Wie Shakespeares Hamlet der Wissenschaft widerspricht

Titelbild
William Shakespeares Hamlet (mittelenglischer Originaltext aus dem First Folio von 1623) mit Briefmarke und Stempel.Foto: iStock
Von 22. August 2021

William Shakespeare war ein Genie. Das ist etwas so Offensichtliches, dass man es als wissenschaftliche Tatsache festhalten könnte. Aber warum? Wie Sie vielleicht wissen, brachte Shakespeare zu seinen Lebzeiten Bände von Literatur heraus. In denen benutzte er nicht nur Vokabeln, die man in anderen Büchern noch nicht gesehen hatte, sondern auf eine einzigartige und realistische Weise brachte er die Sprache selbst dazu, ganz bestimmte Charaktere darzustellen.

Was Sie vielleicht nicht bemerkt haben, ist, dass Shakespeare tatsächlich danach strebte, den Glauben an die Religion zu stärken. Die Wissenschaft seiner Zeit griff er dabei auf höchst amüsante Weise an. Er zeigte, dass zu viel denken die Dinge oft komplizierter macht, als sie sind, und dass die Tradition eine Weisheit enthält, die einer modernisierten Denkweise überlegen ist.

Prinz Hamlet ist gerade von seinem Studium in Wittenberg gekommen, um der Beerdigung seines Vaters (König Hamlet) und der schnellen Wiederverheiratung seiner Mutter mit seinem Onkel Claudius (dem Mörder des Königs) beizuwohnen. Wittenberg könnte man zu dieser Zeit als das Oxford von heute bezeichnen. Es ist der Ursprung der protestantischen Reformation unter der Führung von Martin Luther. Später wurde Wittenberg mit seinem Kloster zu einem Ort für religiöse und weltliche Bildung.

Dass Hamlet in Wittenberg ist, impliziert, dass er Wissenschaft studiert, wie jemand, der heute zur Universität geht. In Shakespeares Hamlet beginnt die Geschichte, nachdem König Hamlet von seinem eigenen Bruder ermordet wurde, der dann den Thron von Dänemark bestieg und die Königin heiratete.

Alle dachten, dass es ein Schlangenbiss war, der den König tötete, bis eines Tages der Geist des Gestorbenen kommt und Hamlet erzählt, dass sein eigener Bruder ihn im Schlaf vergiftet hat. Er fordert Hamlet auf, seinen Tod zu rächen, was dieser bereitwillig annimmt.

Aus wissenschaftlicher Sicht müssen Geister als unwirkliche, imaginäre Kreaturen betrachtet werden. Wie kann nun ein gebildeter junger Mann an die Existenz von Gespenstern glauben? Und doch hat er tatsächlich eines gesehen und gehört, das mit ihm gesprochen hat. Wie kann die Wissenschaft das erklären? Das kann sie nicht. Es ist eine Frage des Glaubens.

Als der Geist auftaucht, begleiten ihn ein Wächter namens Marcellus und Hamlets Freund und Mitgelehrter Horatio. Bevor Horatio den Geist mit eigenen Augen gesehen hat, hat er den Wachen nicht geglaubt. Sie alle hielten die ganze Situation für sehr seltsam, vielleicht für ein unheilvolles Zeichen. Daraufhin sagt Hamlet: „Es gibt mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.“ Er will damit andeuten, dass das gelehrte Wissen zu eng ist, um übernatürliche Dinge zu begreifen.

Hamlet gibt vor, verrückt zu sein

Im Laufe des Stückes bringt Hamlet mehrere Fehler der Wissenschaft zur Sprache. Fakten, von denen wir heute wissen, dass sie falsch sind, die aber zu Shakespeares Zeit als vernünftig galten. Damit niemand von seinen Racheplänen erfährt, gibt Hamlet vor, verrückt geworden zu sein. Er spricht nicht mehr im jambischen Pentameter (das ist der Stil, den Shakespeare für die Adligen und die gebildeten Charaktere verwendet) und gibt oft unerwartete, scheinbar unsinnige Antworten.

Einmal trifft er Polonius, der der höchste Berater des Königs ist und eine Tochter hat, in die Hamlet sehr verliebt ist. Aber während des Gesprächs fragt er, als ob er verrückt wäre: „Denn wenn die Sonne Maden in einem toten Hunde ausbrütet: eine Gottheit, die Aas küßt – habt Ihr eine Tochter?“ Als Polonius dies bejaht, fährt er fort: „Laßt sie nicht in der Sonne gehn: Gaben sind ein Segen: aber da Eure Tochter empfangen könnte – seht Euch vor, Freund!“

Er meint damit, dass Polonius‘ Tochter Ophelia mit Maden schwanger werden könnte, wenn sie sich nicht von der Sonne fernhält. Nach dieser Aussage denkt Polonius, „es ist weit mit ihm gekommen, sehr weit!“, was bedeutet, dass er wirklich glaubt, Hamlet sei verrückt geworden.

Was Hamlet sagte, ist ohne den historischen Hintergrund vielleicht schwer zu verstehen. Damals dachten Wissenschaftler, dass die Sonne Maden züchten könnte, da man sie auf den Körpern toter Tiere gefunden hatte, die in der Sonne gelegen hatten. Heute wissen wir natürlich, dass die Fliegen dort selbst Eier legen und dass das Sonnenlicht eine solche Wirkung nicht hat.

Das zeigt, wie sehr absurde wissenschaftliche Ideen, wenn keine bessere Erklärung gefunden wird, in der Bevölkerung verbreitet und allgemein geglaubt werden. Das ist die Macht, die die Wissenschaft hat. Und sie wurde in der Geschichte umso stärker, je mehr Menschen an sie glaubten und je mehr sie sich von der Religion abwandten und sich dieser ganz anderen Art des Weltverständnisses zuwandten.

In einer anderen Szene fragt der König Hamlet, wie es ihm geht, worauf dieser antwortet: „Vortrefflich, mein‘ Treu‘: von dem Chamäleons-Gericht. Ich esse Luft, ich werde mit Versprechungen gestopft: man kann Kapaunen nicht besser mästen.“

Hier bezieht sich Hamlet auf die landläufige Meinung, Chamäleons würden nur Luft fressen, um zu überleben. Natürlich wissen wir, dass das nicht so ist. Das Gefühl, das Hamlet mit diesem Satz vermittelt, erinnert jedoch an die Art und Weise, wie verrückte Menschen sehr leichtfertig oder unbekümmert handeln können, obwohl sie großes Unglück haben oder wie Hamlet es ausdrückt, arme Hühner (Kapaunen) sind, die nur mit Luft gefüttert werden.

Neben der Darstellung von Hamlets geistreichem Wahnsinn regt Shakespeare zum Nachdenken über das oberflächliche Wissen und das unvollständige Bild an, das die Wissenschaft den Menschen seit Jahrhunderten vermittelt.

Der Tod ist Schicksal eines jeden

Im Laufe des Stückes beweist Hamlet ein tiefes Verständnis für irdische Prinzipien und eine weise Einstellung zum Leben. Er findet, dass der Humanismus keine makellose Philosophie ist, wenn er sich als Mensch selbst so klein und unbedeutend wie „Staub“ fühlt. Manchmal macht er scheinbar willkürliche (philosophische) Ausrufe, die nach einigem Nachdenken doch einen Sinn ergeben.

Nachdem Hamlet Polonius getötet hat und vom König befragt wird, wo der alte Premierminister jetzt sei, sagt Hamlet, er sei beim Abendessen und werde von den Würmern aufgefressen.

„Nicht wo er speist, sondern wo er gespeist wird. Eine gewisse Reichsversammlung von politischen Würmern hat sich eben an ihn gemacht. So ‚n Wurm ist Euch der einzige Kaiser, was die Tafel betrifft. Wir mästen alle andere Kreaturen, um uns zu mästen; und uns selbst mästen wir für Maden. Der fette König und der magre Bettler sind nur verschiedne Gerichte; zwei Schüsseln, aber für eine Tafel: das ist das Ende vom Liede.“

Dass der Tod das Schicksal eines jeden ist, egal wie großartig, wird Hamlet immer bewusster. Ob Alexander der Große oder Julius Cäsar, auch sie wurden irgendwann zu Staub und Erde.

„Ich trotze allen Vorbedeutungen“

Gegen Ende des Stückes wird Hamlet zu einem Duell herausgefordert. Er fühlt sich ein wenig unwohl dabei, beschließt aber, es anzunehmen. Sein treuer Freund Horatio sagt, er solle seinem Instinkt folgen und ablehnen, aber Hamlet sagt:

„Nicht im geringsten. Ich trotze allen Vorbedeutungen: es waltet eine besondere Vorsehung über den Fall eines Sperlings. Geschieht es jetzt, so geschieht es nicht in Zukunft; geschieht es nicht in Zukunft, so geschieht es jetzt; geschieht es jetzt nicht, so geschieht es doch einmal in Zukunft. In Bereitschaft sein ist alles. Da kein Mensch weiß, was er verläßt, was kommt darauf an, frühzeitig zu verlassen? Mag‘s sein!“

Damals benutzten die Menschen Sperlinge (sie beobachteten das Verhalten und den Tod von Vögeln), um den Ausgang bestimmter Ereignisse vorherzusagen. Hamlet denkt, dass sein Weg vom Göttlichen arrangiert ist und dass der geplante Ausgang unausweichlich ist.

Wenn man sich auf Hamlets Denkweise einlässt, kann das Leben viel einfacher werden. Das moderne Denken lässt uns oft glauben, dass wir die Macht haben, unseren Lebensweg zu wählen, oder dass das Kämpfen um persönliche Vorteile tatsächlich bedeutende Veränderungen bewirken kann. Aber wenn das Leben vorbestimmt ist, wie können diese Dinge einen großen Effekt haben?

Wenn man eine Schlacht gewinnen soll, wird die andere Person nicht in der Lage sein, einen zu töten. Dagegen, wenn die Zeit zum Sterben kommt, kann man ihr nicht entkommen. Obwohl diese Ansicht Hamlets oberflächlich betrachtet pessimistisch erscheinen mag, ist sie eine einfache und weise Denkweise. Sie kann einen davor bewahren, zu viel über Dinge nachzudenken, die man ohnehin nicht ändern kann.

„Etwas ist faul im Staate Dänemark“

Mit dem Stück Hamlet scheint Shakespeare eine Aussage gemacht zu haben, nämlich: Weisheit, Tradition und der Glaube an das Göttliche sind die größten Schätze der Menschheit. Prinz Hamlets größter Kampf ist es, herauszufinden, was das Beste und Edelste ist, was er tun kann. Er weiß, dass sein Königreich Dänemark sehr korrupt geworden ist, und spürt, dass die Probleme ganz grundlegend sind. Ein Soldat gibt dem Leser zu Beginn des Stückes einen Hinweis: „Etwas ist faul im Staate Dänemarks.“

In seinem eigenen Königreich sieht Hamlet die dunkle Seite der Menschheit. Es ist die Seite, die den Gefühlen folgt, die aus allen möglichen Begierden heraus schlechte Taten vollbringt; eine Seite, die nicht den Prinzipien des Himmels folgt und die Grenzen der Selbstdisziplin überschritten hat.

Gleichzeitig will er sich dem Strom widersetzen, der die meisten Menschen um ihn herum (egal wie scheinbar tugendhaft) in ihren Bann gezogen hat. Geschichten und Legenden von Helden sind nicht nur etwas zum Bewundern. Die dargestellten Prinzipien und Tugenden sind Leitfäden für uns selbst, um herauszufinden, wie wir es in unserem täglichen Leben besser machen und die Helden unserer eigenen Geschichte sein können.



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