Kosmisches Tandem: Rätselhaftes Objekt erregt Aufsehen

Wenn sich Astronomen etwas nicht direkt erklären können, wird es oft erst richtig spannend. Dazu gehört auch das kürzlich entdeckte rätselhafte Tandem, das so noch nie beobachtet wurde und das es gar nicht geben dürfte. Doch es gibt eine heiße Spur.
Das kosmische Tandem – künstlerische Darstellung
Künstlerische Darstellung des neu entdeckten Systems unter der Annahme, dass der massereiche Begleiter des Pulsars (hellblau leuchtender Stern im Hintergrund) ein Schwarzes Loch ist (Vordergrund).Foto: Max-Planck-Instituts für Radioastronomie/Daniëlle Futselaar
Von 20. Januar 2024

Ein internationales Team unter der Leitung von Forschern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie und des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik haben ein neues System zweier sich umkreisender Objekte entdeckt. Dieses „Tandem“ befindet sich im Kugelsternhaufen NGC 1851 des Sternbilds Taube, das nur am Himmel der südlichen Hemisphäre zu sehen ist.

So unterschiedlich sie auch sind, so haben die beiden Objekte höchstwahrscheinlich eins gemein: Beide müssen, wenn auch über Umwege, aus den Überresten massereicher Sterne hervorgegangen sein – sind also Neutronensterne oder Schwarze Löcher.

Die meisten besonders massereichen Sterne entstehen in Mehrfachsternsystemen. Und genau diese Sterne sterben am Ende ihres Lebens in einer spektakulären Supernova-Explosion. Die Überreste sind Schwarze Löcher oder Neutronensterne, die sich umkreisen – wenn das System die Explosion überlebt hat.

Bisher konnten Astronomen jedoch nur Tandems nachweisen, die jeweils aus zwei Schwarzen Löchern oder zwei Neutronensternen bestehen. Der Nachweis dessen gelingt über die Gravitationswellen, die sie bei ihrem engen Tanz aussenden. Doch das neu entdeckte Paar scheint anders zu sein.

Pulsar gibt den Takt im Tandem an

Klarheit über das Wesen der Objekte herrscht immerhin bei einem der beiden. So verwendete das Team das empfindliche MeerKAT-Radioteleskop in Südafrika in Verbindung mit leistungsstarken Detektoren und registrierte schwache Pulse. Damit war für die Astronomen klar, dass es sich bei dem einen Tandem-Partner um einen Neutronenstern – genauer gesagt einen Pulsar – mit einem starken Magnetfeld handelt.

Das Tandem wurde mit dem MeerKAT-Radioteleskop beobachtet

Die Beobachtungen erfolgten mit dem empfindlichen MeerKAT-Radioteleskop in der Karoo-Halbwüste in Südafrika. Foto: SARAO

Der Neutronenstern dreht sich sehr schnell und sendet dabei Radiostrahlung entlang entgegengesetzter Lichtkegel aus. – Er erscheint wie ein kosmischer Leuchtturm. Mit seinen mehr als 170 Umdrehungen pro Sekunde trifft der Lichtkegel des Pulsars mit der Bezeichnung PSR J0514-4002E dabei entsprechend oft die Erde. Mit jeder Umdrehung registriert das Radioteleskop einen Puls – ähnlich dem Ticken einer Uhr. Tatsächlich ist dieses Ticken erstaunlich regelmäßig, wenn auch nicht ganz perfekt.

Zum Glück für die Forscher: Denn die kleinen Abweichungen oder Gangunterschiede der Uhr können die Forscher nutzen, um auf den Begleiter zu schließen, der als Teil eines Binärsystems gemeinsam mit dem Pulsar einen gemeinsamen Schwerpunkt umkreist. Doch dies ergab kein so klares Bild – wie bei dem Neutronenstern.

„Als wir Hubble-Bilder anschauten, sahen wir nichts“

Vor allem aus optischer Sicht gab das rätselhafte Objekt zunächst keine Hinweise auf sein Wesen. „Als wir uns Hubble-Bilder von NGC 1851 anschauten, sahen wir an dieser Position nichts“, erklärt Prajwal Voraganti Padmanabh, Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover. „Daher ist das Objekt, das mit dem Pulsar den gemeinsamen Schwerpunkt umrundet, kein normaler Stern, sondern ein extrem dichter Überrest eines kollabierten Sterns.“

Würde es sich hier um einen Stern handeln, müsste dieser – wie auch die Sonne – einen Sternwind abstrahlen. Dieser müsste den Radiolichtkegel des Pulsars passieren, ehe das Radioteleskop ein Signal empfängt. In dem Fall würde der Sternenwind die Frequenzen des Radiosignals charakteristisch beeinflussen. In den Radiodaten finden sich aber keine Anzeichen für einen solchen Effekt.

Für die Forscher deutet also alles darauf hin, dass es sich bei dem mysteriösen Objekt um einen extrem dichten Überrest eines kollabierten Sterns handelt: ein Schwarzes Loch oder ein weiterer Neutronenstern, der jedoch kein Radiolicht aussendet.

Aufbau eines Schwarzen Lochs

Der Aufbau eines Schwarzen Lochs. Foto: ts/Epoch Times nach ESO (CC BY 4.0)

Die Spurensuche geht weiter

Doch die Max-Planck-Forscher gaben nicht so schnell auf und wendeten sich den Zahlen zu. Aus den Messungen der Gangunterschiede der Pulsar-Uhr folgerten die Astronomen nicht nur die Umlaufbahn, sondern grenzten auch die Masse des zweiten Tandem-Objekts ein.

Das Ergebnis: Zwischen 2,09 und 2,71 Sonnenmassen soll es wiegen. Damit könnte der Begleiter schwerer sein als die schwersten bekannten Neutronensterne (etwa zwei Sonnenmassen) und gleichzeitig leichter als die leichtesten bekannten Schwarzen Löcher (etwa fünf Sonnenmassen). Das kompakte Begleitobjekt fällt also genau in die sogenannte Massenlücke Schwarzer Löcher. Warum bisher noch kein anderes kompaktes Objekt zwischen zwei und fünf Sonnenmassen gefunden wurde, ist nicht gänzlich geklärt.

„Was auch immer dieses Objekt ist, es ist eine aufregende Nachricht“, sagt Paulo Freire vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Wenn es sich um ein Schwarzes Loch handelt, ist es das erste bekannte Pulsar-Schwarzes-Loch-System, dessen Entdeckung seit Jahrzehnten den Heiligen Gral der Pulsarastronomie darstellt. Wenn es sich um einen Neutronenstern handelt, wird dies grundlegende Auswirkungen auf unser Verständnis des unbekannten Zustands der Materie bei diesen unglaublichen Dichten haben.“

Tandem aus Neutronensternen geboren?

Neutronensterne, die ultradichten Überreste einer Supernova-Explosion, können nur eine bestimmte Maximalmasse erreichen. Sobald sie zu viel Masse angehäuft haben, zum Beispiel durch das Verschlucken eines anderen Sterns oder durch die Kollision mit einem anderen Neutronenstern, stürzen sie in sich zusammen. Was bei einem solchen Kollaps aus ihnen wird, ist Anlass für zahlreiche Spekulationen.

Die vorherrschende Theorie ist jedoch, dass Neutronensterne zu Schwarzen Löchern kollabieren, also zu Objekten, die ein so starkes Gravitationsfeld haben, dass nicht einmal Licht ihnen entkommen kann – was durch Beobachtungen gestützt wird. Demnach können die leichtesten Schwarzen Löcher, die durch kollabierende Sterne entstehen, etwa fünf Sonnenmassen betragen.

Da dies erheblich mehr ist als die 2,2-fache Sonnenmasse, die für den Kollaps eines Neutronensterns erforderlich ist, kommt es zu der sogenannten Massenlücke bei Schwarzen Löchern. Was die kompakten Objekte in dieser Massenlücke sind, ist bisher unbekannt. Eine detaillierte Untersuchung hat sich als schwierig erwiesen, da solche Objekte bisher nur durch Gravitationswellen aus dem fernen Universum entdeckt werden konnten.

Rätsel bleibt vorerst ungelöst

Aus diesem Grund können die Forscher noch nicht mit endgültiger Sicherheit sagen, ob das rätselhafte Objekt nun das leichteste bekannte Schwarze Loch ist oder der schwerste bekannte Neutronenstern und damit eine neue exotische Sternvariante. Sicher ist aber, dass es sich um ein einzigartiges „Labor“ handelt, um die Eigenschaften von Materie unter den extremsten Bedingungen im Universum zu erforschen.

„Wir sind mit diesem System noch nicht fertig“, schließt Arunima Dutta. „Die Aufdeckung der wahren Natur des Begleiters wird einen Wendepunkt in unserem Verständnis von Neutronensternen, Schwarzen Löchern und allem, was sonst noch in der Massenlücke des Schwarzen Lochs lauern könnte, darstellen.“



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