Strukturwandel und Bürokratie zwingen Traditionsbäcker in die Knie
Es ist ein emotionales Video, das auf Facebook die Runde macht: Nach reiflicher Überlegung und mit schwerem Herzen gibt Bernd Braun, Bäcker aus Gießen, das Ende seiner Traditionsbäckerei zum Jahresende bekannt – das Lebenswerk seiner Eltern und letztlich auch sein eigenes.
„Wir haben sieben Tage in der Woche hier Betrieb, und sieben Tage stehe ich auch hier zur Verfügung und gebe mein Bestes“, schildert er gegenüber der Nachrichtenagentur „Reuters“. Das reiche jedoch nicht aus, um einen vernünftigen Ertrag zu erzielen.
Aufwand und Nutzen in „keinem gesunden Verhältnis“
Für Braun, dessen Eltern am 1. Mai 1960 den Grundstein für den Familienbetrieb gelegt haben, stehen Aufwand und Ertrag in „keinem gesunden Verhältnis“ mehr. Unter den gegebenen Umständen waren auch seine Söhne nicht daran interessiert, in die Fußstapfen des Bäckermeisters zu treten.
Die Bäckerei Braun ist nur eine von vielen, die das Handtuch wirft. Die Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. bestätigten den rückläufigen Trend. Während im Jahr 2013 noch 13.171 Bäckereien in der Handwerksrolle eingetragen waren, ging ihre Anzahl bis 2023 auf 9.242 zurück, also knapp 4.000 weniger.
Dokumentationspflicht, Hygiene & Co.
Schon seit Jahren stehen die Bäckereien vor mehreren Herausforderungen: Hohe Energiepreise, Inflation und ein Mangel an Fachkräften machen ihnen das Leben schwer. Stundenlang könnte sich Bäcker Braun über das Thema Bürokratie unterhalten, erklärt er. Als Beispiel erwähnt er die Vorschriften des Amts zum Thema Arbeitssicherheit.
„Ich bin im Altbau untergebracht und mir sind halt Auflagen auferlegt worden, die ich eigentlich nicht mehr erfüllen kann“, erklärt er. Der dahinterstehende Aufwand und die Kosten würden sich für ihn überhaupt nicht rechnen. Zudem verweist er auf die vielen Dokumentationspflichten in allen Bereichen, wie die Kassenvorschriften, die Hygienevorschriften und so weiter.
Ähnlich ging es einem Kollegen im Rheinland: In Leichlingen sah sich Bäcker Martin Schneppenheim im Sommer 2024 gezwungen, seinen Betrieb zu schließen. Auch hier ging es um Auflagen der Behörden. „Die Nahrungsmittelaufsicht hat uns besucht und festgestellt, dass wir keine separate Personaltoilette und keine extra Personalräume haben“, schilderte er gegenüber der „Rheinischen Post“.
Nach seinen Angaben hat er mit seiner Familie in den vergangenen Jahren so viel Geld für Café und Bäckerei aufgewendet, das für den Ruhestand gedacht war, sodass weitere Summen nicht infrage kamen. Auch die Vermieterin wollte nicht investieren. Für den Familienbetrieb in Leichlingen bedeutete dies das Aus.
Verschärfung der Bonpflicht abgewendet
Ein weiteres Problem für die Bäcker stellt die Bonpflicht dar. Sie sorgt seit dem 1. Januar 2020 für Frust, denn für Beträge ab dem ersten Cent müssen Kassenbons gedruckt werden. Im September 2024 forderte der Bundesrat im Entwurf zum Jahressteuergesetz eine Verschärfung.
Demgemäß sollte eine nicht eingehaltene Belegausgabepflicht als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro geahndet werden können. Gleiches wurde für Verstöße gegen die elektronische Erfassung aufzeichnungspflichtiger Geschäftsvorfälle gemäß § 146a Absatz 4 Abgabenordnung in Aussicht gestellt.
Für Dr. Friedemann Berg, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, ein Unding. „Die Bonpflicht sorgt für unnötige Umweltbelastung mit Sondermüll durch weggeworfene Belege aus Thermopapier“, so Berg.
Nur sehr wenige Kunden wollen nach seinen Angaben einen Bon für ihre Brötchen. „In Zeiten, in denen alle auf Nachhaltigkeit und Abfallvermeidung achten und die Digitalisierung voranbringen wollen, ist es geradezu unsinnig, wenn für den Kauf von ein paar Brötchen ein Kassenzettel gedruckt werden muss.“
Stattdessen fordert der Verband eine Bagatellgrenze von mindestens 10 Euro. Beträge unter diesem Wert sollen von der Bonpflicht befreit werden. Das würde nicht nur dem Umweltschutz dienen, sondern eine spürbare Entlastung von Bürokratie im betrieblichen Alltag bedeuten.
Am Ende griff der Bundestag die angedachten Verschärfungen nicht auf. „Der Bundestag ist erfreulicherweise der Empfehlung des Bundesrates nicht gefolgt“, teilte der Zentralverband am 14. November mit.
Eher Strukturwandel statt Bäckersterben?
Trotz eines beständigen Schrumpfens der Bäckerhandwerkbetriebe könne von einem „Bäckersterben“ nicht die Rede sein, berichtet die „Deutsche Handwerkszeitung“. Allein im Jahr 2022 wurden 422 neue Bäckereien in der Handwerksrolle registriert, sodass im Endeffekt lediglich von einem Verlust von 3,6 Prozent die Rede sein könne.
Das Blatt verweist auf einen Strukturwandel. Während früher überwiegend kleine Familienbetriebe ihre Backwerke in einer an die Backstube angeschlossenen Verkaufsstelle vertrieben haben, gibt es heute vermehrt zentrale Produktionsstätten, denen ein Netz von regionalen Verkaufsstellen zur Verfügung steht. Zudem habe sich das Angebot der Handwerksbäcker erweitert, sodass inzwischen auch Snacks, Kaffee und andere Getränke verkauft werden.
Auch das geänderte Konsumverhalten wirkt sich nachteilig aus. Die stetig wachsenden Angebote von Backwaren locken die Kunden in Discounter und Supermärkte, heißt es auf unternehmeredition.de, einer Plattform für den Mittelstand. Mit diesen Preisen könnten Handwerksbäcker nicht konkurrieren.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kauften die Verbraucher im Jahr 2023 ihre Backwaren größtenteils an Backstationen in Supermärkten und Discountern. Rund 42,6 Prozent der Befragten in Deutschland gaben an, dort ihre lose, frische Backware zu beziehen.
Im Jahr 2013 hingegen waren es nur 27,4 Prozent. Bei den Bäckereifachgeschäften hingegen ging die Anzahl der Kunden von 25,5 Prozent (2013) auf 19,9 Prozent zurück. Nur die Bäckereien, die sich in den Vorkassenzonen der Supermärkte befinden, verzeichneten ein leichtes Plus. Im Vergleich zu 2013 stieg ihr Anteil im vergangenen Jahr von 16,4 auf 17,5 Prozent.
Und wie geht es in Gießen weiter? Müssen auch hier die Kunden künftig auf Supermarktwaren zugreifen? Bäcker Braun hat nach eigenen Angaben das Glück.
Wie der „Merkur“ berichtet, hat er mit der Bäckerei Schäfer aus Limburg eine Käuferin gefunden. Sie betreibt in Gießen bereits eine Filiale im Norma-Supermarkt in Kleinlinden. Auch Brauns rund 60 Mitarbeiter sollen ein Jobangebot bekommen. Das sorgt bei dem Traditionsbäcker für Erleichterung. Außerdem dürfe man mit fast 64 auch mal daran denken, in Rente zu gehen, findet er.
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