Menorca – geschützte Natur, alte Traditionen und viel Kunst
Das ist wohl der schönste Hafenblick der Welt – über das Geländer der Terrasse ranken sich üppige Bougainvilleas und geben die Sicht frei auf übereinander geschachtelte Häuschen am gegenüberliegenden Ufer, die nur durch eine sich schlängelnde Straße getrennt sind vom türkisblauen Wasser, auf dem sich die warmen Sonnenstrahlen als hellgoldener Glitter widerspiegelt.
Menorcas Hauptstadt Mahón hat – nach Sydney – den zweitgrößten natürlich Hafen der Welt. Naturhafen bedeutet im Fall von Mahón ein lang gezogener Meeresarm, der sich fast sechs Kilometer hinzieht.
An dem sich verjüngenden Fjord, der am Anfang noch über 300 Meter breit ist, fläzen sich weiße Felsen mit ein paar türkisblauen Badebuchten, dazwischen Bootsstege, geschützte Ankerplätze und kleine Yachthäfen. Am Hang der lang gezogenen Bucht sind Häuser mit Palmen, Terrassen und Pools. Sie verdichten sich bis zur Altstadt von Mahón mit ihren weißen Natursteingassen und Jugendstilpalästen. Mahon kann mit zwei imposanten Festungen aufwarten – Sant Felip aus dem 16. Jahrhundert und aus dem 19. Jahrhundert La Mola.
Peloffa oder Pomada: Wacholderbeeren und aromatisierter Wein
Die Wasseroberfläche ist durchsetzt mit Muschelbänken und Fischreusen, überall kreuzende Segelboote und kleine Taxiboote wie Nussschalen, ab und zu mal ein größeres Schiff dazwischen – ein belebtes Miteinander von Restaurants, kleinen Läden und Bars an der Uferpromenade.
Hier in Menorcas Hauptstadt Mahón leben knapp ein Drittel der 90.000 Einwohner der Baleareninsel. Trubelig ist es in den Altstadtgassen Mahóns mit seinen kleinen Läden, Märkten und Delikatessenläden.
In den Bars sitzen Menorquiner und Touristen zusammen bei menorquinischem Gin aus Wacholderbeeren und aromatisiertem Wein – das ist hier das „National“-Getränk. Entweder pur oder als Peloffa mit Soda und Zitronenschale oder als Pomada, das hier populäre Mixgetränk mit Limonade.
Nicht einmal die Hälfte des in der Traditionsdestillerie Xoriguer im Hafen von Mahón hergestellten Gins kann exportiert werden, denn über die Hälfte davon wird direkt auf Menorca konsumiert. Hier wird übrigens auch Safran – eines der teuersten Gewürze der Welt – angebaut und der heimische Gin damit zum hier typischen Safran-Gin veredelt.
Ein besonderer Geschmackserlebnis-Hotspot dafür ist die Carrer Isabel II. mit ihren Cafés, unzähligen weiß getünchten Häusern und Blumenampeln.
Viel zu entdecken zwischen Mahón und Ciutadella
Langweilig wird es auf Menorca nicht. Mallorcas kleine, unbekanntere Schwester hat viel zu bieten, auch wenn – oder gerade weil – es hier auf Menorca ruhiger und unspektakulärer zugeht.
Nur fünfzig Kilometer liegen zwischen den beiden Städten Mahón und der ehemaligen Hauptstadt Ciutadella, also zwischen Ost- und Westküste Menorcas. Dazwischen liegt der einzige nennenswerte Berg der Insel – der Monte Toro mit knapp 360 Metern Höhe.
Die beiden Städte verbindet der Weg Camí d’en Kane, benannt nach dem britischen Gouverneur Richard Kane. Um die Insel herum führt ein anderer „Pferdeweg“, der jahrhundertalte Camí de Cavalls. Auf der alten Reiterroute mit 185 Kilometern trifft man im Süden – genauso wie entlang der Nordküste – Reiter auf menorquinischen Pferden. Die edlen schwarzen Pferde sind eine spezielle Rasse, von denen zumeist die Stuten für Touristenausritte trainiert werden.
Die Hengste hingegen werden oft gezielt dafür trainiert, auf den Fiestas inmitten der feiernden Masse meterweise auf den Hinterbeinen zu gehen. Bei dieser Laufpesade versuchen dann die dicht gedrängten Feiernden das Herz des steigenden Pferdes zu berühren – das soll Glück bringen.
Dieser Tanz von Mensch und Tier in der Masse heißt „Jaleo“, was eigentlich nur „Radau“ bedeutet und als Bezeichnung in etwa das populäre und oft gefährlich aussehende Spektakel trifft.
Die edlen schwarzen Rösser: Symbol der Menorquiner für ihre Fiestas
Nur mit dem Pferd oder zu Fuß sind circa die Hälfte der ungefähr 200 Strände und Buchten von Menorca zu erreichen – das dient dem Schutz der Natur. Hotelburgen sucht man auf dem „kleineren Mallorca“ vergebens.
Oft findet man dafür direkt am Strand kleine Strandbuden, wo man unterm Strohschirm mit den Füßen im weißen Sand sitzt und Fisch noch frisch vom Fischer oder die typische menorquinische Hummersuppe „Caldereta de Langosta“ serviert bekommt.
Menorca ist seit 1993 als Ganzes UNESCO-Biosphärenreservat, vor allem aber Bauernland mit verstreut liegenden Höfen und Ländereien, wo man oft den würzigen menorquinischen Käse „Queso de Mahón“, der seit 1985 eine geschützte Ursprungsbezeichnung hat, oder Wurst aus eigener Produktion direkt beim Bauern kaufen kann.
Freilichtmuseum der Geschichte im Mittelmeer
Die typischen Trockenmauern zwischen den Feldern prägen das Bild genauso wie die vielen gut erhaltenen steinernen Reste einer 4.000 Jahre alten Siedlungskultur auf der Insel. Davon zeugt auch die archäologische Stätte Naveta des Tudons als eines der besterhaltenen prähistorischen Monumente Europas, datiert auf etwa 970 vor Christi in der späten Bronzezeit. Über die Zeiten hinweg haben hier unterschiedlichste Besatzer ihre Spuren hinterlassen: Ab dem 6. Jahrhundert vor Christi waren Phönizier und Karthager da, danach die Römer.
Ende des 13. Jahrhunderts nach Christi wurde die Insel Teil der Krone von Aragonien und später des Königreichs Spaniens. Auch die Briten waren zweimal da und haben die Insel geprägt, die Liebe zum Gin hinterlassen und die riesige Festung La Mola als Zeugnis der Militärgeschichte an der Hafeneinfahrt von Mahón. Ihr Erbe ist auch auf einer kleinen Insel in der Mitte des Naturhafens zu sehen.
Königsinsel inmitten des Naturhafens von Mahón
Die Isla del Rey (Königsinsel) ist auch als „Krankenhausinsel“ bekannt. Im 18. Jahrhundert errichteten die Briten hier ein Krankenhaus – das Isla del Rey Military Hospital. Während der darauffolgenden Besetzung durch Franzosen und Spanier wurde sie auch von deren Soldaten über den Zweiten Weltkrieg hinweg genutzt. Die Gebäude waren bis 1964 in Betrieb, bevor in Mahón ein neues Militärkrankenhaus gebaut und die Isla de Rey aufgegeben wurde.
Der Name des Ortes geht auf das Jahr 1278 zurück, als König Alfonso III. die Muslime von Menorca vertrieb. Die Isla des Rey erstreckt sich über vier Hektar Land, das sind ungefähr vier Fußballfelder, und man gelangt mit dem Wassertaxi an eine der zwei Anlegestellen.
Eine Bremerin vor Ort
Am Sonntagmorgen legt ein Katamaran zur Inseltour ab, auf dem mehrsprachige Führungen durch das alte Krankenhaus von sachkundigen Freiwilligen angeboten werden. Eine davon ist Corinna, ursprünglich Bremerin und vor über dreißig Jahren mit ihrer Familie auf die ruhige Baleareninsel ausgewandert.
Die ehemalige Reisejournalistin engagiert sich als Freiwillige im „Asociació amics de l’Illa del l’Hospital“ (Verein der Freunde des Krankenhauses Isla del Rey), der sich seit 2004 um den Schutz des Erbes des Krankenhauses kümmert.
Das heißt für Corinna zusammen mit anderen Freiwilligen sonntägliche Restaurierungs- und Wiederaufbauschichten über Jahre hinweg, um das historische Gebäude zu erhalten und wieder zugänglich zu machen. Darüber hinaus erstellen die Freiwilligen auch Informationsmaterial und betreuen Touristen-Führungen. So ist auf dieser kleinen Insel ein Ensemble wiederbelebt worden, das jetzt zum Touristen-Highlight geworden ist.
Von der Quarantäne-Insel zum Touristenhighlight
Nicht nur das ehemals marode, stillgelegte Militärkrankenhaus am höchsten Punkt der Insel, das mit seinem u-förmigen Grundriss einen Großteil der Fläche einnimmt, auch die Nebengebäude aus dem 18. Jahrhundert wurden restauriert. 1888 wurden zudem auch Ruinen einer Basilika aus dem 6. Jahrhundert entdeckt.
Federführend mit dabei die Galerie Hauser & Wirth, die in fünfjähriger Bauzeit die ehemaligen Lagerhallen des Krankenhauses in einen Ausstellungsraum mit zwei großen Galerien und einem „Education Lab“, einem Geschäft sowie einem Restaurant verwandelt und 2021 eröffnet hat.
Elf Dependenzen hat das Kunsthandelsimperium von Iwan Wirth, darunter das Mutterhaus in Zürich und Galerien in Los Angeles, New York und Somerset in Südengland – und jetzt seit zwei Jahren auch auf der Isla del Rey mitten in Mahóns Hafen.
Während im Innenbereich Ausstellungen wie aktuell die erste der in Los Angeles lebenden Künstlerin Christina „Come In From An Endless Place“ in Spanien gezeigt werden, findet diese auch zeitgleich mit einer großen Präsentation im Hamburger Bahnhof in Berlin statt.
Skulpturen von Joan Mirò mit Tapas und Cava
Im Außenbereich hat der Landschaftsarchitekt Piet Oudolf einen Skulpturenweg mit Werken von Künstlern wie Louise Bourgeois, Eduardo Chillida und Joan Mirò inmitten eines blühenden Gartens angelegt.
Nach dem Kunstgenuss oder auch zwischendurch kann man sich unter dem Schatten von Pinien an den verstreuten Holztischen der „Cantina“ niederlassen und umgeben von surrenden Zikaden mit Blick aufs blaue Mittelmeer ein paar Tapa und ein Gläschen Cava genießen.
„Die Ansiedlung der Galerie hier wurde auch kontrovers diskutiert“, erzählt Corinna, die selbst fast jeden Sonntag als Freiwillige kaputte Antiquitäten in der Werkstatt des alten Hospitals restauriert. Für die Umbauarbeiten war der Architekt Luis Laplace verantwortlich, der bei dem Projekt einen Fokus auf Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein gelegt hat, zudem war auch Bildung Teil des Konzepts.
„Dennoch gab es durchaus die Angst, dass es mit der Beschaulichkeit von Menorca, die viele hier sehr schätzen, vorbei sein könnte“, erzählt Corinna, „wenn die internationale Kunstelite und ihre Kunden mit den Privatjets die Insel entdecken.“
Abends dann auf der von pinkfarbenen Bougainvilleas umrankten Terrasse mit Blick auf die Lichter der Altstadt, die sich im tiefblauen Hafenwasser spiegeln, stoßen wir mit einem Glas „Vi de la Terra Illa de Menorca“ – einem samtigen Merlot von der Insel – darauf an, dass dieses Naturparadies mit seinen Schönheiten und Genüssen noch lange so bleibt wie jetzt.
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