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Indopazifische Strategie

Indopazifik: Schauplatz der Strategien

Wie die EU ihre China- und Asia-Politik neu sortiert und versucht, dabei nicht auf Pekings Füße zu treten.

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Flaggen der Europäischen Union wehen im Wind vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel.

Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa/dpa

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Lesedauer: 8 Min.

Ganze fünf Monate hat es gedauert, bis der Europäische Rat die Schlussfolgerungen zu einer EU-Strategie für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum am 17. September angenommen hat. 
Das Dokument bestimmt Brüssels Strategie in der Region. „Der indopazifische Raum gewinnt von der Ostküste Afrikas bis hin zu den pazifischen Inselstaaten in wirtschaftlicher, demografischer und politischer Hinsicht immer mehr an Bedeutung“, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer „Rede zur Lage der Union“ am 15. September. 
Sie versprach einen europäischen Gegenschlag zu Chinas „Belt and Road“-Projekt namens „Global Gateway“ und ein Gesetz zum Verbot der Einfuhr von Waren, die unter Zwangsarbeit hergestellt wurden.

„Global Gateway“ vs. „Belt and Road“

Harmlos ausgedrückt ist die „Belt and Road“-Initiative – auch „Neue Seidenstraße“ genannt – ein massives, geopolitisch einflussreiches Netz von Infrastruktur- und Verkehrsinvestitionen, das Peking dazu nutzt, seine Exporteure mit den westlichen Märkten zu verbinden. Durch diese Investitionen geraten die Zielländer jedoch teilweise in eine Schuldenkrise.
Ein Beispiel ist Montenegro. 2014 nahm der EU-Beitrittskandidat 774 Millionen Euro bei einer chinesischen Bank auf, um damit das chinesische Bauunternehmen CRBC zu bezahlen. 
Die damalige montenegrinische Regierung träumte davon, eine neue, moderne Autobahn zu haben, die von der Ostküste des Adriatischen Meeres bis nach Norden zur serbischen Grenze führt. Sechs Jahre lang bohrten chinesische Arbeiter Tunnel durchs Gestein und errichteten Betonpfeiler in Tälern. Gerade einmal 41 Kilometer Autobahn wurden gebaut, doch der Kredit war bereits aufgebraucht. 
Wenn Montenegro seine Schulden nicht zurückzahlt, könnte ein Schiedsspruch in Peking das Land zwingen, die Kontrolle über wichtige Infrastrukturen abzugeben. Die Volksrepublik könnte die finanzielle Abhängigkeit sogar als Druckmittel einsetzen, um ihren politischen Einfluss auszuweiten.
Das „Global Gateway“-Projekt, das von der Leyen vorgestellt hat, soll nun das Gegenstück zu der „Neuen Seidenstraße“ werden. Es soll zu einer vertrauenswürdigen Marke auf der ganzen Welt werden und die Länder dazu bewegen, Investitionen in eine hochwertige Infrastruktur zu tätigen, „die Waren, Menschen und Dienstleistungen miteinander verbinden“.

Europa muss 50 Jahre Investitionslücke aufholen

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte diplomatisch, dass die indopazifische Strategie nicht als Konfrontation mit China verstanden werden sollte. Es gehe um Kooperation mit gleichgesinnten Staaten, sagte er.
Nichtsdestotrotz machte Kommissionschefin von der Leyen in ihrer Rede deutlich, gegen wen sich das europäische Projekt richtet: „Für Europa ergibt es keinen Sinn, eine perfekte Straße zwischen einer Kupfermine in chinesischem Besitz und einem Hafen in chinesischem Besitz zu bauen. Wir müssen schlauer werden, wenn es um diese Art von Investitionen geht.“
Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas forderte jüngst, dass Europa, die USA und ihre Verbündeten ein besseres, einheitliches Projekt zur Infrastrukturinvestition brauchen, das mit Chinas „Belt and Road“ konkurrieren kann.
„Wir haben viele Initiativen, die sich mit demselben Problem befassen“, sagte sie. „Wir müssen sie alle miteinander verbinden (…) Das ist es, was meiner Meinung nach fehlt.“
Peking hätte dabei einen gewaltigen Vorsprung. Die KP Chinas hat Jahre damit verbracht, die Initiative in Asien, Afrika und auch Europa zu promoten. Europa hätte allerdings wegen der Sowjet-Zeit eine 50-jährige Lücke in Investitionen, so Kallas. 
Die Investitionen sollten weiterhin vor allem von Europa getätigt werden, weil bei einer „Investitionslücke andere Länder diese Infrastruktur aufkaufen“. Das geschehe bereits in Afrika, sagte sie und indiziert damit, dass China die digitale Entwicklung in Afrika unterstützt.
Jedoch nicht umsonst, denn Peking gewinnt dadurch die Kontrolle über die digitale Infrastruktur in Afrika. Kallas schlägt dringend vor: Europa und „gleichgesinnte“ Regionen sollten ähnliche Finanzierungsmöglichkeiten anbieten, „damit die Kontrolle nicht verloren geht“.
„Das Gravitationszentrum der Welt verlagert sich sowohl in geoökonomischer als auch geopolitischer Hinsicht immer mehr auf den indopazifischen Raum“, sagte indes Borrell. Die Strategie der EU ziele darauf ab, einen freien und offenen indopazifischen Raum für alle zu erhalten. 
Die Strategie der EU enthält jedoch auch einen riskanten Punkt, und zwar „zum Schutz der Kommunikationswege und der Freiheit der Schifffahrt“ verstärkt europäische Kriegsschiffe in die Region zu schicken und Partner in der Region militärisch zu unterstützen.
Neben dem Gegenstück zur Seidenstraße dürfte dies die Regierung in Peking ebenso provozieren, da sie rund 80 Prozent dieser Meereszone beansprucht – was die anderen Anrainerstaaten jedoch nicht anerkennen und der Ständige Schiedshof in Den Haag 2016 für rechtswidrig erklärt hat.

USA-Bündnis gleichzeitig mit der EU

Die USA, Großbritannien und Australien haben indes ein neues Sicherheitsbündnis (AUKUS) für den Indopazifik bekannt gegeben – am selben Tag wie die EU ihre Strategie für die Region. 
Das Bündnis sieht unter anderem vor, dass Australien von US-Technologie beim Bau atombetriebener U-Boote und von Know-how bei der Cyberabwehr profitiert. Auch wollen die USA ihre militärische Präsenz in Australien ausweiten.
Den neuen Indopazifik-Pakt der drei westlichen Staaten bezeichnete China als „extrem unverantwortlich“. Dadurch würden der regionale Frieden und die Stabilität untergraben, hieß es aus Peking.
Australiens Premierminister Scott Morrison sagte dazu, China habe jedes Recht, Entscheidungen im nationalen Interesse für seine Verteidigung zu treffen – „und das gilt natürlich auch für Australien und alle anderen Länder“.
Über das Bündnis wurde die EU-Kommission jedoch im Dunkeln gelassen. „Wir bedauern, nicht informiert worden zu sein“, kommentierte Borrell. Er gehe davon aus, dass ein solches Abkommen nicht einfach über Nacht zustande gekommen sei.

Keine Zwangsarbeit

Das zweite große Thema in von der Leyens „Rede zur Lage der Union“ war die Zwangsarbeit. Es sei an der Zeit, dass die EU ein Verbot für die Einfuhr von Waren verhängt, die von Gefangenen hergestellt wurden, sagte sie. „Denn Menschenrechte sind nicht käuflich, egal zu welchem Preis“.
Dies ist für China von großer Bedeutung, da es wahrscheinlich auf Waren aus der westlichen Region Xinjiang abzielen würde, wo die uigurische Minderheit verfolgt wird. Die Kommissionschefin ließ es jedoch unbeantwortet, wie die Kommission feststellen sollte, ob Waren durch Zwangsarbeit hergestellt werden oder nicht, da Xinjiang für westliche Diplomaten und internationale Menschenrechtsgruppen weitgehend tabu ist.
25 Millionen Menschen würden durch Drohungen oder Gewalt zur Zwangsarbeit in China genötigt, betonte sie. Die EU könne nicht hinnehmen, „dass diese Produkte dann in Geschäften hier in Europa landen“. Auch das Europaparlament hatte bereits ein solches Importverbot gefordert.
Brüssel will dazu bis Ende Oktober ein europäisches Lieferkettengesetz vorlegen. 
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung.

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