Die Kunst und Geschichte der renaissancezeitlichen Hochzeitstruhen
Wenn wir Besucher einer Hochzeitsfeier der Renaissance vor etwa 500 Jahren wären, könnten wir vielleicht zwei kunstvoll und elegant verzierte Truhen sehen, die inmitten der Musik, des Prunks und des goldenen Glanzes einer Hochzeitsprozession durch die verwinkelten Gassen eines italienischen Städtchens getragen werden.
Diese Truhen – auch „cassoni“ genannt – gehörten zu den wichtigsten und wertvollsten Besitztümern eines Ehepaares, wobei sich nur wohlhabende Familien diese leisten konnten. Mit und auf ihnen spiegeln sich zudem bestimmte Ideale der Ehe wider.
Cassoni wurden in der Regel paarweise in Auftrag gegeben und konnten die Wappen der Familien von Braut und Bräutigam enthalten. Eheschließungen in der Renaissance waren zum Teil ein Zusammenschluss verschiedener Häuser. Oft waren Ehen politisch oder wirtschaftlich arrangiert, um Bindungen zwischen bestimmten Familien aufzubauen.
„Sie wurden als Bündnis zwischen zwei Familien betrachtet, die in der Regel eine ähnliche wirtschaftliche, soziale und politische Stellung hatten“, heißt es auf der Website des Frist Art Museum in Nashville, USA.
Auf den Truhen waren jeweils beide Wappen zu sehen. Im gemeinsamen Schlafgemach stehend symbolisierten sie so die Vereinigung der Häuser. Die Truhen wurden vom Haus der Braut zum Haus ihres Mannes gebracht. Dies könnte als Symbol dafür gesehen werden, dass die Braut von der Obhut ihres Vaters in die Verantwortung als Ehefrau an der Seite ihres Mannes wechselte.
Schön und nützlich
Das Truhenpaar erfüllte im Schlafzimmer mehrere Zwecke, da sie sowohl nützliches Möbelstück als auch exquisites Kunstwerk waren. Die Truhe der Braut enthielt ihre Kleidung und Bestandteile ihrer Mitgift, die ihr zukünftiger Ehemann und ihr Vater bei der Verlobung des Paares ausgehandelt hatten. Das Schlafgemach war das Zentrum des Lebens einer Frau aus der Oberschicht, das Herz des Hauses und der Ort, an dem sie ihre wertvollen Besitztümer, wie ihre Cassoni, ausstellte.
Sie waren in der Regel mit aufwendigen Dekorationen wie Darstellungen aus der Mythologie oder den Werken italienischer Dichter wie Petrarca, Boccaccio oder Dante versehen. Jene Szenen waren entweder malerisch dargestellt oder durch Reliefschnitzereien in Holz, ergänzt durch Gesso (Kreidegrund), welcher teilweise vergoldet war.
Die zierlichen Figuren, die zwischen Früchten und Blättern über die Truhe tanzten, erzählten meist Geschichten über die Liebe und die Fruchtbarkeit oder vermittelten Weisheiten über die Ehe. Die Anspielungen auf die Antike und auf dichterische Werke ermöglichten es dem Paar, seine Weltgewandtheit aber auch seine Traditionsverbundenheit zum Ausdruck zu bringen.
„Gelehrte Themen demonstrieren die Kultiviertheit des Auftraggebers und haben manchmal auch familiäre oder bürgerliche Bedeutung. […] Um eine sinnvolle Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart herzustellen, werden die antiken Geschichten in die Renaissance übertragen und die Figuren sind mit der neuesten Mode gekleidet“, so das Frist Art Museum.
All dies machte die Hochzeitstruhen in den Augen ihrer Besitzer so reizvoll, dass sie diese prestigeträchtigen Einrichtungsgegenstände gerne im Herzen ihres Haushalts präsentierten. Die Truhen waren sogar so gestaltet, dass sie zu den anderen Möbeln passten.
Die Entstehung der Hochzeitstruhen
So wie die Toskana das Zentrum der Aktivitäten der Dichter war, deren Werke die Cassoni schmückten, so war sie auch die Hauptproduktionsstätte der Truhen. Zu den großen Künstlern, die an Hochzeitstruhen arbeiteten, gehörten Francesco di Giorgio Martini und die Florentiner Künstler Giovanni di Ser Giovanni Guidi, Sandro Botticelli, Paolo Uccello und Donatello.
Eine intakte Cassone im Metropolitan Museum of Art besitzt ein vergoldetes Gesso-Relief und zeigt eine Szene aus Ovids „Metamorphosen“. Faune und Zentauren scharen sich vor Bäumen um einen von einem Drachen gezogenen Streitwagen mit der Göttin Ceres (in der griechischen Mythologie Demeter). Die untröstliche Ceres ist auf der Suche nach ihrer entführten Tochter Proserpina (in der griechischen Mythologie Persephone).
Welches Motiv die zweite Kiste des Truhenpaares besaß, ist nicht bekannt, da diese heute verschollen ist. Vermutlich besaß das Gegenstück ein ähnliches Relief, das den Anfang der Geschichte erzählt hat: Pluto (griechische Entsprechung Hades), der Gott der Unterwelt, entführte Proserpina, als sie Blumen pflückte, in sein kaltes Reich unter der Erde, wo sie zur Königin der Toten wurde.
Betrachter der Cassone könnten den Eindruck einer verblichenen Welt voller Ruhm, Magie und Herzschmerz bekommen. Die wilde Welt des üppigen Mythos, festgehalten in einer goldfarbenen Schnitzerei – wie ein Schmetterling in Bernstein. Sie erzählt uns von der italienischen Renaissance und dem unbekannten Paar, das die Truhe in sein neues gemeinsames Leben trug.
In Shakespeares „Sommernachtstraum“ spricht Herzog Theseus von seiner Hochzeit mit Hippolyta als einem Fest „mit Pomp, Triumph und Festlichkeit“. Dies scheint ganz im Sinne der renaissancezeitlichen Hochzeiten der italienischen Oberschicht zu sein.
Siegeszug einer alten Tradition
Tatsächlich waren die Hochzeitsumzüge mit den Cassoni dieser Zeit den militärischen Paraden – den sogenannten Triumphzügen – nachempfunden. Diese Paraden reichen mindestens bis zu den Römern zurück, wie auch die Bilder auf den Cassoni von Apollonio di Giovanni mit dem Titel „Triumph des Scipio Africanus“ zeigen.
Während die eigentliche Hochzeit in einer feierlichen kirchlichen Zeremonie stattfand, weiteten sich die anschließenden Feierlichkeiten jubelnd auf andere Bereiche aus. Zu den ausgedehnten, oft tagelangen Feierlichkeiten gehörten neben Prozessionen auch Spektakel, Aufführungen, Festessen, Spiele und Gedichte.
Die Hochzeitsgedichte, auch „Epithalamium“ genannt, wurden musisch vorgetragen und handelten von den Zielen der Ehe, ihrer Funktion zur Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung und den Institutionen, welche diese aufrechterhielten.
Im Zentrum all dessen standen die großen Hochzeitstruhen, die unbewegt im Schlafgemach ihren Platz einnahmen. Sie könnten symbolisch für die Ehe selbst stehen: ein Werk sorgfältiger Handwerkskunst und harter Arbeit, stabil und beständig, verwurzelt in Familie und Tradition, unzählige Schätze in sich bergend.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „The Art and History of Renaissance Marriage Chests“. (redaktionelle Bearbeitung kms)
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