Iberische Handwerker nutzten Stahl – schon 1.000 Jahre vor den Römern

Archäologen analysierten 2.900 Jahre alte Steinritzungen und einen lange unbeachteten Meißel aus der Bronzezeit. Dabei stellten sie fest, dass die Handwerker der Iberischen Halbinsel schon lange vor den Römern Stahl hergestellt haben.
Schon vor fast 3.000 Jahren legte man auf der iberischen Halbinsel den metallurgischen Grundstein für Stahl.
Flüssiges, rot glühendes Eisen wird in Form gegossen. Schon vor fast 3.000 Jahren legte man auf der Iberischen Halbinsel den metallurgischen Grundstein für Stahl. (Symbolbild)Foto: iStock
Von 15. März 2023

Jeder Mensch begegnet dem Werkstoff Stahl in seinem täglichen Leben – sei es in der Küche als Besteck oder Kochtöpfe sowie verbaut in Brücken, Häusern und Autos. Besonders beliebt ist er wegen seiner hohen Festigkeit und seiner vielzähligen Bearbeitungsformen. Doch wer entdeckte den heute so beliebten Werkstoff? In der Geschichte gelten die erfinderischen und technisch weit entwickelten Römer als Entdecker des Stahls. Eine aktuelle Studie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg stellt diese Annahme nun infrage.

So haben Wissenschaftler um den Archäologen Dr. Ralph Araque Gonzalez erstmals 2.900 Jahre alte Stahlwerkzeuge auf der Iberischen Halbinsel entdeckt. Diese beweisen, dass die bronzezeitlichen Handwerker mehr als 1.000 Jahre vor den Römern den Werkstoff Stahl nutzten.

Stein nur durch gehärteten Stahl bearbeitbar

Die Geschichte der Iberischen Halbinsel ist während der Spätbronzezeit (um 1300 bis 800 v. Chr.) in vielen Regionen lückenhaft. Archäologen entdeckten dort bislang kaum Gräber und nur spärliche Siedlungsreste, die viel über das damalige Leben der Menschen aussagen könnten.

Umso größer ist die Bedeutung von Stelen aus Stein aus dieser Zeit, die recht häufig gefunden wurden. Sie sind aber nicht nur blanke Steine, sondern besitzen Ritzbilder von Menschen, Tieren und Gegenständen.

Eine Kriegerstele aus der Spätbronzezeit, gefunden in Solana de Cabañas (Spanien). Foto: VIATOR IMPERI (CC BY-SA 2.0)

Während es viele Studien über die Deutung der Bilder gibt, interessierten sich Forscher jedoch kaum für das Gestein selbst. So widmeten sich Araque Gonzalez und seine Kollegen der geologischen und mineralischen Zusammensetzung der Stelen. Das Wissen, um welches Gestein es sich handelt, lässt Rückschlüsse auf das benutzte Werkzeug und die Bearbeitungsweise zu.

Bei ihren Untersuchungen fanden die Forscher heraus, dass es sich bei dem Gestein nicht wie bislang angenommen um Quarzit handelt, der je nach Zustand (Metamorphosegrad) relativ hart oder weich wie Sandstein sein kann.

Stattdessen bestehen die Stelen von der Iberischen Halbinsel aus Silikat-Quarz-Sandstein. „Das ist ein extrem hartes Gestein, das mithilfe von Bronze- oder Steinwerkzeugen nicht bearbeitet werden kann, sondern nur durch gehärteten Stahl“, so Araque Gonzalez in einer Pressemitteilung.

Experiment bestätigt die Innovation

Dass den iberischen Steinmetzen die notwendigen Werkzeuge zur Verfügung standen, zeigt der Fund eines Meißels aus „Rocha do Vigio“. Mithilfe einer Analyse des Metalls entdeckten die Wissenschaftler, dass dieser aus erstaunlich kohlenstoffreichem Stahl besteht. Um wirklich sicher zu sein, dass mit diesem Werkzeug die Bearbeitung des Gesteins gelingt, führten Gonzalez und seine Kollegen Experimente durch.

Stahl aus der Bronzezeit

Geologische Analysen (A, B) zeigen, dass das Gestein der iberischen Stele extrem hart ist. Deren Bearbeitung gelingt nur mit Werkzeugen aus gehärtetem Stahl, wie sie dort gefunden wurden (C). In einem Experiment fertigten die Forscher entsprechende Repliken der Werkzeuge an (E) und ließen ähnliche Gesteine durch einen Steinmetz bearbeiten (D). Foto: Rafael Ferreiro Mählmann (A), Bastian Asmus (B), Araque Gonzalez (C-E).

Hierfür erhielten sie unter anderem die Unterstützung eines professionellen Steinmetzes und eines Schmiedes. Zunächst bauten die Archäologen einen Ofen nach bronzezeitlichem Original nach, in dem der Schmied schließlich mehrere Nachbildungen des Meißels herstellte.

Im Anschluss probierte der Steinmetz diese zusammen mit anderen Meißeln aus Stein und Bronze an dem harten Gestein aus. Das Ergebnis: Nur der aus gehärtetem Stahl gefertigte Meißel war in der Lage, die Stelen entsprechend zu bearbeiten. Allerdings musste dieser wegen der extremen Härte des Gesteins alle paar Minuten nachgeschärft werden.

„Die Menschen der späten Bronzezeit in Iberien waren in der Lage, den Stahl zu härten. Sonst wären sie nicht imstande gewesen, die Stelen zu bearbeiten“, schließt Araque Gonzalez aus dem Experiment. Laut dem Archäologen stammt die Stahlherstellung und -Härtung von eingeborenen Handwerkern, die in kleinen, organisierten Gemeinschaften in Iberien lebten.

Unerwähnt bleibt allerdings, ob anlässlich der aktuellen Entdeckung die Epochennamen der Bronze- und Eisenzeit überarbeitet beziehungsweise deren Datierungszeit angepasst werden muss. Die Studie erscheint im April 2023 im „Journal of Archaeological Science“.

(Mit Material der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)



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