Friseur bis Tischlerin: Mehr Azubis in typischen Berufen des anderen Geschlechts

Laut Statistischem Bundesamt schließen sich die Lücken zwischen den Geschlechtern bei Auszubildenden. Schau man sich die Zahlen genauer an, fällt jedoch etwas anderes auf.
In Deutschland gibt es zusehends mehr angehende Tischlerinnen. Auch in anderen Berufen gleichen sich die Geschlechterverhältnisse an.
In Deutschland gibt es zusehends mehr angehende Tischlerinnen. Auch in anderen Berufen gleichen sich die Geschlechterverhältnisse an, werden jedoch von einer anderen Entwicklung überschattet.Foto: Amorn Suriyan/iStock
Von 1. April 2025

Die Verkäuferin und der Lkw-Fahrer. Viele Berufsbezeichnungen im Sprachgebrauch spiegeln die frühere Dominanz von Frauen und Männern in diesem Beruf wider. Natürlich gibt es Ausnahmen, denn auch „der Friseur“ war in der Vergangenheit überwiegend weiblich. Das zeigte sich wiederum in den Zahlen derjenigen, die eine Ausbildung neu anfingen. Anlässlich des „Girls’ und Boys’ Days“ am 3. April teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) mit, dass sich dies ändert. Die seit Jahrzehnten bestehenden Geschlechterunterschiede unter Azubis in bestimmten Berufen lösten sich zusehends auf.

So habe es in einigen Ausbildungsberufen mit großen Geschlechterunterschieden wie dem Friseur- oder Tischlerhandwerk in den vergangenen Jahren deutliche Veränderungen gegeben. Beispielsweise, so die Statistik, waren im Jahr 2023 34 Prozent der angehenden Friseure männlich. Damit hat sich der Männeranteil in zehn Jahren nahezu verdreifacht. 2013 betrug ihr Anteil 13 Prozent.

Ähnlich stark war demnach der Anstieg im Lebensmittelhandwerk, wo der Männeranteil bei den Auszubildenden binnen zehn Jahren von 11 Prozent auf 28 Prozent stieg. Die Frauen verkleinerten demgegenüber die Männerdominanz im Tischlerhandwerk. 20 Prozent der Azubis 2023 waren Tischlerinnen, zehn Jahre zuvor waren es 11 Prozent. Eines jedoch zeigen die Zahlen nicht: Wie viele Lehrlinge gab es in den jeweiligen Berufen überhaupt?

Mehr Friseure und mehr Lkw-Fahrerinnen. Typische Männer- und Frauenberufe finden auch beim anderen Geschlecht mehr Azubis – zumindest anteilig.

Mehr Friseure und mehr Lkw-Fahrerinnen. Typische Männer- und Frauenberufe finden auch beim anderen Geschlecht mehr Azubis – zumindest anteilig. Foto: Statistisches Bundesamt (Destatis)

Weniger Azubis, steigende Unterschiede

Die Statistiker aus Wiesbaden ergänzten diesbezüglich am Ende ihrer Pressemitteilung: „Die Statistik kann keine Aussage dazu treffen, inwieweit sich im Jahr 2023 die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze veränderte oder wie viele offene Stellen unbesetzt blieben.“ Ein entscheidendes Detail.

„Die Angaben entstammen der amtlichen Datenerhebung auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) oder nach der Handwerksordnung (HwO)“, schrieb Destatis weiter. Dabei unberücksichtigt blieben „unter anderem Berufsausbildungen an Berufsfachschulen und Schulen des Gesundheitswesens“ – und eben auch jene über 100.000 unbesetzten Ausbildungsplätze. Dennoch erlauben die Daten eine klare Aussage hinsichtlich der Entwicklung, denn das Statistische Bundesamt teilte ebenfalls mit:

Von den 479.800 Personen, die im Jahr 2023 in Deutschland einen entsprechenden neuen Ausbildungsvertrag abschlossen, waren 64 Prozent Männer, 36 Prozent Frauen. Im Jahr 2013 waren noch 60 Prozent von 521.500 Männern und 40 Prozent Frauen.“

Das heißt einerseits, dass die Zahl der jungen Menschen, die eine Ausbildung begonnen haben, binnen eines Jahrzehnts um 8 Prozent gesunken ist. Betrachtet man die Zahlen im Detail, ergibt sich, dass die Zahl der männlichen Azubis im gleichen Zeitraum von knapp 313.000 auf 307.000 um 2 Prozent gesunken ist. Gleichzeitig ist aber die Zahl der Frauen, die eine Ausbildung begonnen haben, von über 208.000 auf unter 173.000 sogar um über 17 Prozent gesunken.

Andererseits bedeutet das jedoch auch, dass der Anteil der männlichen Azubis insgesamt gestiegen ist. Azubis sind also weiterhin vorwiegend männlich, nur ihre Berufswahl hat sich verschoben.

Eine haarsträubende Entwicklung

Der höhere Männeranteil in „weiblichen Berufen“ ist damit nicht zwingend auf mehr männliche Azubis in diesen Bereichen zurückzuführen. Um sagen zu können, dass mehr Männer beispielsweise Friseure werden, müssen die Zahlen im Detail betrachtet werden. Dabei zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Ausbildungsberufen:

Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes begannen 10.900 Azubis im Jahr 2013 eine Friseurlehre. In Verbindungen mit der oben genannten Geschlechterverteilung waren unter ihnen gut 1.400 Männer und fast 9.500 Frauen. Zehn Jahre später unterschrieben nur noch 6.300 Menschen ihren Ausbildungsvertrag in diesem Berufsfeld, darunter rund 2.140 Männer und 4.160 Frauen. Während sich die Zahl der Männer also um 50 Prozent erhöht hat, ist die Zahl der Frauen um über 56 Prozent gesunken. Das geht einher mit einem Rückgang der Azubis im Friseurhandwerk um über 42 Prozent.

Noch stärker zurückgegangen ist die Zahl der Azubis im Lebensmittelhandwerk: 8.000 Azubis aus dem Jahr 2013 stehen nun nur noch 3.500 Lehrlingen im Jahr 2023 gegenüber. Mit 56 Prozent weniger Azubis fällt der Rückgang entsprechend groß aus. Der Anstieg des Männeranteils von 11 auf 28 Prozent beschreibt aus diesem Grund lediglich eine Steigerung von 880 im Jahr 2013 auf 980 männlichen Azubis zehn Jahre später. Im selben Zeitraum hat sich die Zahl der angehenden Verkäuferinnen von rund 7.120 auf 2.520 fast gedrittelt (-65 Prozent).

Anteil ist nicht gleich Anzahl: Mehr Frauen in Männerberufen und umgekehrt können den allgemeinen Rückgang bei den Azubis nicht wettmachen.

Anteil ist nicht gleich Anzahl: Mehr Frauen in Männerberufen und umgekehrt können den allgemeinen Rückgang bei den Azubis nicht wettmachen. Foto: ts/Epoch Times

Die Ausnahme, die die Regel bestätigt

Auch klassische Männerberufe bleiben von rückläufigen Azubizahlen nicht verschont. Laut Destatis waren 2023 ein Fünftel (20 Prozent) der angehenden Tischler weiblich. Zehn Jahre zuvor waren es 11 Prozent. Die Zahl der Azubis reduzierte sich von 7.600 auf 7.500. Mit anderen Worten begannen 2023 rund 1.500 Frauen und 6.000 Männer eine Tischlerlehre. 2013 waren es 6.760 Männer und 840 Frauen. Das Plus an weiblichen Azubis (+660, +80 Prozent) kann den Rückgang ihrer männlichen Kollegen (-760, -11 Prozent) nicht ausgleichen.

Ein weiteres Beispiel ist die Ausbildung zum Berufskraftfahrer: „2023 schlossen Frauen 11 Prozent der 2.800 Ausbildungsverträge ab. Zehn Jahre zuvor waren es lediglich 3 Prozent der 3.200 neuen Verträge.“ Hier kann somit auch eine Verdreifachung der weiblichen Trucker, von knapp unter 100 im Jahr 2013 auf über 300 im Jahr 2023, den allgemeinen Trend nicht aufhalten. Ihnen gegenüber stehen über 600 weniger männliche Azubis in der Branche.

In den sogenannten MINT-Berufen – MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – ist der Frauenanteil binnen zehn Jahren von 11 Prozent auf 12 Prozent gestiegen. Typische Berufe sind Industriekaufleute, Fachinformatiker oder Chemiker. Und auch hier ist ein zweiter Blick angebracht. Obwohl es „nur“ ein Prozentpunkt mehr weibliche Azubis sind, stieg ihre Zahl von 17.500 auf über 20.400 und damit um mehr als 16 Prozent. Grund ist, dass die Gesamtzahl der Azubis in diesem Bereich gestiegen ist.

Schlossen 2013 knapp 160.000 Menschen einen Ausbildungsvertrag ab, waren es 2023 über 170.000, die sich eine Zukunft in MINT-Berufen vorstellen konnten. Was verschiedene Medien unter Verwendung von Texten der Nachrichtenagenturen als „keinen nennenswerten Fortschritt“ bezeichnen, ist damit eher eine sehr erfreuliche Entwicklung.



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