Kinder als Verlierer der Pandemie – Studie nimmt Schulschließungen unter die Lupe
Homeoffice, Schulschließungen und Kontaktverbot. Während der Corona-Krise wurden aufgrund zahlreicher Faktoren die sozialen Kontakte auf ein Minimum heruntergefahren. Neue Forschungen bestätigen nun einmal mehr, dass Kinder und Jugendliche Leidtragende der Corona-Maßnahmen waren. Dabei gehörten sie zu jener Personengruppe, die weder als Treiber der Pandemie galten noch mit einer schweren COVID-Erkrankung zu rechnen hatten.
Schulschließungen gehörten zu den ersten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Inwieweit sie dazu beigetragen haben, dass die psychische Gesundheit von Jugendlichen in außerordentlichem Ausmaß gelitten hat, war bislang weitgehend unbekannt. In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals „Science Advances“ veröffentlichte Christina Felfe, Professorin für Angewandte Mikroökonomie an der Universität Konstanz, neue Ergebnisse der Forschungen ihres Teams in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
„Unser Ziel war es, zu untersuchen, was die Schulschließungen in dieser so sensiblen Phase im menschlichen Leben bewirkt haben, in der soziale Bindungen, Kontakte zu Rollenmodellen, zu Lehrpersonen, aber auch zu Mitschülerinnen und Mitschülern ausschlaggebend für eine gesunde Entwicklung sind“, schildert Felfe.
Als Volkswirtschaftlerin interessiert sie sich für die Kosten-Nutzen-Analyse der Maßnahmen, wobei unter Kosten der Schaden verstanden wird, den die Corona-Schutzverordnung verursachte. Wie viel trugen also Schulschließungen zur Eindämmung der Pandemie bei und was sind in diesem Sinne die „Kosten“? Diesen Fragen ging das Forscherteam nach.
„Natürliches Labor“ Deutschland
Da die 16 deutschen Bundesländer Bildungshoheit besitzen, konnten sie selbst über Schulschließungs– und Wiederöffnungsstrategien entscheiden. Dieses „natürliche Labor“ ermöglichte es den Forschern, die Auswirkungen der unterschiedlichen Dauer von Schulschließungen auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen zu untersuchen.
In der Zeit vom 16. bis 18. März 2020 wurde in allen Bundesländern eine landesweite Schulschließung angeordnet. Ab dem 20. April erfolgte die schrittweise Öffnung, wobei jedes Bundesland seine eigene Strategie verfolgte. Generell wurde den Abschlussjahrgängen Vorrang eingeräumt. Je nach Klassenstufe und Bundesland fiel die Zeit der Schüler, die sie zu Hause verbringen mussten, länger oder kürzer aus.
Die Forscher werteten alle landesspezifischen Corona-Schutzverordnungen aus und erstellten einen Datensatz zu den jeweiligen Strategien für Schulschließungen und Wiedereröffnungen. In die Bewertungen flossen auch Daten aus der vom UKE erhobenen sogenannten COPSY-Studie zu psychischen Befindlichkeiten sowie der BELLA-Kohortenstudie zum Verhalten und Wohlbefinden für Kinder und Jugendliche ein.
11- bis 14-Jährige sind Hauptleidtragende
Die Belastung und Fähigkeit, die Auswirkungen der Schulschließungen zu bewältigen, variierten je nach Alter, Geschlecht und Lebensbedingungen. Jüngere Kinder hatten am meisten mit den Schulschließungen zu kämpfen. So verzeichneten die Forscher bei den 11-Jährigen eine Zunahme von psychosomatischen Beschwerden, Symptomen von Depression und bei Verhaltens- und emotionalen Problemen. Die Effekte verblassten in der Mitte der Pubertät. Insoweit konnten die 11- bis 14-Jährigen schlechter mit der neuen Situation umgehen als die 15- bis 17-Jährigen.
Jungen kamen mit Schulschließungen schlechter zurecht als Mädchen. In Haushalten mit begrenztem Wohnraum litten die Jugendlichen am meisten unter der Belastung durch Schulschließungen.
„Die Familien wurden weitgehend mit der beispiellosen Situation zu Hause alleingelassen, einschließlich der Mehrfachbelastung, Arbeit, Schule und Familienleben unter einen Hut zu bringen“, macht Felfe deutlich.
Schulschließungen verschärften psychische Leiden
Insgesamt haben die Schulschließungen zur jüngsten Verschärfung der psychischen Gesundheitsprobleme von Jugendlichen beigetragen, so die Forscher. Bemerkenswert sei, dass Jugendliche, die längeren Schulschließungen ausgesetzt waren, mehr und länger darunter litten.
„Unsere Ergebnisse spiegeln wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs wider“, heißt es in der Studie. Nach Schätzung der Autoren handelt es sich nur um die Auswirkungen der anfänglichen Schulschließungen, die zwischen 4,7 und 10,1 Wochen dauerten.
In Deutschland folgten 25 oder mehr zusätzliche Wochen Schulschließungen, während in anderen Ländern, wie in den USA, die Schüler insgesamt 71 Wochen vom Präsenzunterricht befreit waren.
Zwar sei es möglich, dass sich viele Jugendliche mit der Zeit daran gewöhnt hätten, dass jedoch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen eine immense Belastung für Jugendliche und ihre Familie darstellen, darin sind sich die Forscher einig.
Inwiefern das häusliche Umfeld, die Qualität des Homeschoolings, die Art des Lehrer-Schüler-Kontakts oder alternative Bewältigungsstrategien in der Lage sein können, die negativen Auswirkungen von Schulschließungen abzufedern, sei eine Forschungsfrage von höchster Relevanz. Diese würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen und sei damit ein Thema für zukünftige Forschungen, so die Autoren.
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