Forscher wandeln CO₂ in Proteine und Vitamine um

Mittels Erneuerbaren und CO₂ haben deutsche Forscher im Labor Proteine und Vitamin B9 gewonnen. Mit dieser neuen Technologie wollen sie nachhaltige und mit Mikronährstoffen angereicherte Proteinalternativen herstellen, die eines Tages auf unseren Tellern landen könnten.
Künstliche Proteine und Vitamine könnten bald vegane Produkte bereichern
Forscher haben Erneuerbare und CO₂ in Proteine und Vitamin B9 verwandelt, die eines Tages in Form künstlicher Produkte auf unseren Tellern landen könnten.Foto: monticelllo/iStock
Von 17. September 2024

Man nehme Kohlendioxid, Wasserstoff und Sauerstoff sowie Strom aus erneuerbaren Quellen – viel mehr brauchen ein Bakterium und klassische Bäckerhefe nicht, um im Labor Proteine und Vitamine für die menschliche Ernährung herzustellen.

Was nach Alchemie klingt, ist Forschern um Professor Lars Angenent von der Universität Tübingen mit einem ausgeklügelten Bioreaktor-System gelungen. Entstanden sind neben einem Protein auch das lebenswichtige Vitamin B9, auch Folsäure genannt. Die Neuentwicklung soll „als vegane Grundlage für Fleischersatz dienen, mit dem langfristig eine wachsende Weltbevölkerung klimaverträglich ernährt werden könne“, so die Forscher.

Folsäure, auch Vitamin B9 oder Vitamin M genannt, kommt reichlich in Hefe, Getreidekeimen, Linsen, Leber, dunkelgrünem Blattgemüse, Eigelb, Tomaten, Brombeeren oder Orangen vor. Foto: yulka3ice/iStock

Möglich sollen es die oft unterschätzten Mikroben machen, die eine riesige Vielfalt an Stoffen herstellen können. Dank der winzigen Helfer konnte der Mensch im Laufe der Zeit unter anderem die Herstellung von Bier, Wein und Käse vorantreiben.

Das neu vorgestellte System ist bereits der zweite, verbesserte Anlauf der Forscher. Als Erstes entwickelten die Forscher eine Technologie, bei der zwei verschiedene Mikroben nacheinander zum Einsatz kamen. Dabei reduzierte ein Clostridium-Bakterium zunächst Kohlendioxid mit Wasserstoff unter Luftabschluss zu Acetat, das mithilfe von Bäckerhefe schließlich unter Luftzufuhr zu Proteinen umgewandelt wurde. Dies funktionierte aber nur, wenn Mikroben bestimmte Vitamine, wie B9, zur Verfügung hatten.

„Vom Protein allein kann sich der Mensch nicht ernähren“, erklärte Angenent. „Daher wollten wir Vitamin B9 mitproduzieren.“ Ziel sei es, nicht mehr Vitamine in den Prozess einzuspeisen, als man herausbekommt.

Mikrobe aus tiefem See

Gemeinsam mit seinem Team tauschte Angenent das Clostridium-Bakterium der ersten Stufe gegen das Bakterium „Thermoanaerobacter kivui“ aus. Dieses wärmeliebende, anaerobe und nicht Sporen bildende Bakterium kommt in den Tiefen des Kiwusees in Zentralafrika vor und ist für seine Fähigkeit, Kohlenstoffdioxid zu speichern, bekannt.

Im Fall der Tübinger Forscher ist es zudem genügsamer als das Clostridium-Bakterium und kann die benötigte Folsäure selbst bilden. Noch mehr Vitamin B9 kann dann die Bäckerhefe im zweiten Schritt aus Zucker herstellen. Etwa sechs Gramm der produzierten und getrockneten Hefe würden einem Menschen als tägliche Vitamin B9-Dosis reichen. Doch vorerst ist die Tübinger Forschung sinnbildlich nicht in dem Topf, wo es kocht.

Bei unserem Produkt handelt es sich noch nicht um ein fertiges Lebensmittel, aber die Nahrungsmittelindustrie kann es dazu weiterentwickeln“, sagte Prof. Lars Angenent.

Zunächst müssten vor dem Verzehr bestimmte Stoffe aus der Hefe entfernt werden, die Gicht auslösen können. Außerdem muss das kleine Bioreaktor-System aus dem Labor in Anlagen eines viel größeren Maßstabs umgesetzt werden, was neue Probleme aufwerfen kann. Weiterhin fehlen Untersuchungen zur Lebensmittelsicherheit und Analysen, ob sich der Verkauf dieser Produkte finanziell lohnt.

Forscher wandeln CO2 in Proteine und Vitamine um

Das zweistufige Bioreaktor-System, in dem die Forscher die Hefe mit Proteinen und Vitamin B9 produzieren. Foto: Lisa Marie Schmitz | Universität Tübingen

Proteine der Zukunft?

Doch wie weit wollen die Forscher mit ihrer Entwicklung des Nahrungsmittelersatzes gehen? Werden synthetische Lebensmittel langfristig unseren Speiseplan füllen? „Mir geht es vor allem um die Reduzierung des Fleischkonsums“, erklärte Angenent. „Ich glaube, dass sich die Verbraucher an neue Produkte gewöhnen werden. Das geht auch über den Preis.“

Nach den Vorstellungen der Forscher könnte so der Anbau von Viehfutter sowie klimaschädliche Emissionen aus der Viehhaltung stark reduziert werden. Insgesamt werde aber sogar mehr Landwirtschaft gebraucht als bisher, ein möglichst ressourcenschonender Pflanzenanbau müsste ausgeweitet werden. Zudem sollten die Landwirte künftig für eine neue Verantwortlichkeit auch finanziell entlohnt werden: den Schutz der Böden und der Natur.

„Der wachsenden Weltbevölkerung droht Unterernährung, vor allem in Ländern, die unter Dürren leiden und deren Böden zu wenige Nährstoffe enthalten. Da könnten solche Ersatzprodukte wie die von uns erzeugten die Ernährungslage verbessern“, erläuterte Angenent. „Dass wir in unserem Bioreaktor-System mit einer hohen Rate gleichzeitig Proteine und Vitamine […] herstellen können, ist ein großer Erfolg auf diesem Weg.“

Künstliche Hefe mit viel Proteine und Vitamin B9

Die künstlich hergestellte, protein- und vitamin-B9-reiche Hefe könnte künftig als getrocknete Flocken auf ein veganes Nudelgericht gestreut werden. Foto: Lars Angenent | Universität Tübingen

Die Studie erschien am 12. September 2024 in der Fachzeitschrift „Trends in Biotechnology“.



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