„Klimawandel“ im Universum: Temperaturen mehr als das Zehnfache gestiegen
Die Temperatur des Universum hat sich in den letzten 10 Milliarden Jahren mehr als verzehnfacht. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Ohio State Universität sowie der Johns Hopkins Universität. Ebenfalls beteiligt war das Kavli-Institut für Physik und Mathematik des Universums in Tokio und das deutsche Max Planck-Institut für Astrophysik.
Unter Leitung von Yi-Kuan Chiang vom Zentrum für Kosmologie und Astroteilchenphysik der Ohio State University veröffentlichten die Forscher ihre Ergebnisse in der Fachzeitschirft „Astrophysical Journal“. Demnach beträgt heute die mittlere Temperatur des Gases im Universum etwa 2 Millionen Grad Celsius.
Klimawandel im Universum wird die Menschheit überdauern
„Unsere neue Messung ist eine direkte Bestätigung der bahnbrechenden Arbeit von Jim Peebles – Nobelpreisträger für Physik 2019“, sagte Chiang. Peebles war der erste, der die Theorie der Entstehung der großräumigen Struktur im Universum dargelegt hat.
„Großräumige Strukturen“ beziehen sich dabei auf kosmische Muster von Galaxien und Galaxienhaufen auf Skalen jenseits einzelner Galaxien. Sie entsteht durch den gravitativen Kollaps von dunkler Materie und Gas. Dazu erklärt Chiang: „Während sich das Universum entwickelt, zieht die Schwerkraft dunkle Materie und Gas im Raum zu Galaxien und Galaxienhaufen zusammen. Der Widerstand ist heftig. So heftig, dass sich das Gas immer mehr aufheizt.“
Stellen Sie sich all diese Gasatome vor, die in Richtung Galaxien gesaugt werden, als wären sie Myriaden von Meteoroiden, die die Erdatmosphäre durchdringen“, erklärte Prof. Brice Ménard von der Johns Hopkins Universität von Kalifornien deutlich anschaulicher.
Sie beschleunigen sich, wenn die Schwerkraft sie zur Erdoberfläche zieht. [Dabei] erhitzen sie sich aufgrund der Reibung mit der Atmosphäre, bevor sie zu etwas verbrennen, das man als Sternschnuppen bezeichnen könnte. Dieses Muster der Erwärmung kann auf ganze Galaxien, Galaxienhaufen und darüber hinaus angewandt werden.“
„Wir haben in der gesamten Geschichte des Universums Temperaturen gemessen“, fügte er hinzu. „Im Laufe der Zeit werden all diese Galaxienhaufen immer heißer und heißer, weil ihre Schwerkraft immer mehr Gas zu ihnen zieht.“
Statt ein Fieberthermometer zu nutzten, entwickelten die Forscher eine Methode, um die Temperatur von Gasen abzuschätzen. Die zeitliche Entwicklung ergibt sich dabei aus der Entfernung zur Erde. Je weiter die Gase von der Erde entfernt sind, desto weiter liegen die Messwerte in der Zeit zurück. Dadurch konnten die Forscher nicht nur bestätigen, dass sich das Universum aufgrund des Gravitationskollapses mit der Zeit erwärmt, sondern auch, dass die Erwärmung wahrscheinlich anhalten wird.
1,8 – Millionen – Grad Celsius
Um zu verstehen, wie sich die Temperatur des Universums im Laufe der Zeit verändert hat, verwendeten die Forscher Daten über Licht im gesamten Weltraum der ESA und NASA. Anhand der sogenannten Rotverschiebung konnten sie messen, wie weit entfernt beziehungsweise wie alt ein Objekt ist. Das Konzept der Rotverschiebung besagt: Je weiter etwas im Universum entfernt ist, desto länger (röter) ist die Wellenlänge des Lichts.
Gleichzeitig enthält das Licht von Sternen, Gaswolken und Galaxien auch Information über die Temperatur von Himmelsobjekten. Beides zusammen ermöglichte es den Forschern, die mittlere Temperatur von Gasen im frühen Universum – Gase, die weiter entfernte Objekte umgeben – zu messen und mit Gasen in der Nähe der Erde – heutigen Gasen – zu vergleichen.
„Die Astronomen brauchten mehr als 15 Jahre, um die notwendigen Daten mit Hilfe eines Teleskops am Boden und eines im Weltraum zu sammeln“, sagte Prof. Ménard. „Was die Analyse betrifft, [haben wir] vier Jahre lang Algorithmen entwickelt, um das Signal aus diesen Daten zu extrahieren.“
Diese Gase erreichen um erdnähere Objekte im heutigen Universum demnach Temperaturen von etwa zwei Millionen Kelvin – etwa zwei Millionen Grad Celsius oder vier Millionen Grad Fahrenheit. Das ist etwa das Zehnfache der Temperatur der Gase um weiter entfernte und weiter in der Zeit zurückliegende Objekte.
Das Universum, so Chiang, erwärme sich aufgrund des natürlichen Prozesses der Galaxien- und Strukturbildung. Diese Erwärmung stehe in keinem Zusammenhang mit der Erwärmung auf der Erde – oder der Erwärmung auf Mars und Pluto. „Diese Phänomene geschehen auf sehr unterschiedlichen Skalen“, sagte er. „Sie sind überhaupt nicht miteinander verbunden.“
Das hieße auch: Häuser in der Wüste wären aufgrund der Lufttemperatur nicht wärmer als am Polarkreis.
(Mit Material der Ohio State University, des Kavli-Instituts, der Johns Hopkins University)
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