Studie: Eltern prägen wissenschaftliches Denken ihrer Kinder mehr als die Schule

Wie sehr Eltern das wissenschaftliche Denken ihrer Kinder beeinflussen, hat eine deutsche Studie herausgefunden. Die wegweisenden Erkenntnisse sollten Eltern aufhorchen lassen.
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Während Mama die Hausarbeit erledigt, experimentiert ihre Tochter – beste Voraussetzungen, um wissenschaftliches Denken zu fördern.Foto: MelkiNimages/iStock
Von 1. Dezember 2024

Lesen, Schreiben, Rechnen. Dass Kinder die grundlegenden Fähigkeiten in der Schule lernen, um später ihr Leben zu meistern, ist für viele Eltern selbstverständlich. Doch wie sieht es mit logischem Denken und der Fähigkeit, Probleme effektiv zu lösen, aus? Es gibt gute Gründe, die Bildung nicht allein den Schulen zu überlassen. Denn Eltern prägen das wissenschaftliche Denken ihrer Kinder, wie eine Studie zeigt – und zwar nachhaltig, ob ihnen das bewusst ist oder nicht.

Christopher Osterhaus, Juniorprofessor für Entwicklungspsychologie im Handlungsfeld Schule an der Universität Vechta, spricht von wegweisenden Erkenntnissen. In Kooperation mit Susanne Koerber, Professorin für Frühe Bildung an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, hat er die Studie und Datenerhebung durchgeführt.

Das Interesse an diesem Forschungsgebiet entstand laut Osterhaus aus früheren Studien, bei denen festgestellt wurde, dass einige Kinder schon in jungen Jahren sehr gut im wissenschaftlichen Denken abschneiden, während andere damit mehr Mühe hatten. Warum ist das so? Um das zu ergründen, beobachteten die Forscher die Entwicklung von 161 Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren über einen fünfjährigen Zeitraum. Es galt herauszufinden, wie sich die Überzeugung der Eltern auf das wissenschaftliche Denken auswirkt. Ihre Ergebnisse wurden im Juni 2024 veröffentlicht.

Was ist wissenschaftliches Denken?

„Wissenschaftliches Denken zeigt sich, wenn Kinder experimentieren, Daten interpretieren oder wissenschaftliche Fragen beantworten“, erklärte Osterhaus. Es umfasse die Fähigkeit, systematisch und logisch vorzugehen, Hypothesen zu formulieren und diese zu testen sowie Rückschlüsse aus den gesammelten Beobachtungen zu ziehen.

Entdeckung pur: Für viele Kinder ist die Herstellung von Schleim ein besonderes Vergnügen. Foto: ThitareeSarmkasat/ iStock

Kinder, denen wissenschaftliches Denken schwerfällt, können nur schwer klare Fragen stellen oder präzise Hypothesen formulieren, so Osterhaus weiter. Solche Kinder würden dazu neigen, in Experimenten nicht nur eine Variable zu manipulieren, sondern gleich mehrere. Am Ende könnten sie nicht mehr nachvollziehen, welche Variable tatsächlich die beobachtete Veränderung verursacht hat.

Ein solches Verhalten kann sich nach Aussage des Professors auch später nachteilig auswirken, wenn es darum geht, effektive Problemlösungen zu entwickeln und fundierte Entscheidungen zu treffen.

Elterliche Einstellung prägt Denken der Kinder

Während der Studienzeit wurden die Kinder jährlich auf ihre wissenschaftliche Denkfähigkeit, Sprachkompetenz und Intelligenz getestet. Dabei erfassten die Forscher auch zentrale Merkmale der Familie wie Bildungsgrad, Einkommen, Beruf sowie relevante Überzeugungen und Einstellungen der Eltern.

„Dabei stellte sich heraus, dass die Vorstellungen der Eltern über Wissen – was sie beispielsweise von Wissenschaft halten und was ein Mensch ihrer Meinung nach überhaupt wissen kann – sich darauf auswirken, wie gut ihre Kinder wissenschaftlich denken“, schildert Osterhaus.

Wirklich überraschend fanden die Forscher jedoch die lang anhaltende Wirkung der elterlichen Einstellungen. Kinder, deren Eltern ein Verständnis davon hatten, dass sich Wissen ändern kann und von sozialen und kulturellen Bedingungen abhängig ist, waren nicht nur vor Eintritt in die Schule besser. Sie zeigten über den gesamten Zeitraum der Studie eine bessere Entwicklung beim wissenschaftlichen Denken im Vergleich zu ihren Altersgenossen aus Familien mit weniger unterstützenden Einstellungen.

„Die Effekte der elterlichen Einstellungen auf das wissenschaftliche Denken werden durch schulische Einflüsse nicht vollständig ausgeglichen“, so Osterhaus.

Förderprogramme für Eltern und Kinder

Die Studie macht deutlich, dass das in der Schule erworbene Wissen nicht allein für die Entwicklung der Kinder entscheidend ist. Wichtig ist es, dass sie auch zu Hause gefördert werden. Diese Erkenntnis soll allen Kindern zugutekommen, so der Wunsch der Forscher.

Ihr langfristiges Ziel ist es, Eltern und Bezugspersonen in Bildungsprogramme einzubeziehen, um sicherzustellen, dass alle Kinder die Möglichkeit haben, ihr wissenschaftliches Potenzial voll zu entfalten, damit sie sich „selbstbewusst und kompetent“ an wissenschaftlichen Untersuchungen beteiligen.

Wie wäre es, gemeinsam ein Atommodell zu basteln? Foto: Epiximages/iStock

Mit ihrer Studie wollen die Forscher ein Umdenken anstoßen. Sie erhoffen sich einen Dialog, damit sich Eltern ihrer aktiven Rolle bewusst werden. Ihre Aufgabe sei es, die Neugierde, das kritische Denken sowie die Fähigkeit ihrer Kinder zu fördern, Probleme zu lösen – und damit letztlich eine solide Grundlage für lebenslanges Lernen und Erfolg im 21. Jahrhundert zu schaffen, so Osterhaus.

„Wenn Eltern und Betreuer sich ihres Einflusses bewusst sind, können sie aktiv zur Entwicklung ihres Kindes in diesem wichtigen Bereich beitragen“, so sein Fazit.

Inspiration gefällig?

Wissenschaft geschieht im häuslichen Umfeld meist an zwei Orten: im Bad und in der Küche. Während sich Reinigungsmittel nur bedingt für kindliche Experimente eignen, ist es umso ungefährlicher, mit Lebensmitteln zu experimentieren, beispielsweise mit Salz und Pfeffer, und dabei die Physik im Gewürzregal zu ergründen.

Wer schon einmal die Gewürzstreuer umgeworfen hat, weiß, dass es kaum möglich ist, Salz oder Pfeffer aufzulesen, geschweige denn zu trennen. Genau das ist jedoch im wahrsten Wortsinn kinderleicht, und alles, was Sie dazu benötigen, finden Sie im Kinderzimmer.

Die „Zutaten“

Salz, Pfeffer (gemahlen), Teller, Filzstift, Woll- oder Seidentuch

Das Experiment

Streuen Sie etwas Salz und Pfeffer auf den Teller. Vermischen Sie die Gewürze und versuchen Sie – oder Ihr Kind –, die Gewürze zu trennen. Vielleicht ist es mit Pinzette und viel Geduld möglich, doch es geht auch bequemer mit einem Filzstift und einem Tuch aus Wolle oder Seide. Reiben Sie den Filzstift kräftig mit dem Tuch ab und bewegen Sie ihn anschließend in geringer Höhe über die Gewürzmischung. Wie von Zauberhand „springt“ der Pfeffer an den Stift.

Die Erklärung

Das Reiben von Filzstift und Wolltuch erzeugt statische Elektrizität. Die Farbe des Stiftes ist Nebensache, denn aufgeladen wird nur die Stifthülle aus Plastik, die dadurch sprichwörtlich Anziehungskraft entfaltet. Diese wirkt gleichermaßen auf Salz und Pfeffer, da Salz jedoch schwerer ist, reagiert der gemahlene Pfeffer zuerst. Ist der Abstand zwischen Gewürzmischung und Stift zu gering, bleiben sowohl Salz als auch Pfeffer haften. Statt mit einem Filzstift kann das Experiment auch mit einem Löffel durchgeführt werden, wobei zugleich Vergleiche mit einem Metall- und Holzlöffel möglich werden.

Der physikalische Effekt ist übrigens derselbe, der bewirkt, dass einem die Haare zu Berge stehen, wenn ein Luftballon am Kopf gerieben wird und warum Luftballons an der Decke „kleben“ bleiben, wenn sie zuvor durch Reiben an einem Wollpullover aufgeladen wurden.

PS: Nicht weniger die kindliche Neugier wecken kann die Frage, was passiert, wenn man Frühstückseier 30 statt 7 Minuten lang kocht. Probieren Sie es aus – am besten zu Ostern.



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