Von Cannabis bis Kokain: „Die Lage ist ernst“, warnt der Drogenbeauftragte
Cannabis, Ecstasy, Captagon oder mit Lachgas befüllte Ballons – es gibt viele Möglichkeiten, sich den begehrten „Kick“ zu verschaffen. Suchtprobleme sind in der heutigen Gesellschaft keine Seltenheit. Das zeigt auch der sogenannte REITOX-Jahresbericht 2024 zur Situation illegaler Drogen in Deutschland, der am 12. Dezember veröffentlicht wurde.
„Die Zahlen sprechen eine sehr deutliche Sprache: Die Lage ist ernst“, so Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen. Tonnenweise wurden Drogen aus dem Ausland von den Ermittlern sichergestellt.
Im Bericht, den die Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht erstellt hat, wird das Konsumverhalten in der Altersgruppe der 12- bis 64-Jährigen offengelegt. Demnach konsumierten im vergangenen Jahr 9,6 Prozent der Erwachsenen illegale Drogen. 6 Prozent davon nahmen Cannabis, was inzwischen nicht mehr zu den illegalen Drogen zählt. Denn seit der Einführung des Cannabisgesetzes zum 1. April 2024 ist der private Konsum und Besitz in geringen Mengen für Erwachsene legalisiert.
In Deutschland ist Cannabis weiterhin die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Droge, heißt es jedoch noch in dem Bericht, dessen Befragungszeitpunkt vor der Entkriminalisierung lag. Demnach gaben 8,8 Prozent der Erwachsenen an, in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert zu haben; in der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen waren es 6,7 Prozent. Dabei waren jeweils Männer und Jungen „zu einem deutlich höheren Anteil“ betroffen als Frauen und Mädchen.
Der Bericht zeigt zudem einen minimal erhöhten Konsum von Kokain. Innerhalb von sechs Jahren ist der Anteil der Erwachsenen zwischen 18 und 59 Jahren, die mindestens einmal Kokain konsumiert haben, von 0,6 Prozent (2015) auf 1,6 Prozent (2021) gestiegen. Ebenfalls leicht gestiegen ist der Anteil an Beratungen und Behandlungen wegen Kokain – ambulant wie stationär. Etwa 10 Prozent der Beratungen und Behandlungen wegen illegaler Substanzen betreffen Kokainkonsumenten.
Neugierde fördert Einstieg bei Schülern
Der REITOX-Bericht verweist auf eine Schülerbefragung zum Drogentrend (MoSyD-Studie 2023), an der 1.332 Schülerinnen und Schüler der 10. bis 12. Klasse an allgemeinbildenden Schulen sowie Berufsschulen in Frankfurt am Main teilnahmen. Sie wurden unter anderem zum Cannabiskonsum befragt. Dazu ist anzumerken, dass der Cannabiskonsum und ‑besitz für Minderjährige unter 18 Jahren verboten ist, das gilt auch nach der Legalisierung weiterhin.
26 Prozent der 15- bis 18-Jährigen hatten in ihrem Leben mindestens einmal Cannabis konsumiert, durchschnittlich erstmals mit 15,3 Jahren. 10 Prozent hatten innerhalb der letzten 30 Tage Marihuana und/oder Haschisch genommen. Einen mindestens zehnmaligen Konsum im Vormonat gaben 3 Prozent der Schüler an, 1 Prozent outete sich als Intensivkonsumenten mit täglichem Gebrauch. Dabei wurden Haschisch und Marihuana in etwa gleichem Maß konsumiert.
Auf die Frage nach der Motivation zum Konsum illegaler Substanzen lag Neugierde auf dem ersten Rang, gefolgt von „Alltag vergessen/Abschalten“, einem „körperlich guten Gefühl“ sowie „aus Geselligkeit“.
Laut der Europäischen Online-Drogenstudie (EWSD), an der 1.286 Personen in Deutschland zu ihrem Konsumverhalten befragt wurden, griff die Mehrheit der Cannabiskonsumenten zu Marihuana (98,3 Prozent). Als häufigste Gründe wurden „high werden“ oder „aus Spaß“ angegeben.
Cannabis aus ausländischem Indoor-Anbau
Wie das im Bericht enthaltene Workbook „Drogenmärkte und Kriminalität“ offenlegt, wurden zahlreiche Cannabisgroßtransporte, die per Lkw oder Kleintransporter von Spanien nach Deutschland unterwegs waren, häufig durch den französischen Zoll angehalten. Zudem lande Marihuana über den Postweg oder per Container in Deutschland.
Ein Großteil des Haschischs kommt aus Marokko und wird über Spanien und Frankreich direkt oder über die Niederlande nach Deutschland gebracht.
Marihuana hingegen stammte in der Regel überwiegend aus westeuropäischem Indoor-Anbau. Insbesondere in Spanien habe der professionelle Cannabisanbau durch Gruppierungen der Organisierten Kriminalität in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.
Inwieweit die 2024 eingeführte Cannabislegalisierung dieser Einfuhr langfristig entgegenwirkt, bleibt abzuwarten.
43 Tonnen Kokain sichergestellt
Seit dem Jahr 2017 sind laut Bericht die sichergestellten Mengen an Kokain in Deutschland signifikant gestiegen. 2017 waren es 8 Tonnen Kokain, im Jahr 2022 bereits 20 Tonnen. Im vergangenen Jahr wurde eine neue Rekordmenge von insgesamt etwa 43 Tonnen sichergestellt. Häufig lag der beschlagnahmte Stoff im vier- bis fünfstelligen Kilogrammbereich.
Der Schmuggel von Kokain nach Europa erfolgt überwiegend aus Ecuador und Brasilien, aber auch aus Kolumbien, Panama und Peru. Die Drogen werden sowohl zwischen legalen Frachten als auch in Aufbauten und Böden von Containern oder Kühlaggregaten versteckt. Nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes dürfte die Gesamtzahl der aktiven Schmuggelfahrzeuge, die das Gut dann innerhalb von Europa verbreiten, im fünfstelligen Bereich liegen. Eine herausragende Rolle spielen hier Tätergruppierungen aus den Balkanstaaten und der Türkei, aber auch Italien und Marokko.
Mehr als 1 Million Ecstasy-Tabletten
Wie aus dem REITOX-Jahresbericht weiter hervorgeht, wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 1.934 Kilogramm der synthetischen Droge Amphetamin sichergestellt – das bedeutet eine Steigerung von 18,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2022: 1.631 kg). Sichergestellt wurden zudem 136 Liter Amphetaminöl. Das Amphetamin kam überwiegend aus niederländischer Produktion und war hauptsächlich für den deutschen Rauschgiftmarkt bestimmt. Amphetamine wirken auf das zentrale Nervensystem und haben eine stark aufputschende Wirkung.
Zu den bekanntesten Amphetaminen gehören Ecstasy und Crystal Meth/Methamphetamin. Ebenfalls fast ausschließlich aus den Niederlanden kamen sichergestellte Ecstasy-Tabletten, insgesamt 1.155.305 Stück, was eine Steigerung von etwa 13,1 Prozent bedeutet. Darüber hinaus wurden 272 Kilogramm Amphetaminderivate in Pulver sowie mit 2,7 Liter in flüssiger Form sichergestellt.
Das in Deutschland sichergestellte Methamphetamin kam aus verschiedenen Ländern: 76 Kilogramm aus Mexiko, knapp 33 Kilogramm aus Afrika und etwa 17 Kilogramm aus den Niederlanden. Die Sicherstellung erfolgte häufig beim Transit durch Deutschland.
Zudem wurden in Mexiko größere Mengen sichergestellt, die für Deutschland gedacht waren. Die Ermittler rechnen daher damit, dass auch weiterhin mit Großlieferungen aus Mexiko direkt nach Deutschland und Europa zu rechnen sei.
Aber es gab auch zumindest einen umgekehrten Fall, der aufgeflogen ist: Erstmals wurde eine aus Deutschland stammende Methamphetamin-Lieferung im Ausland sichergestellt. Im Dezember 2023 beschlagnahmten Beamte in Sydney insgesamt 157 Kilogramm, die durch eine deutsche Firma über den Flughafen Frankfurt nach Australien ausgeführt worden waren.
Zollfahnder finden 3,2 Millionen Captagon-Tabletten
Eine andere Droge, die zu den Amphetaminen gehört, ist die Aufputschdroge Captagon. Insgesamt 3,6 Millionen Tabletten wurden 2023 in Deutschland beschlagnahmt. Die Zollfahndung schätzt den Straßenverkaufswert auf über 60 Millionen Euro. 324 Kilogramm der Tabletten waren in einem Lager in Paletten mit 16 Tonnen Sand versteckt. Erstmals wurde im vergangenen Jahr die illegale Herstellung solcher Tabletten auch in Deutschland festgestellt.
Captagon wurde in den 1960er-Jahren in Deutschland entwickelt, um unter anderem Aufmerksamkeitsstörungen zu behandeln. Wegen schwerer Nebenwirkungen wurde das Mittel jedoch 1986 wieder vom Markt genommen. Inzwischen blüht der Drogenhandel mit Captagon, das als „Kokain des armen Mannes“ bezeichnet wird. Vor allem im Nahen Osten und Nordafrika ist dies eine begehrte Partydroge.
Drei bis fünf Lachgasballons pro Tag
Aber nicht nur harte Drogen werden konsumiert, sondern auch Lachgas, das legal erhältlich ist. Die mit großem Abstand häufigste Konsumform sei die Inhalation aus einem mit Lachgas befüllten Ballon, heißt es in dem REITOX-Bericht Bezug nehmend auf eine entsprechende Umfrage, die jedoch mit 191 Befragten nicht repräsentativ sei. Deren Durchschnittsalter lag bei knapp 25 Jahren. Der Durchschnittskonsum betrug drei bis fünf Lachgasballons pro Tag.
Als teilweise gewünschte Wirkung wurden Schwindelgefühl, Sensibilitätsstörung/Kribbeln in den Extremitäten genannt, gefolgt von Verwirrtheit, mehr Konsumdrang, Halluzinationen und Kopfschmerzen. In der Gesamtbetrachtung spiele extensiver Lachgaskonsum in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern aber nur eine untergeordnete Rolle.
In Deutschland stiegen laut Bericht die polizeilich erfassten Lachgasvorfälle wie Verkehrsdelikte, Unfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von Lachgas, Handelsdelikte und Ordnungswidrigkeiten von über 70 im Jahr 2021 auf mehr als 300 im Jahr 2023 an.
Drogentote auf Rekordniveau
Die gesundheitlichen Folgen des Konsums illegaler Substanzen sind erheblich. Die Zahl der Drogentoten lag mit 2.227 Fällen im Jahr 2023 auf dem höchsten Wert seit der Datenerfassung in den 1970er-Jahren. 2022 wurden 1.990 Todesfälle gemeldet. Besonders gefährlich sei der Mischkonsum von mehr als einer Droge, ob sie nun legal oder illegal sei, heißt es in dem Bericht. Bei zwei Dritteln aller Drogentoten wurde mehr als eine psychoaktive Substanz festgestellt.
„Auch in diesen unsicheren Zeiten, in denen Krisen und Kriege viele Menschen beunruhigen, dürfen wir Drogenkonsumierende und Suchtkranke nicht weiter an den Rand der Gesellschaft schieben oder gar ins Unsichtbare“, erklärte der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert.
Vielmehr müsse die Bekämpfung des illegalen Drogenhandels einen klaren Fokus auf die Organisierte Kriminalität setzen. Zudem fordert er noch mehr Prävention, Gesundheitsschutz und zielgenauere Beratung und Therapie.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion