„Veganer Strom“ – Wälder abholzen zum Wohl der Tiere?
Strom aus Wind- und Wasserkraft gilt zwar weithin als erneuerbar¹, doch sowohl Windräder als auch Wasserturbinen sind dafür bekannt, dass sie Tieren schaden können. Die logische Schlussfolgerung ist „veganer Strom“, wie ihn ein Berliner Unternehmen anbietet. Dafür erhält der Kunde „mengenmäßig (bilanziell) Strom aus Solarkraftwerken mit Herkunftsnachweisen“. Auch nachts.
Wo vegan draufsteht, …
… sind keine tierischen Bestandteile enthalten. Duden definiert Veganismus als „[ethisch motivierten] völligen Verzicht auf tierische Produkte bei der Ernährung u. a.“, Wikipedia ergänzt: „Veganer verzichten auf alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs. Einige meiden darüber hinaus auch andere Tierprodukte (z. B. Leder) und lehnen weitere Formen der Nutzung von Tieren ab (z. B. Tierversuche).“
Diese Lebenseinstellung ist in keiner Weise zu kritisieren, denn der Schutz der Um- und Tierwelt ist zweifelsfrei wichtig. Nach beiden Definitionen muss indes festgehalten werden, dass Strom – grundsätzlich – vegan ist. Elektronen sind nicht tierischen Ursprungs. Mögliche Ausnahmen im weiteren Sinne der Nutzung von Tieren wären wohl das berühmte Hamsterrad, Zitteraale oder die nur sprachlich verwandten Wattwürmer.
Alle drei sind physikalisch-praktisch betrachtet allerdings unbrauchbar. Obwohl Zitteraale beachtliche Spannungen von 860 Volt erzeugen können und die kurzen Stromstöße ausreichen, um Angreifer abzuwehren oder Beute zu töten, kommen sie als Stromquelle eher nicht infrage.
Wie das Vergleichsportal Verivox vor drei Jahren berechnete, müsste man „um eine Kilowattstunde Strom im Wert von rund 30 Cent zu erhalten, etwa 119.000 Zitteraale eine Stunde lang zu Höchstleistungen anspornen“.
Der in diesem Zusammenhang getätigten Aussage, dass das nicht tierfreundlich wäre, kann vermutlich jeder zustimmen.
Erneuerbare Energien nicht alle tierfreundlich
Ob sogenannte vegane Produkte indes immer unschädlich für Tiere sind, darf bezweifelt werden. So gibt es „vegane Mode“, deren Kunstfasern sich nachweislich in der Natur ablagern und nachweislich Flora und Fauna schädigen. Auch beim veganen Strom ist fraglich, inwiefern er tatsächlich tierisches Leiden verhindert – und was man als Tierleid betrachtet.
Die GreenStone Energy GmbH, die Firma, die hinter dem veganen Strom aus Berlin steht, wirbt unter anderem mit „100% Öko“, „in Kooperation mit PeTA“ und „Tierwohl“. Dazu schreibt man auf der Website mehrfach, „bei Photovoltaik, Gezeitenkraft und Geothermie kommen keine Tiere zu Schaden. Wir möchten Ökosysteme und Lebensräume bewahren, denn alle Lebewesen verdienen unseren Respekt“.
Dass Windkraftanlagen fliegenden Tieren schaden, ist inzwischen nachgewiesen. Anders als an Wasserkraftwerken können Rechen und Barrieren die Tiere nicht von den Anlagen fernhalten, sodass man in den Niederlanden dieses Jahr erstmals Windkraftanlagen während des Vogelzuges abgeschaltet hat.
Dies belegt, dass Windkraftanlagen Lebensräume zumindest trennen, weshalb der Berliner Anbieter VeganStrom auf diese Quelle verzichtet. Ebenfalls verzichtet man auf Biomasse, da diese „Monokulturen und Massentierhaltung unterstützen“.
„Lebensräume bewahren“
Aber auch Solaranlagen sind mitunter nicht tierfreundlich. In Brandenburg sollen 370 Hektar Wald einem Solarpark weichen, wogegen sich Widerstand regt. Unter dem Motto „Erneuerbare Energien ja – aber nicht so!“ fordern auch Bürger in Spanien, dass im Rahmen der Energiewende unter anderem Rücksicht auf die Natur genommen werden müsse.
Zugleich heißt es auf der Firmenwebsite, dass veganer Strom Rückzugsräume für bedrohte Arten fördert. Als konkreter Vorteil wird die „extensive Doppelnutzung bei Solarparks“ angegeben, sprich Tiere können um und unter den Anlagen leben. In der Realität grasen unter den bis zu 70 °C heißen Solaranlagen oft Schafe, Esel oder Rinder, die oft auf dem Teller landen.
Zwar stellen Photovoltaikanlagen „keine Todesfallen für fliegende Tiere dar“, vom Bewahren von Lebensräumen kann damit jedoch nicht ausgegangen werden. Fragen der Epoch Times an VeganStrom, wie Abholzung und Nutztierhaltung mit dem Erhalt von Lebensräumen beziehungsweise dem Tierwohl vereinbar seien, blieben bislang unbeantwortet.
Bezüglich der gleichfalls als „vegan“ bezeichneten Gezeitenkraftwerke bleibt zu ergänzen, dass es sich hierbei ebenso um Turbinen, Wasserräder oder Propeller handelt. Selbst wenn sich diese langsam drehen, können Vibrationen Tiere vertreiben. Damit derartige Kraftwerke effizient arbeiten, müssen zudem oftmals große Buchten durch Dämme abgetrennt werden, was wiederum Lebensräume zerstört.
Woher kommt veganer Strom?
Strom kommt bekanntlich aus der Steckdose, das ist auch bei veganem Strom nicht anders. Ebenfalls identisch ist das Stromnetz, durch das Kohlestrom, importierter Atomstrom, erneuerbarer und veganer Strom fließen.
Grün oder vegan ist Strom letztendlich nur „auf dem Papier“ durch sogenannte Herkunftsnachweise. In Deutschland ist dafür das Umweltbundesamt zuständig, es betreibt ein Herkunftsnachweisregister. Die Behörde stellt digitale Zertifikate aus, die die „grüne“ Herkunft des Stroms bestätigen; Zertifikate für eine Megawattstunde produzierten Stroms aus Sonne, Wind, Wasser oder Biomasse. Diese erhält der Stromerzeuger und kann sie anschließend – unabhängig von seinem Strom – verkaufen, europaweit.
So erhält beispielsweise ein Stromanbieter auf Island, der ausschließlich Wasserkraftwerke betreibt, für seinen Strom Herkunftsnachweise. Diese kann er an einen deutschen Stromanbieter verkaufen, der nun wiederum damit werben kann, er verkaufe (isländischen) Ökostrom.
Der Betreiber der Wasserkraftwerke muss im Gegenzug behaupten, er produziere und vertreibe Strom aus anderen Quellen, obwohl das physikalisch Unsinn ist, denn das Land im Nordatlantik hat ein völlig autarkes Stromnetz. Eine Verbindung mit dem europäischen Festland gibt es nicht. Dadurch erhalten die Isländer weiterhin 100-Prozent Strom aus Wasserkraft, womit sie ebenfalls werben können. Der Ökostrom wird somit doppelt abgerechnet.
VeganStrom schreibt in den „Häufigen Fragen“ auf seiner Website: „Mit Solaranlagen wird nur tagsüber Strom erzeugt. Woher kommt nachts die Energie her?[sic].“ Die Antwort besagt, dass man tagsüber so viel Solarstrom aufnehme, „dass es mengenmäßig (bilanziell) dem gelieferten Strom entspricht. Den Nachweis der Mengengleichheit hierfür erbringen wir durch Herkunftsnachweise.“ Damit bleibt die Stromherkunft unklar. Die diesbezügliche Nachfrage der Epoch Times blieb unbeantwortet, ebenso die Frage, woher die Herkunftsnachweise kommen.
Umweltschutz ist unbezahlbar
Mit anderen Worten, der Wechsel des Stromanbieters ändert absolut gar nichts an dem Strom, den Verbraucher physikalisch nutzen. Das gilt unabhängig vom Anbieter. Wer anderen Strom haben möchte, muss ihn selbst erzeugen und in einem getrennten Stromnetz verteilen. Kleine und größere Versuche dazu sind in der Vergangenheit mehrfach gescheitert.
Bezüglich der Kosten schreibt VeganStrom: „Ökostrom muss nicht zwangsläufig teuer sein. Im Vergleich zu den Grundversorgern ist das Preisniveau von Ökostromanbietern wie VeganStrom oftmals sogar günstiger. Darüber hinaus werden bei Atom- sowie Kohlestrom externe Kosten wie Umweltschäden oder Endlagerungskosten für Atommüll nicht im Preis berücksichtigt. Nichtsdestotrotz muss die Gesellschaft einen Großteil dieser Kosten mittragen.“
Rechne man all dies mit ein, wäre „der Preis für konventionellen Strom […] deutlich höher als der von Ökostrom“. Weil es beim Umweltschutz um nichts Geringeres geht als „den Fortbestand unserer Gesellschaft und unseres Planeten“, ist man bei VeganStrom der Meinung, dass dieser „nicht in Geldeinheiten messbar ist!“. Schließlich stellt der Endkunde bei einem kurzen Blick in Vergleichsportale dann doch fest, dass veganer Strom teurer ist als anderer.
Geschickte Auswahl der Informationen
Sowohl der Preisunterschied zu den Grundversorgern als auch die externen Kosten sind korrekt. Verschwiegen wird jedoch, dass Grundversorger die teuersten Tarife haben und damit praktisch alle Wettbewerbsanbieter günstiger sind, egal ob vegan, öko oder nicht.
Während weiterhin die externen Kosten von Kohle und Kernkraft angesprochen werden, bleiben die – bis heute weitgehend unerforschten – Umweltauswirkungen der Solarenergie unerwähnt, ebenso wie der vergleichsweise hohe Ressourcen- und Flächenverbrauch dieser Energieform. Auch das Recycling von Solarmodulen ist alles andere als serienreif.
[1] Der Begriff „erneuerbare Energien“ hat sich zwar gesellschaftlich etabliert, nach dem Energieerhaltungssatz ist Energie aber grundsätzlich nicht erneuerbar. Sie kann nur umgewandelt werden.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion