeichnet.“ Raffael habe mit der Sixtinischen Madonna eine „ganz neue Räumlichkeit erzeugt“, so der Kunsthistoriker. „Maria kommt direkt aus dem Himmel und bringt uns den Erlöser. Correggio denkt das weiter, denn neben dem heiligen Sebastian kniet im Vordergrund der heilige Geminiano und streckt die Hand zu uns aus und lädt uns ein, auf die Madonna zu schauen, uns ihr zu nähern.“
„Was bei Correggio neu ist“, so Koja weiter, „ist die Drehung der Figuren. Der heilige Sebastian, der körperlich an den Baum gefesselt ist – was das Martyrium darstellt, das er erleiden wollte –, ist mit dem Körper uns zugewandt, mit dem Kopf aber der Madonna. Nichts bleibt stehen, alles ist in Bewegung und ist von seiner inneren emotionalen Bewegung erfüllt. Dadurch entsteht eine ganz neue Intensität des Andachtsbilds. Ich denke, Correggio möchte damit eine innere Erfülltheit des Glaubens darstellen.“
Bisher ein Schattendasein geführt
Neben Untersuchungen zu maltechnischen Aspekten und Schadensursachen, will man vor allem frühere Schichten von Übermalungen zu Restaurationszwecken und Vergilbungen abtragen, die das imposante Gemälde auf Pappelholzbrettern nicht nur über die Jahre verblassen, sondern auch viele kleinere Details des Bildes verschwinden ließen. Nun soll das ursprünglich kräftige Kolorit der verschiedenen Gewänder sowie die unterschiedliche Farbigkeit der Wolken und der goldenen Glorie wieder zum Vorschein kommen.
Zum Schadensbild gehört leider auch die wellenartige Oberfläche, welche sich auf die Verwendung ungeeigneter Bretter bei der Herstellung zurückführen lässt. Durch diese konvexen Bretterwölbungen kam es besonders an den Leimfugen zu Farbschichtlockerungen und -verlusten. Notwendige Festigungen, Überzüge und Retuschen ließen die Oberfläche schließlich fleckig, stark vergilbt und deformiert erscheinen.
Steffi Bodechtel, Chef-Restauratorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, erklärt gegenüber Epoch Times: „Es ist eine große Herausforderung, das Bild jetzt in die Hand zu nehmen. Es ist über Jahrhunderte immer wieder überarbeitet worden, die Schäden sind schon sehr, sehr alt und massiv und wir können auch durch die Strahlendiagnostik nicht vollständig sagen, welches Ausmaß die Schäden wirklich haben.“ Jetzt sei aber der Zeitpunkt gekommen, etwas zu tun und vor allem auch Correggios Malerei wieder hervorzuheben.
„Das Bild hat in der Kunstgeschichte bisher ein Schattendasein geführt und konnte kaum bewertet werden, weil man weder die Handschrift noch den Pinselduktus mehr erkennen konnte“, so Bodechtel weiter. „Es ist zum einen durch die Trübung der vielen Überzüge, auch Firnisse genannt, verdunkelt, aber auch durch Retuschen verändert worden – hier haben ganz viele andere im Nachhinein Hand angelegt. Es ist nicht einfach. Es ist eine der schwierigsten Restaurierungen, die wir hier in letzter Zeit in Angriff genommen haben, aber das Bild ist auch eine Erfüllung.“
Durch einen erhalten gebliebenen Kupferstich, der dem Gemälde vorausging, können die Restauratoren ahnen, was unter den Vergilbungen und Retuschen auf dem Bild noch zum Vorschein kommen könnte. Und tatsächlich birgt die originale Vorlage viele kleine Details, die inzwischen in der Dunkelheit des Bildes verschwunden sind. So kam bereits eine Muschel wieder zum Vorschein, die spirituell interpretiert unter anderem ein Symbol für Leben, Tod und Wiedergeburt ist.
Drei Jahre Zeit haben sich die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden gegeben, um dem einstigen Altarbild zu seiner „Renaissance“ zu verhelfen und es in seiner ursprünglichen Fülle und Strahlkraft wieder erscheinen zu lassen. Dann könnte es sogar der Kunst der Alten Meister helfen, zu vergangenem Ruhm und Glorie zurückzukehren.
„Man muss den Leuten bewusst machen, welche Kunstschätze die Alten Meister hinterlassen haben und welche Bedeutung sie haben, dann kommen sie auch zurück“, ist sich Koja sicher.
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