50-jähriges Rätsel: Massiver Halo um Magellansche Wolken erklärt mysteriösen Gasstrom zur Milchstraße

Astronomen haben einen Halo aus warmem Gas entdeckt, der die Magellanschen Wolken umgibt. Wie ein schützender Kokon schirmt er die Zwerggalaxien vor der Milchstraße ab und trägt seinerseits den größten Teil des Magellanschen Stroms von einer Milliarde Sonnenmassen bei.
Titelbild
Das Magellansystem, wie es am Nachthimmel erscheinen würde. Die Magellansche Korona bedeckt den gesamten Himmel, während der Magellansche Strom von den beiden Zwerggalaxien, der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke, wegströmt.Foto: Colin Legg / Scott Lucchini
Von 17. September 2020

Die Milchstraße ist nicht allein in ihrer Nachbarschaft. Sie hat in ihrer Umlaufbahn kleinere Galaxien eingefangen. Die beiden größten sind als Kleine und Große Magellansche Wolken bekannt und als staubige Zwillingsschlieren in der südlichen Hemisphäre sichtbar.

Als die Magellansche Wolken vor Milliarden von Jahren begannen, die Milchstraße zu umkreisen, entzog unsere Galaxie diesen einen enormen Gasstrom, der als Magellanscher Strom bekannt ist. Der Strom erstreckt sich nun über mehr als die Hälfte des Nachthimmels. Doch seit mehr als 50 Jahren konnten Astronomen nicht erklären, wie der Strom so massiv wurde.

Jetzt haben Astronomen der Universität von Wisconsin-Madison und ihre Kollegen einen Halo aus warmem Gas entdeckt, der die Magellanschen Wolken umgibt. Der Halo wirkt wahrscheinlich wie ein schützender Kokon, der die Zwerggalaxien vor dem Halo der Milchstraße abschirmt. Als die kleineren Galaxien in den Einflussbereich der Milchstraße kamen, dehnten und zerstreuten sich Teile des Halos, um den über eine Milliarde Sonnenmassen schweren Magellanschen Strom zu bilden. Dabei stammt der größte Teil der Masse aus dem Halo selbst.

Die Forscher um Professorin Elena D’Onghia und Doktorand Scott Lucchini veröffentlichten ihre Ergebnisse am 9. September in der Zeitschrift „Nature“.

Halo um Magellansche Wolken „verändert die Entstehung dramatisch“

„Die bestehenden Modelle für die Entstehung des Magellan-Stromes sind veraltet, weil sie seine Masse nicht erklären können“, sagte Lucchini, Erstautor der Arbeit. „Die dringendste zu lösende Frage“, fügte Prof. D’Onghia hinzu, ist „eine neue Lösung, die die Masse des Stroms erklären kann.“

Ältere Modelle legten nahe, dass gravitative Gezeiten und die Kraft der gegeneinander drängenden Galaxien den Magellanschen Strom aus den Magellanschen Wolken bildeten, als die Zwerggalaxien in eine Umlaufbahn um die Milchstraße kamen. Während diese Modelle die Größe und Form des Stroms weitgehend erklären konnten, errechneten sie nur ein Zehntel seiner Masse.

Kürzlich entdeckten Astronomen, dass die Magellanschen Wolken so massiv sind, dass sie von einem eigenen Halo umgeben sind. D’Onghia und ihr Team erkannten, dass dieser die Entstehung des Stroms dramatisch verändern:

Demnach unterteilt sich die Entstehung des Magellanschen Stroms in zwei Perioden. Während die Magellanschen Wolken noch weit von der Milchstraße entfernt waren, zog die Große Magellansche Wolke über Milliarden von Jahren Gas von ihrem kleineren Partner ab. Dieses „gestohlene Gas“ trug schließlich 10 bis 20 Prozent zur endgültigen Masse des Stroms bei.

Später, als die Wolken in die Umlaufbahn der Milchstraße stürzten, gab der Halo ein Fünftel seiner eigenen Masse ab und bildete den Magellanschen Strom. Wechselwirkungen mit der Schwerkraft und dem Halo der Milchstraße spannten ihn schließlich zu einem riesigen Himmelsbogen.

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Der Einfall der Magellanschen Wolken auf die Milchstraße. Beobachtungen von ionisiertem Gas (links) stützen die Simulation (rechts). Der Film beginnt vor 550 Millionen Jahren und dauert bis heute an. Video: Scott Lucchini/Universität von Wisconsin-Madison

Lösung für ein 50 Jahre altes Rätsel – wahrscheinlich

Das neue Modell ist das erste, das die gesamte Masse des Magellanschen Stroms und seine Hauptbestandteile aus ionisiertem Gas erklärt. Zudem zeigt es besser, wie der Strom seine fadenförmige Gestalt annahm und warum ihm Sterne fehlen – denn er entstand größtenteils aus der sternfreien Korona und nicht aus den Zwerggalaxien selbst.

„Der Strom ist ein 50-jähriges Rätsel“, sagt Andrew Fox, Koautor der Studie und Astronom am Space Telescope Science Institute, das das Hubble-Weltraumteleskop betreibt. „Wir hatten nie eine gute Erklärung dafür, woher er kam. Was wirklich spannend ist, ist, dass wir jetzt einer Erklärung näher kommen“. Gewissheit könnte das Weltraumteleskop selbst geben. Hubble sollte in der Lage sein, die verräterischen Signaturen der Gaskorona zu sehen, die die Magellanschen Wolken umgibt.

In den 1990er Jahren fanden Astronomen die ersten Hinweise darauf, dass die Magellanschen Wolken eine ausgedehnte Korona haben könnten. Erstmals, so die Forscher, besteht nun mit einem besseren Verständnis des Einflusses der Korona auf den Magellanschen Strom und einem eindeutigen Test für dessen Existenz die Chance, das Rätsel um den Ursprung des Stroms zu lösen. Und damit den Blick auf unsere galaktische Nachbarschaft zu erhellen.

(Mit Material der University of Wisconsin-Madison)



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