750 Jahre Marco Polos Reise: Gesandter zwischen Papst und Khan
Marco Polo gilt neben Christoph Kolumbus, Vasco da Gama und Ferdinand Magellan als einer der größten und berühmtesten Entdecker der Welt. So kommt es, dass der gebürtige Italiener nahezu überall seine Spuren hinterlassen hat: von China bis Brasilien und sogar auf dem Mond – auch wenn er die letzten beiden Orte nie persönlich besuchte.
Wenn es nach einigen Historikern geht, soll Marco Polo auch niemals in China, dem Reich der Mitte, gewesen sein. Zu fantasievoll und lückenhaft ist der Bericht über seine Reise vor 750 Jahren.
Doch wer war der Mann, der sich mit 17 Jahren auf eine nicht ungefährliche Reise ins Unbekannte wagte? Und welche Vorwürfe werden dem Entdecker zur Last gelegt?
Begegnung mit Fremden
Marco Polo erblickte im Jahr 1254 das Licht der Welt. Das exakte Datum und Geburtsort sind bis heute umstritten, weil es keine Aufzeichnungen in den Archiven gibt. Da er einer venezianischen Händlerfamilie entstammt, vermuten viele Forscher, dass Marco Polo in Venedig geboren wurde, wo er zudem die meiste Zeit seines frühen Lebens verbrachte.
Kaufmannsfamilien wie die Polos waren im venezianischen Mittelalter wesentlich am Ausbau des Fernhandels beteiligt und konnten dadurch einen beachtlichen Wohlstand erlangen. In Venedig erhielt Marco Polo eine für die damalige Zeit gute Ausbildung und beherrschte mindestens vier Sprachen. Außerdem standen klassische Literatur und Theologie auf dem Lehrplan.
Aber eines fehlte dem jungen Marco in seiner Kindheit: sein Vater Niccolò Polo. Dieser war vor der Geburt von Marco Polo zusammen mit seinem Bruder Maffeo zu einer ersten Reise nach China aufgebrochen. Erst im Alter von 14 Jahren, als seine Mutter bereits verstorben war und er bei Verwandten aufwuchs, sahen sich Vater und Sohn zum ersten Mal. Schnell war jedoch klar, dass das Wiedersehen nicht lange währte und sein Vater erneut nach China reisen musste.
Die Polos hatten ein Versprechen einzulösen, das sie dem in China regierenden Mongolenherrscher Kublai Khan, Enkel des berüchtigten Dschingis Khan, gaben. Der Mongole und Kaiser von China soll ein großes Interesse am christlichen Glauben und dem westlichen Wissen gehabt haben.
Auf seiner Anschaffungsliste für die Polos standen unter anderem Öl aus Jerusalem, Weihwasser und 100 Priester – nicht alles war erfüllbar. Nach nur zwei Jahren Kennenlernzeit entschied sich der 16-jährige Marco dazu, seinen Vater und seinen Onkel auf die weite Reise in den Osten zu begleiten. Mit dabei: ein Brief vom Papst, Öl und zwei Mönche.
Über Berge und durch die Wüste
Im Jahr 1271 begaben sich die Polos auf die Reise nach Cathay – das ist der frühere Name von Nordchina. Ihre Reise führte sie zunächst entlang des Kaukasus über Georgien in den Iran. Von dort wollten die Polos ursprünglich den schnelleren Seeweg nehmen.
Doch der Zustand der Schiffe war den Kaufleuten zu schlecht und eine Fahrt auf ihnen zu riskant. Zu gefährlich war auch den beiden Mönchen die Reise, weshalb diese umkehrten und die Polos alleine weiterreisen ließen. Auf dem Landweg ging die Reise über das Pamirgebirge und die Wüste Gobi, weiter entlang der Seidenstraße bis nach China.
1275 erreichte die Familie Polo schließlich nach vier Jahren und zwei längeren Pausen den Hof von Kublai Khan – Marco Polo war damals 21 Jahre alt. Am Hof des Kaisers blieben die Polos 17 Jahre lang. Besonders der junge Marco schien das Vertrauen des Herrschers gewonnen zu haben. So stellte der Khan den sprachbegabten Marco Polo in seine kaiserlichen Dienste und soll ihn für spezielle Anliegen durch Asien geschickt haben.
„Ich vermute, Marco war gebildet, wissbegierig und charmant“, erklärt Historikerin Susan Abernethy gegenüber „LiveScience“. „Er lernte, vier Sprachen zu sprechen, und zeigte eine große Neugier und Toleranz gegenüber seiner Umgebung und den Menschen, die er traf. Der Khan erkannte seine Talente.“
Gefährliche Rückkehr der Familie Polo
Zu Beginn der 1290er-Jahre erhielten die Polos schließlich widerwillig die Erlaubnis des Kaisers, wieder nach Hause reisen zu dürfen – inklusive des Goldes und der Juwelen, die sie während ihrer Zeit in China verdienten.
Als letzten Auftrag soll die Familie Polo eine mongolische Prinzessin zu ihrem Verlobten nach Persien begleiten. Während der zweijährigen Reise mit 14 Schiffen sollen 600 Passagiere aus nicht überlieferten Gründen verstorben sein. Zu den 18 Überlebenden gehörten die drei Polos und die Prinzessin.
Von Persien aus führte ihr Weg zunächst über Land in die heutige Türkei. Dort sollen sie ihr ganzes Gold an Räuber verloren haben, nicht aber die Edelsteine. Eingenäht in ihre Kleidung blieben diese versteckt vor fremden Augen und verschont.
Nach 24 Jahren und rund 24.000 Kilometern erreichte der nun 41-jährige Marco Polo mit seiner Familie schließlich wieder Venedig. Diese erste Reise von Marco Polo blieb zugleich auch seine letzte und einzige.
Sein Ruhestand verlief jedoch alles andere als ruhig. Als die Familie 1295 aus China zurückkehrte, befand sich ihre Heimat Venedig im Zwist mit der Handelsstadt Genua. Es folgte ein Gefecht auf See, bei dem Marco Polo eines der venezianischen Schiffe kommandierte und gefangen genommen wurde.
Kassenschlager aus dem Kerker
Im Gefängnis soll Marco Polo den ebenfalls inhaftierten Schriftsteller Rustichello da Pisa kennengelernt haben. Dieser schrieb fantasievolle Romane, beispielsweise über König Artus, und soll Polos Erlebnisse in dem französischsprachigen Buch „Die Wunder der Welt“ niedergeschrieben und 1299 nach seiner Freilassung veröffentlicht haben. Heute ist das Buch besser bekannt unter dem Titel „Die Reise des Marco Polo“ oder „Il Milione“.
Ob Rustichello und Polo sich tatsächlich kannten und gemeinsam im selben Gefängnis saßen, ist nicht eindeutig belegt, da es keine schriftlichen Belege gibt. Nachdem Polo ebenfalls aus der Haft entlassen wurde, heiratete er und bekam mit seiner Frau Donata drei Töchter.
Bis zu seinem Tod am 8. Januar 1324 war Marco Polo ein berühmter, aber gleichzeitig umstrittener Mann. Wie heute noch waren viele seiner Zeitgenossen skeptisch, ob der italienische Entdecker wirklich in China war oder seine Geschichte nur frei erfunden ist. Viele Menschen nannten Polo einen Lügner, da seine Ausführungen teilweise übertrieben und nicht mit dem Weltbild des mittelalterlichen Europäers vereinbar waren.
„Polos Buch war das, was wir einen Kassenschlager nennen würden, und machte ihn zu einem bekannten Mann“, so Abernethy. „Zunächst hielten viele das Buch für Fiktion, eher für eine ritterliche Fabel […]. Erst nach Polos Tod erkannte man, dass das Buch die Wahrheit über seine Reisen und seine Erlebnisse enthielt.“
Heute existieren rund 150 historische Kopien des Buches. Diese sind in unterschiedlichen Sprachen verfasst und weichen inhaltlich voneinander ab. Für Spekulation sorgen bestimmte Erwähnungen – und Dinge, die ungenannt blieben.
Marco Polo in China: Wahrheit oder Lüge?
Eine Kritik an Polos Reisebericht ist die Ausschmückung durch Fantasiewesen wie Einhörnern. Für den britischen Gelehrten Ronald Latham und die Historikerin Susan Abernethy könnte dies auch aus der Feder des Romanautors Rustichello stammen, der Polos Geschichte verschönert haben könnte.
Hinzu kommt, dass das Werk vor dem Buchdruck entstand und eine Vervielfältigung nur durch Abschreiben möglich war. Dabei können sich nicht nur Fehler eingeschlichen, sondern auch Textstellen weggelassen, ergänzt oder umgeschrieben worden sein, ohne dass dies heute nachvollziehbar ist.
Weiterhin bemängeln einige Forscher, dass die typische chinesische Kultur mit Tee und Essstäbchen unerwähnt bleibt. Laut dem Historiker Stephen G. Haw ist dies ein Phänomen, das auch für andere europäische Reisende der Zeit gilt. Und die Chinesische Mauer, die Marco Polo ebenfalls nicht erwähnt? Diese entstand in ihrer imposanten Form erst in der späteren Ming-Dynastie.
Bleibt noch die Frage, ob ein fremder Europäer einen so hohen Stellenwert bei einem mongolischen Herrscher erlangen konnte. Ja, glaubt der deutsche Sinologe Hans Ulrich Vogel. Demnach soll der Khan einem Fremden mehr vertraut haben als seinen chinesischen Untertanen. Dennoch ist der Name „Polo“ in den chinesischen Schriftquellen nicht zu finden.
Laut Haw müsse jedoch in Betracht gezogen werden, dass der lateinische Name auch ins Chinesische oder Mongolische übersetzt und entsprechend verändert wurde. „Wenn Marco Polo ein Lügner war, dann ein ausgesprochen akribischer“, glaubt Haw.
Das Erbe des Wanderers
Marco Polo war zwar nicht – wie vielfach angenommen – der erste Europäer in China, doch er hinterließ den ersten umfassenden Reisebericht in der Geschichte der Menschheit – die Fülle und Details für seine Zeit beispiellos.
Er selbst bezeichnete sich indes nie als Entdecker, sondern als Wanderer. Unvorstellbar ist dagegen die Idee von dem, was er nicht der Nachwelt überlieferte, denn am Sterbebett soll Marco Polo gesagt haben:
Ich habe nur die Hälfte von dem erzählt, was ich gesehen habe.“
Bis heute wird der Italiener mit Reisen und Entdeckungen verbunden. Es verwundert daher nicht, dass Busunternehmen in Brasilien, Brücken in China, Krater auf dem Mond oder deutsche Reiseführer nach Marco Polo benannt sind.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion