Grüne Überraschung: Neue Studie zeigt ein untypisches Bild für das Klima

Schon wieder die Klimamodelle überarbeiten? Nachdem in Europa Millionen Geisterbäume aufgetaucht sind, gibt es das nächste grüne Wunder: Pflanzen können anscheinend mehr CO₂ speichern, als Forscher bislang dachten.
Überraschte Forscher: Pflanzen können mehr CO₂ aufnehmen als vermutet
Die Natur steckt voller Überraschungen und GeheimnisseFoto: iStock
Von 24. November 2023

Die Natur und ihre Pflanzen sind immer wieder für Überraschungen gut. Das haben auch Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Jürgen Knauer von der Western Sydney University (Australien) in ihrer neusten Studie bemerkt. Grund waren Berechnungen, die ein untypisch positives Bild für das Klima unseres Planeten ergaben.

Als Ausgangspunkt nutzen die Forscher ein Klimaszenario mit hohen CO₂-Emissionen. Mithilfe dessen wollten die Forscher herausfinden, wie die Pflanzenwelt den Kohlenstoff aufnimmt und welche Auswirkungen sich daraufhin bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ergeben. Das Ergebnis: Die irdische Vegetation könnte in der Lage sein, weit mehr atmosphärisches CO₂ aufzunehmen als bisher vorhergesagt.

Wichtige Mechanismen bei Pflanzen bislang ignoriert

Weltweit streben derzeit Regierungen die Verringerung der Kohlenstoffemissionen an, indem sie auf erneuerbare Energien, E-Autos oder Wärmepumpen setzen. In ihrer aktuellen Forschung bringen Knauer und seine Kollegen nun eine leichtere und wirtschaftlich schonendere Alternative ins Spiel:

„Pflanzen nehmen jedes Jahr eine beträchtliche Menge an Kohlendioxid auf und verlangsamen damit die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels. Das Ausmaß, in dem sie diese Speicherung auch in Zukunft fortsetzen werden, war jedoch bisher ungewiss“, so Knauer.

Frühere Schätzungen gehen dabei weit auseinander. So heißt es einerseits, das vom Menschen ausgestoßene CO₂ verbleibe Tausend(e) Jahre in der Atmosphäre. Andere Rechnungen deuten darauf hin, dass – ganz ohne Klimamaßnahmen – ein neues atmosphärisches Gleichgewicht erreicht wird.

Zwar berücksichtige ein auch vom IPCC in ihren Zukunftsszenarien verwendetes Klimamodell eine stärkere und anhaltende Kohlenstoffaufnahme bis zum Ende des 21. Jahrhunderts, allerdings wurde dabei ein wichtiger Mechanismus ignoriert. Dies übernahmen dafür Knauer und Kollegen in ihrer Studie.

„Wir haben Aspekte wie die Effizienz des Kohlendioxidtransports durch das Blattinnere, die Anpassung der Pflanzen an Temperaturschwankungen und die sparsamste Verteilung der Nährstoffe in den Pflanzenkronen berücksichtigt – drei wirklich wichtige pflanzliche Reaktionsmechanismen. Diese wirken sich auf die Fähigkeit der Pflanze aus, Kohlenstoff zu ‚binden‘ – etwas, das in den meisten Modellen ignoriert wird“, erklärt Knauer.

Vom Klimamodellierer zum Pflanzenflüsterer

Der zentrale dahinterstehende Prozess ist die allseits bekannte Fotosynthese, bei der aus Wasser, Kohlenstoffdioxid und Sonnenlicht schließlich Sauerstoff und Zucker wird. Was für die Pflanzen eine überlebenswichtige Nahrungsgrundlage darstellt, könne als „natürlicher Klimaschutzfaktor“ für die Menschen dienen.

Je mehr CO₂ vorhanden ist, desto prächtiger gedeihen nachweislich die Pflanzen. Diesen Effekt machen sich auch Gärtner zunutze, wenn sie das Gas in ihre Treibhäuser einleiten, um mehr oder größere Tomaten und andere Früchte zu ernten. In der Natur speichert die Pflanzenwelt einen Teil des zusätzlichen Kohlenstoffs in langfristigen Pools wie dem Holz wachsender Bäume und sich langsam zersetzenden organischen Stoffen im Boden. Auf diese Weise führt eine erhöhte CO₂-Konzentration zu einer zunehmenden Kohlenstoffsenke im Boden.

Lange Zeit war jedoch unklar, wie die Pflanzen im Rahmen ihrer CO₂-Speicherung mit unterschiedlichen Temperaturen und veränderten Niederschlagsmengen umgehen. Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass häufigere Klimaextreme wie Dürren die Speicherkapazität erheblich schwächen könnten.

Deswegen testeten die Forscher verschiedene Versionen ihres Modells, die sich hinsichtlich ihrer Komplexität und Realitätsnähe unterschieden. In der einfachsten Version wurden die drei wichtigen pflanzlichen Reaktionsmechanismen ignoriert, während die komplexeste Version alle drei Mechanismen berücksichtigt.

Klaffende Unterschiede

Die Ergebnisse zeigten schließlich, dass die Einbindung jedes einzelnen Prozesses einen stärkeren Anstieg der Kohlenstoffaufnahme vorhersagte. Jedoch verstärken sie sich auch gegenseitig, sodass die Auswirkungen noch größer waren, wenn sie in Kombination berücksichtigt wurden.

„Unsere Studie zeigt, dass die vollständige Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse […] zu wesentlich anderen Vorhersagen führen kann“, so Prof. Ben Smith, auch von der Western Sydney University. „Unsere Ergebnisse werden wahrscheinlich andere Forscher dazu anregen, ihre Modelle zu aktualisieren. Nur wenn sich eine repräsentative Reihe von Modellen über einen wichtigen Trend oder ein Muster einig sind, können wir uns auf sie als Richtschnur für die Politik verlassen.“

Für die Forscher bieten diese Erkenntnisse zudem Raum für naturbasierte Lösungen wie die Begrünung von Städten, das Aufforsten von Wäldern oder den Schutz von Naturgebieten. Das Pflanzen von Bäumen allein könne der Menschheit jedoch „keinen Freifahrtschein“ aus dem Klima-Gefängnis bieten, so Smith abschließend.

Die Studie erschien am 17. November 2023 im Fachmagazin „Science Advances“.



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