Grüner Windpark-Mixer: Deutsche Windräder vernichten 5 Milliarden Insekten – täglich!
Immer wieder wird über die Wirkung der Windkraftanlagen berichtet. Nun brachte ein Expertenteam, bestehend aus Dr. Franz Trieb vom Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart, Dr. Thomas Gerz vom DLR in Oberpfaffenhofen und Dr. Matthias Geiger vom Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere in Bonn eine Studie heraus. Sie untersuchten die Wechselwirkung von Fluginsekten und Windparks, die sich mit dem sogenannten „Insektenschlag“ beschäftigt.
Ausgewachsene, flugfähige Insekten suchen kurz vor der Eiablage in großen Schwärmen hohe, schnelle Luftströmungen auf, um sich vom Wind zu entfernten Brutplätzen tragen zu lassen.
Die Jahrmillionen alten Pfade, die sie dabei nutzen, werden seit etwa 30 Jahren zunehmend von den Rotoren großer Windkraftanlagen gesäumt, deren Rotorblätter mit Blattspitzengeschwindigkeiten von mehreren hundert Stundenkilometern die Luft durchschneiden.“
Insekten legen Windräder lahm
Beobachtungen und Messungen stellten weltweit hohe Insektenkonzentrationen im Höhenbereich zwischen 20 und 220 Metern über Grund fest. Auf dieser Höhe befinden sich auch die Rotoren von Windkraftanlagen. Der sogenannte Insektenschlag, bei dem die Tiere durch das Hineinfliegen oder Berühren der Anlage getötet werden, konnte die Leistung von Windkraftanlagen im Jahr 2001 um bis zu 50 Prozent verringern.
Den Anlass zur Studie im Jahr 2017 gaben massiv verschmutzte Rotorenblätter. Überreste von Fluginsekten verunreinigten diese, was zu einem „weltweiten Aufbau einer Reinigungsindustrie für Rotorblätter“ führte, so Dr. Franz Trieb in der Studie.
Die drei Experten ermittelten, dass die Rotoren der rund 31 000 Windenergieanlagen in Deutschland eine Fläche von ungefähr 158 Millionen Quadratmetern im Jahr 2017 einnahmen. Die mittlere Auslastung der Anlagen und die Windgeschwindigkeit führten zu der Aussage, dass während der Insektenflugsaison von April bis Oktober etwa acht Millionen Kubikkilometer Luft durch die Anlagen wehen – das ist das Zehnfache des deutschen Luftraums bis 2.000 Meter Höhe.
5 bis 6 Milliarden tote Insekten täglich
Ein Kubikkilometer Luft enthalte etwa neun Kilogramm Insekten, von denen die meisten eine Begegnung mit einer Windkraftanlage überlebten, erläutern die Forscher weiter. 24.000 Milliarden Insekten durchfliegen pro Jahr die Rotoren in Deutschland. Doch fünf Prozent von ihnen, eben rund 1.200 Tonnen, fallen rechnerisch den Windrädern zum Opfer. Das entspreche fünf bis sechs Milliarden Heuschrecken, Bienen, Wespen, Zikaden und Käfern an jedem Tag der warmen Saison.
Die Autoren machen selbst darauf aufmerksam, dass sie nicht genau sagen können, wie sehr sich die Verluste auf die gesamte Insektenpopulation auswirken. Auch könnten sie keine Vergleiche zu anderen potenziellen Ursachen für die rückläufige Insektendichte wie den vermehrten Einsatz von Pestiziden, die Urbanisierung oder den Klimawandel ziehen.
158 Seeadler geopfert
Schon länger bekannt ist, dass Windkraftanlagen Vögeln und Fledermäusen zum tödlichen Verhängnis werden können. In Europa leben laut Monitoring-Programmen rund eine halbe Milliarde Vögel weniger als vor 40 Jahren. Eine seit 2002 geführte Statistik des Landesamtes für Umwelt in Brandenburg listet 3900 tote Vögel auf, die dem Amt aus ganz Deutschland gemeldet wurden. Darunter sind viele häufige Arten wie Möwen, Tauben und Enten, aber auch seltene Greifvögel wie Rotmilane und Wanderfalken. Sie haben keine Chance gegen Rotorblätter, die an der Spitze mit fast 400 Kilometern pro Stunde durch die Luft schneiden können. Allein 158 Seeadler fielen dem Register zufolge in den vergangenen Jahren Windrädern zum Opfer, bei aktuell rund 800 Brutpaaren in Deutschland
„Problemlöser“ Windrad?
„Es gibt zur Wechselwirkung zwischen Windkraft und Insektenmigration bislang nur wenige Untersuchungen“, sagte Matthias Geiger vom Zoologischen Forschungsmuseum. Alexander Koenig (ZFMK) in Bonn, das zum Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere gehört: „Das, was es gibt, hat das DLR allerdings zutreffend zusammengefasst.“
Einen wirtschaftlichen Aspekt wirft Wolfram Axthelm vom Bundesverband Windenergie ein. Er ist der Auffassung, dass Windenergie Strom ohne CO2 und andere Emissionen erzeugt, die als „essenzielle Gefährdung für die Insektenpopulationen anerkannt sind“. Im vergangenen Jahr seien in Deutschland durch die Windenergie 172 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart worden. „Axthelm sagt: „Windenergieanlagen sind im Zusammenhang der Artenentwicklung von Insekten also als Problemlöser zu verstehen, nicht als Problemursache.“
Thomas Schmitt, Direktor am „Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut“ (SDEI) teilte auf Nachfrage mit, er habe das DLR-Papier bislang nur „im Schnelldurchgang“ durchsehen können:
Hierbei kam mir die Analyse sauber vor.“
Nur ein paar Käfer?
Selbst wenn rein rechnerisch 1.200 Milliarden Fluginsekten pro Jahr von den Rotorenblättern getroffen werden oder beim Durchfliegen der Anlage sterben, so geht die Rechnung vielleicht noch nicht ganz auf.
Wie hoch wäre der jährliche Verlust an Insekten, wenn der potentielle Nachwuchs jenes Käfers, jener Biene, die sich auf dem Weg gemacht hat, um ihre Eier abzulegen, mit eingerechnet werden würde? Manche Käfer legen 200 bis 300 Eier ab. Wie viele Fluginsekten wären dann betroffen?
Diese Größenordnung könnte relevant für die Stabilität der gesamten Fluginsektenpopulation sein und ist sicherlich relevant für den Artenschutz.
Verträglichkeitsnachweise von Betreibern fordern
Obwohl der Rückgang der Fluginsekten seit den 1990er Jahren sicherlich viele Gründe hat, ist ein Beitrag zur Minderung der Verluste auch von Seiten der Windenergienutzung wünschenswert, insbesondere da hier ein hohes Vermeidungspotential von bis zu 3.600 Tonnen pro Jahr besteht.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Maßnahmen zur Vermeidung des Insektensterbens durch Windkraftanlagen getroffen werden müssen,
es sei denn man wolle Verluste dieser Größenordnung weiterhin ungeprüft und unbesehen in Kauf nehmen.“
Nach über 30 Jahren Windenergie müssen Betreiber von Windkraftanlagen keinen Verträglichkeitsnachweis gegenüber im Luftraum durchquerender Fluginsekten vorlegen. Dies „steht im Konflikt mit dem in Artikel 20a des Grundgesetzes verankerten Vorsorgeprinzip.“
In Artikel 20a Grundgesetz heißt es:
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“
Der Verlust von 3.600 Tonnen Insekten jährlich könnte in Deutschland vermieden werden, wenn ernsthafte Studien fortgeführt und entsprechende Maßnahmen getroffen werden. (dpa/dts/sua)
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