Wie viel Bewegung braucht der Mensch am Tag?

Der Mensch verbringt immer mehr Zeit im Sitzen und treibt weniger Sport – etwas, das für die körperliche Gesundheit enorm schädlich ist. Für US-amerikanische Forscher ist es an der Zeit, alle Hebel in Bewegung zu setzen: am besten alle halbe Stunde für fünf Minuten.
Langes Sitzen schadet der Gesundheit – doch was ist das richtige Maß an Bewegung?
Langes Sitzen schadet der Gesundheit – doch was ist das richtige Maß an Bewegung?Foto: iStock
Von 20. Januar 2024

Wir tun es bei der Arbeit, in der Schule, in unserer Freizeit oder beim Autofahren: sitzen. Dabei ist der menschliche Körper mit seinem Aufbau, den Sehnen und Muskeln von Natur aus auf Bewegung ausgelegt.

Hinzu kommt, dass das sitzende Verhalten in den letzten Jahren immer weiter zunimmt. Laut dem DKV-Report der Deutschen Krankenversicherung AG saß der Deutsche im Jahr 2023 durchschnittlich 554 Minuten – umgerechnet über neun Stunden – pro Werktag. Rekordhalter waren jedoch nicht die älteren Generationen, sondern die 18- bis 29-Jährigen. Sie klebten im Schnitt 621 Minuten – also über 10 Stunden – auf Sessel, Sofa oder Stuhl.

Dabei gibt es immer wieder wissenschaftliche Hinweise darauf, dass langes Sitzen der Gesundheit schadet – selbst wenn man regelmäßig Sport treibt. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse raten Ärzte allen Erwachsenen, weniger zu sitzen und sich mehr zu bewegen. Doch was ist das geringste Maß an erforderlicher Aktivität, um die gesundheitlichen Auswirkungen eines Arbeitstages im Sitzen auszugleichen?

Mit ihrer Studie geben die Sportphysiologen um Keith Diaz von der Columbia University (USA) nun eine Antwort. Schon fünf Minuten Bewegung alle halbe Stunde kann einige der schädlichsten Auswirkungen ausgleichen.

Vergleich mehrerer „Häppchen“

Nachdem einige frühere Arbeiten oft nur eine oder zwei Bewegungsoptionen getestet hatten, untersuchten Diaz und seine Kollegen gleich fünf verschiedene „Bewegungshäppchen“:

  • eine Minute Gehen nach 30 Minuten sitzen,
  • eine Minute Bewegung nach 60 Minuten sitzen,
  • alle 30 Minuten für fünf Minuten gehen,
  • alle 60 Minuten für fünf Minuten gehen,
  • und gar keine Bewegung.

„Hätten wir nicht mehrere Optionen miteinander verglichen und die Häufigkeit und Dauer der Bewegung variiert, hätten wir den Studienteilnehmern nur Vermutungen mitteilen können“, erklärt Keith Diaz.

An der Studie nahmen lediglich elf gesunde Erwachsene im Alter von 40 bis 69 Jahren teil, die unter Beobachtung acht Stunden lang saßen und sich nur für die vorgeschriebene Zeit bewegten. Die Bewegungen konnten in Form von Rennen auf dem Laufband oder als Gang zur Toilette passieren.

Gleichzeitig überwachten die Forscher jeden Teilnehmer, damit sie sich nicht überanstrengten oder unterforderten, und maßen regelmäßig den Blutdruck und den Blutzucker der Teilnehmer. Im Sitzen durften die Teilnehmer am Laptop arbeiten, lesen oder ihr Handy benutzen. Dazu erhielten sie standardisierte Mahlzeiten.

Jede Bewegung verbessert den Blutdruck …

Schließlich fanden die Forscher heraus, dass der Rhythmus mit fünf Minuten Bewegung alle 30 Minuten die besten Ergebnisse erzielte. Dies war die einzige Option, die sowohl den Blutzucker als auch den Blutdruck deutlich senkte. Darüber hinaus verringerte es – verglichen mit dem ganztägigen Sitzen – die Blutzuckerspitzen um 58 Prozent.

Eine Gehpause von einer Minute alle 30 Minuten brachte ebenfalls geringfügige Vorteile für den Blutzuckerspiegel während des Tages. Bewegungspausen alle 60 Minuten brachten indes keine Vorteile, egal ob die Teilnehmer sich eine oder fünf Minuten bewegten.

Bei allen Bewegungshäppchen sank der Blutdruck im Vergleich zum ganztägigen Sitzen um vier bis fünf Millimeter Quecksilber (mmHg). Normale Blutdruckwerte liegen bei etwa 120 zu 80 mmHg, sodass dies einer Senkung um etwa 2,5 bis 4 Prozent entspricht. „Das ist eine beträchtliche Senkung. Sie ist vergleichbar mit dem, was man bei sechs Monaten täglich Sport treiben erwarten würde“, so Diaz.

… und hebt die Stimmung

Außerdem schauten die Forscher, welchen Effekt die einzelnen Bewegungsoptionen auf die Stimmung der Teilnehmer hatten. Tatsächlich waren fast alle Bewegungen – mit Ausnahme des stündlichen Gehens von einer Minute – mit einer deutlichen Verringerung der Müdigkeit verbunden. Dies führte wiederum zu einer deutlichen Verbesserung der Stimmung. Auf die kognitiven Fähigkeiten hatte dagegen keine der Bewegungszeiten einen Einfluss.

„Die Auswirkungen auf Stimmung und Müdigkeit sind wichtig“, sagt Diaz. „Menschen neigen dazu, Verhaltensweisen zu wiederholen, die ihnen ein gutes Gefühl geben und die ihnen Spaß machen.“

Derzeit testen die Forscher 25 verschiedene Bewegungszeiten und ihre Auswirkung auf die Gesundheit. Zudem werden die Untersuchungen mit einer größeren Anzahl an Probanden durchgeführt.

„Für eine optimale Gesundheit sollten sich Menschen regelmäßig bei der Arbeit bewegen – zusätzlich zu einem täglichen Sportprogramm“, sagt Diaz. „Das mag zwar unpraktisch klingen, aber unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst kleine, über den Arbeitstag verteilte Spaziergänge das Risiko für Herzkrankheiten und andere chronische Krankheiten deutlich senken können.“

Die Studie erschien im Mai 2023 im Fachmagazin „Medicine & Science in Sports & Exercise“.



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