Von Nachteulen und frühen Vögeln: Welche Rolle Licht auf unsere innere Uhr spielt

Es gibt Menschen, die gelten als nachtaktiv. Andere müssen niesen, wenn die Sonne sie blendet. Bei beidem spielen unser Gehirn, die Augen und Lichtreize eine tragende Rolle. Was bedeutet das für die innere Uhr, die auch in völliger Dunkelheit weiterzuticken scheint?
Unsere innere Uhr wird von blauem Licht beeinflusst – einen noch größeren Einfluss hat die Helligkeit.
Unsere innere Uhr wird von blauem Licht beeinflusst. Einen noch größeren Einfluss hat die Helligkeit.Foto: Prostock-Studio/iStock
Von 30. März 2025

Das Geräusch des Weckers am Morgen, der Geruch von frischem Kaffee, das Gefühl, wenn einem auf dem Weg zur Arbeit die ersten Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen. Der Alltag vieler Menschen ist von Routineabläufen und wiederkehrenden Sinneseindrücken bestimmt. Sie geben Orientierung, strukturieren unseren Tag, zeigen an, welche Handlung und welches Gefühl als Nächstes kommen werden.

Licht spielt dabei eine entscheidende Rolle. Viele Menschen merken, dass sie im Winter schlechter in die Gänge kommen. Erst ein sonniger Tag weckt die Lebensgeister in ihnen, während am Abend zuerst die Konzentration und dann wir selbst sinken – nämlich ins Bett. Jedoch geben nicht nur Sonne und Routine den Takt im Leben an, sondern auch eine Uhr, die in unserem Inneren tickt. Und diese hat erheblichen Einfluss darauf, wie unser Alltag verläuft.

Zeitgefühl – bei jedem von Natur aus vorhanden

Insekten, deren Entwicklungsstadium von der Mondphase abhängt, Pflanzen, die in einem 24-Stunden-Rhythmus ihre Blattstellung ändern, Schimmelpilze, die selbst im Weltraum noch periodisch neue Sporen ausbilden, als wüssten sie auch jenseits der Erde ganz genau, wie spät es ist – wie in einem streng durchkomponierten Orchesterstück folgen viele Abläufe in der Biologie hochspezifischen Rhythmen.

Ein angeborener Taktgeber, die sogenannte innere Uhr, ist es, der hier wie ein Dirigent dafür sorgt, dass im Musikstück des Lebens alles nach (Zeit-)Plan läuft. Umwelteinflüsse wie das Licht kommen der inneren Uhr dabei zu Hilfe. So liefert es Hinweise, ob das Tempo des Dirigats verlangsamt oder beschleunigt werden sollte. Um ununterbrochen zu ticken, ist die innere Uhr jedoch nicht zwingend auf Co-Dirigenten angewiesen. Selbst im Weltall zwingt sie uns und anderen Lebensformen bestimmte Rhythmen auf.

Dass nicht nur Tiere und Pflanzen, sondern auch Menschen einen inneren Taktgeber haben, galt in der Wissenschaft spätestens im 20. Jahrhundert als gesichert. Über welche Eigenschaften genau die innere Uhr verfügt und über welche Signalwege sie physische Prozesse steuert, gibt der Forschung jedoch bis heute einige Rätsel auf. In den 1970er-Jahren wollten Forscher des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen mehr über sie herausfinden.

Zu diesem Zweck führten sie Experimente durch, die bis heute berühmt-berüchtigt sind. Freiwillige verbrachten mehrere Wochen unter Ausschluss von Tageslicht in einem unterirdischen Bunker. Eine Beobachtung von Körpertemperatur und Verhalten ergab: Auch ohne Tageslicht stellte sich bei den Probanden der sogenannte zirkadiane Rhythmus ein. Dank ihrer inneren Uhr besaßen die Testpersonen sowohl Schlaf- als auch Wachphasen, die annähernd einen 24-Stunden-Tag abbildeten.

Mit dem zirkadianen Rhythmus sollen wiederkehrende körperliche Tätigkeiten wie Schlaf und Nahrungsaufnahme relativ konstant bleiben. Foto: ger/Epoch Times; nach Pikovit44/iStock

Taktgeber entscheidet zwischen Nachteule und frühem Vogel

Der Chronobiologie Manuel Spitschan vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen untersucht dieses Phänomen genauer. „In Experimenten, bei denen wir die innere Uhr vom Außenreiz des natürlichen Lichts entkoppeln, zeigt sich, dass die Uhr trotzdem weiterläuft“, erklärte Spitschan.

Während eines normalen und ununterbrochenen Tages sammelt sich Adenosin im Gehirn an. Dieses Molekül ist ein Abbauprodukt von Adenosintriphosphat, dem Energieträger für Körperzellen, und führt am Ende eines Tages zu zunehmender Schläfrigkeit. Je länger man wach bleibt, desto stärker wird also der sogenannte Schlafdruck.

Im Körper laufen somit zwei Prozesse ab: Der eine steuert den Schlafdruck, der andere die innere Uhr. Unter natür­lichen Bedingungen stehen beide miteinander in einer Wechselbeziehung.

„Der Rhythmus der inneren Uhr, den wir dann üblicherweise messen, liegt nicht bei genau 24 Stunden, sondern vielleicht bei 23,5, 24,2 oder 24,5 Stunden“, sagte Spitschan. Der innere Tag mancher Menschen ist also etwas zu kurz. Andere wiederum neigen dazu, jeden Tag etwas später ins Bett zu gehen. Im Schnitt nähere sich der menschliche Biorhythmus dabei aber der natürlichen Tageslänge von 24 Stunden an.

Gartenarbeit kann bei Schlafstörungen helfen

Schlaf hat Auswirkungen auf die Lebensqualität, die Leistungsfähigkeit und das seelische Wohlbefinden. Foto: stefanamer/iStock

Steuert die innere Uhr alles?

Die Experimente am MPI zeigten auch, dass die innere Uhr unzählige Prozesse im Körper steuert und dabei nicht nur einen Einfluss darauf hat, wie wach oder müde wir uns fühlen. So lässt sie im Laufe des Tages etwa periodisch unsere Körpertemperatur schwanken, reguliert, wann und wie viele Stresshormone ausgeschüttet werden, und lässt unseren Stoffwechsel zu bestimmten Zeiten hoch- oder herunterfahren.

Wir können in unseren Experimenten viele verschiedene zirkadiane Rhythmen beobachten – zum Beispiel mit Blick auf die Sehleistung oder unsere Aufmerksamkeit“, erklärte Spitschan. Weiter sagte er:

„So können wir uns in Abhängigkeit von der inneren Uhr zu unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedlich gut konzen­trieren. Auch die Immunantwort scheint zirkadian unterschiedlich zu sein, genauso wie die Muskelleistung. Insgesamt sieht es so aus, als seien fast alle physiologischen Funktionen des Menschen abhängig von zirkadianen Rhythmen.“

Die innere Uhr ist anpassungsfähig

Während die Funktionsweise der inneren Uhr nicht gänzlich bekannt ist, wissen Forscher zumindest, wo sie „aufgestellt“ ist. So sitzt die innere Uhr nachweislich im Nucleus suprachiasmaticus, kurz SCN, einem kleinen Nervenbündel im Gehirn. Genau dort kreuzen sich zudem die beiden Sehnerven, was erklärt, warum unsere Uhr untrennbar mit unserem Auge verbunden ist. Der SCN ist dabei nicht der einzige, aber einer der zentralen Taktgeber unseres Körpers.

So sendet das reiskorngroße Nervenbündel unter anderem Signale an die Zirbeldrüse, eine ebenfalls winzige Hirnregion, die das Hormon Melatonin produziert. Schüttet diese das Hormon aus, dann erhält der Körper das Signal, dass es Zeit ist, zu schlafen. Dieses Muster wiederhole sich ungefähr im 24-Stunden-Rhythmus.

Mit anderen Worten: Auch ohne Lichtsignale aus der Umwelt weist die innere Uhr die Zirbeldrüse periodisch dazu an, Melatonin zu produzieren, egal ob jemand ein früher Vogel oder eine Nachteule ist. Ganz unbeeinflussbar ist die innere Uhr jedoch nicht, denn einige Umwelteinflüsse können die Uhrzeiger ein Stück vor- oder zurückschieben.

Das Licht als äußerer Reiz vermag zwar die Periode von etwa 24 Stunden nicht zu verändern, wirkt aber immerhin kalibrierend auf die innere Uhr ein. So können wir nach einer mehr oder weniger kurzen Anpassungsphase den Jetlag einer Flugreise ausgleichen. Unser Körper gewöhnt sich an die Zeitverschiebung, weil Sonnenlicht und Uhrzeit am Zielort wiederum im Einklang sind.

Blaues Licht macht länger wach

Welche Ergebnisse seiner Grundlagenforschung fand Manuel Spitschan bislang besonders erhellend? Die Entdeckung sogenannter melanopsin­haltigen Ganglienzellen in der Netzhaut unseres Auges. So verarbeiten diese Zellen Lichtreize, senden offenbar ein Signal an das Gehirn und stellen die innere Uhr damit ein Stück zurück. Das Gehirn erhält dann die Information, dass es noch Tag sein muss, und schüttet vorerst kein Melatonin aus – und der Schlaf lässt auf sich warten.

Doch nur bestimmte Lichtreize scheinen für die innere Uhr relevant zu sein, nämlich diejenigen, die auf eben jene Zellen wirken. Versuche zeigen, dass diese besonders empfindlich auf blaues Licht mit einer Wellenlänge von 490 Nanometern reagieren.

Das Spektrum von Licht. Zum Vergrößern klicken. Foto: Horst Frank/Jailbird, Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Künstliches Licht von Bildschirmen hat also eine sichtbare Wirkung auf das Gehirn. Wichtiger als die Wellenlänge und damit die Farbe des Lichts sei indes die Helligkeit der Lichtquelle. Wer den Bildschirm dimmt, reduziert den Einfluss auf die innere Uhr sogar deutlicher als mit einem Blaufilter.

Die Forschung dazu, wie genau Licht auf den menschlichen Körper und das Gehirn wirkt, steckt teilweise noch in den Kinderschuhen. Dennoch sind sich Chronobiologen weltweit einig: Unser Umgang mit Licht beeinflusst die menschliche Gesundheit und die Lebensqualität auf entscheidende Weise.

(Mit Material der Max-Planck-Gesellschaft)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion