Pilotprojekte der Energiewende: Drei gescheiterte Versuche und ein Kraftakt
Energieautarkie – das ist ein entscheidender Faktor für die Umsetzung der Energiewende. Dafür gab es in den vergangenen Jahren bereits mehrere Feldversuche, wobei einzelne Gebiete wie Inseln oder Dörfer versuchten, sich komplett eigenständig mit Strom zu versorgen. Jedoch im Sinne der Energiewende mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen.
Dipl.-Ing. (Physik) Peter Würdig stellte auf einem Vortrag bei der diesjährigen EIKE-Konferenz (Europäisches Institut für Klima und Energie) drei gescheiterte Feldversuche zur Energiewende vor. Darüber hinaus bezeichnet sich eine kleine Gemeinde in Brandenburg als energieautark – der Ortsteil Feldheim der Stadt Treuenbrietzen. Doch ist dieser Ortsteil tatsächlich autark oder benötigen die Verbraucher gelegentlich Hilfe von außerhalb?
Drei Inseln, drei Pleiten
Die Theorie ist wichtig, allerdings ist das entscheidende Kriterium stets das Experiment in der Praxis, welches die Theorie bestätigt – oder eben nicht. Mit dieser Aussage ging der Physiker zu seiner wissenschaftlichen Analyse der momentanen deutschen Energiewende über.
Die Theorie ist die Energiewende, also die Vorstellung, man kann ein Land mit Sonnen- und Windenergie versorgen“, erklärte Würdig.
Das Problem ist, Wind und Sonnenenergie haben Spitzenzeiten und Zeiten, in denen diese Kraftwerke bei Licht- oder Windmangel deutlich unter dem Bedarf oder gar keine Energie produzieren. Für diese Mangelzeiten müssten die Anlagenbetreiber die Energie aus den Überschusszeiten also zwischenspeichern, schilderte Würdig.
Dabei erwähnte er den klassischen Plattenkondensator als Speichermedium, sowie eine Photovoltaikanlage auf einem Einfamilienhaus mit handelsüblichen 8 bis 10 Kilowatt Spitzenleistung. Um den Strombedarf einer einzigen Familie mit solch einer PV-Anlage effektiv speichern zu können, wäre laut dem Ingenieur ein Plattenkondensator von der Größe der gesamten Erdoberfläche nötig. Somit brauche es hier andere Speichermethoden.
Als einzige realistische Möglichkeiten nennt Würdig drei Speicher- oder Energieumwandlungssysteme. Drei Inseln haben sie ausprobiert. Diese galten als praktische Feldversuche der Energiewende, also die Experimente, die die Theorie bestätigen […] sollten.
Utsira – Erster Rückbau nach 6 Monaten
Die erste Insel ist Utsira in Norwegen. Das Feldexperiment sollte, anders als man annehmen könnte, nicht die gesamte Insel versorgen, sondern lediglich zehn Haushalte. Ab dem Jahr 2004 setzte die Insel auf Windenergie und einen Schwungradspeicher. Dieser sollte eine fortwährende Netzstabilität gewährleisten. Weitere Komponenten des Energieerzeugungssystems basierten auf Wasserstoff, eine Elektrolyseeinheit mit Wasserstofftank, eine Brennstoffzelle und ein Wasserstoffmotor mit Generator.
Der Betreiber musste die Brennstoffzelle jedoch nach einem halben Jahr wieder abbauen. Nach weiteren eineinhalb Jahren, also im Jahr 2006, wurden alle weiteren Komponenten demontiert.
Das funktioniere einfach nicht“, wie Würdig sagte.
Pellworm – Hundespielplatz statt Energiewende
Etwa acht Jahre nach dem gescheiterten Autarkieversuch auf Utsira unternahm E.ON einen neuen Anlauf. Auf der nordfriesischen Insel Pellworm installierte der Energiekonzern im Jahr 2014 ein Konzept bestehend aus Photovoltaik-, Windkraft-, Biogasanlagen sowie großen Batterien. Die Betreiber wollten die rund 1.200 Inselbewohner autark versorgen.
Würdig schaute sich die Anlage im Herbst 2014 selbst an und sprach auch mit Inselbewohnern. Manche sagten laut Würdig: „Das ist doch alles Käse, wir werden doch eh nur belogen. Wer macht denn da schon mit?“
Würdig recherchierte nach seinem Inselbesuch, wie effektiv dieses Konzept ist. Nach hartnäckigem Nachfragen erhielt er folgende Zahlen: Die Versorgungssicherheit wurde mit 97 Prozent angegeben. Was sich zunächst nach einem sehr guten Wert anhört, bedeutet aber eine gewisse Lücke.
So wurde der Referent damals über eine durchschnittliche Stromausfall-Dauer von 14 Minuten pro Tag informiert. Laut einem Bericht der „Welt“ wären es rein rechnerisch sogar 43 Minuten pro Tag gewesen. Würdig erklärte, dass manche Tage mit günstigen Bedingungen ausfallfrei seien, andere Tage hätten jedoch mehrere Ausfälle.
Zum Vergleich, durchschnittlich 14 Minuten Stromausfall ist auch für den Rest Deutschlands die Regel – allerdings im gesamten Jahr.
Getreu dem Motto „man kann viel machen, man muss es sich nur leisten können“ führte Würdig die Kosten des Feldversuchs auf. Der Feldversuch Pellworm verursachte Energiekosten von 60 Cent pro kWh. Zum Vergleich: Die kWh durch Braunkohle kostet in der Erzeugung lediglich 3 Cent.
Der gesamte Anlagenbau kostete damals rund 12 Millionen Euro. Dieses Geld bezeichnete Würdig als „verpulvert“. Längst haben die Betreiber das Projekt aufgegeben. Wie Würdig in Erfahrung brachte, wurden die Container mit den Speichereinheiten entfernt, die Fläche zu einem Hundespielplatz umfunktioniert. Das zeige erneut, dass Wind- und Photovoltaik-Anlagen es allein noch nicht schaffen, ein dauerhaft stabiles Stromnetz zu moderaten Preisen aufrechtzuerhalten.
El Hierro – 90 Millionen, um zu zeigen, dass es nicht klappt
Aus Zeitgründen nannte Würdig das dritte Inselprojekt nicht mehr. Erwähnenswert ist es aber allemal. Bereits um die Jahrtausendwende förderte der damalige Vizepräsident der westkanarischen Insel El Hierro, Javier Morales, die Idee, dort eine 100 Prozent regenerative Energieversorgung zu realisieren.
Bis zum Jahr 2014 war der Feldversuch fertiggestellt. Laut einem Bericht von „LaPalma1.net“ schaffte die Insel die 100 Prozent nicht. Lediglich zu rund 60 Prozent der Energie kommen aus Wind- und Wasserkraft, unterstützt von einem Speicherbecken. Die fehlenden 40 Prozent erzeugt ein Dieselkraftwerk. Analysen zeigen rückblickend, dass das Projekt von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war. Der Speichersee hätte mindestens das fünffache Volumen messen müssen. Andere Quellen sprechen vom 20-fachen. Beides ist geologisch auf der Insel nicht umsetzbar.
Der Kostenaufwand belief sich bis zum Jahr 2019 auf fast 90 Millionen Euro. Bleibt die Frage, ob diese Investition in einem gesunden Verhältnis steht. Auch die laufenden Folgekosten sind nicht zu unterschätzen. Der Strompreis bereitete den Einwohnern von El Hierro in den Folgejahren keine Freude. Anfang 2016 soll die kWh auf der Insel 81 Cent gekostet haben. Auf dem spanischen Festland lag der Preis zu dieser Zeit bei 24 Cent.
Feldheim – Ein Windrad pro Einwohner […] ist nicht genug
Aktuell bezeichnet sich die brandenburgische Gemeinde Feldheim als das erste energieautarke Dorf Deutschlands. Wie Doreen Raschemann, Vorsitzende von „Förderverein des Neue-Energien-Forum Feldheim“, Epoch Times mitteilte, umfasst die Versorgung 130 Einwohner in 37 angeschlossenen Haushalten sowie je zwei Gewerbeeinheiten und kommunale Einheiten.
Auf der 15,7 km² großen Gemarkung stehen 55 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 122,6 MW. Das entspricht 3,5 Anlagen pro Quadratkilometer oder eine Anlage pro 40 Fußballfelder – unabhängig davon, ob auf dem „Spielfeld“ ein Haus steht oder gegärtnert wird.
Ein Blick auf die Karte zeigt zudem, einerseits, dass die Anlagen deutlich mehr Raum einnehmen, als das eigentliche Dorf. Andererseits erstreckt sich der Windpark deutlich über die Ortsgrenzen hinweg und umfasst 117 Windkraftanlagen. Der ebenfalls in der Gemarkung Feldheim liegende Ortsteil Schwabeck ist übrigens nicht Teil des lokalen Versorgungsnetzes.
Die Nachfrage von Epoch Times, ob Feldheim Energie aus dem gesamten Anlagenpark beziehe, blieb unbeantwortet. Stattdessen bekräftigte Raschemann, man könne „ca. 55.500 Haushalte versorgen“. Der übrige Strom werde ins öffentliche Netz eingespeist und könne so auch in Berlin oder Potsdam verbraucht werden.
Bei guten Wetterbedingungen reicht also bereits der Bruchteil der von nur einer Windenergieanlage generierten Energie für den gesamten Ort. Bei Flaute reichen jedoch alle 55 respektive 117 Anlagen nicht. Mit anderen Worten, auch fast eine Windkraftanlage pro Einwohner reicht nicht für die gesicherte Stromversorgung.
Günstiger Strom dank Subventionen?
Feldheim könne aber zu 100 Prozent über die örtliche Biogasanlage mit Strom versorgt werden, erklärte Raschemann. Als weitere Unterstützung stehe auf einem ehemaligen Militärgelände in Feldheim eine nachgeführte Photovoltaikanlage mit einer Maximalleistung von 2,25 MW. Der jährliche solare Ertrag beläuft sich auf rund 2.750 MWh.
Neben der elektrischen Leistung von 526 kW könne die Biogasanlage auch eine Wärmeleistung von 560 kW erzeugen. Zusammen mit einer zentralen Holzhackschnitzelheizung mit einer thermischen Leistung von 299 kW soll so auch die Wärmeversorgung der Gemeinde gesichert sein.
„Für die eigenständige Versorgung des Dorfes mit Strom und Wärme wurden eigene Netze gebaut und eine Gesellschaft der Feldheimer gegründet, die Feldheim Energie GmbH & Co KG. Jeder Feldheimer, der sich anschließen wollte, habe 3.000 € in die Gesellschaft eingezahlt, 1.500 € für Strom und 1.500 € für den Wärmeanschluss. Der Bau des Wärmenetztes inklusive Zusatzheizung und Wärmespeicher kostete 1.725.000 €, das Stromnetz ca. 450.000 €“, erklärte Raschemann.
Wie der „Tagesspiegel“ berichtete, sind die Energiekosten für die Dorfbewohner außergewöhnlich günstig. Sie zahlen demnach 7,5 Cent pro kWh Wärme und rund 12 Cent pro kWh Strom. Raschemann bestätigte diese Preise, zu denen jeweils eine Grundgebühr für Strom und Wärme dazukommt. Mögliche staatliche Fördermittel, Bau- und Instandhaltungskosten finden keine Erwähnung.
Wie groß der staatliche Zuschuss sein könnte, zeigt ein kurzer Überschlag: 3.000 Euro Anschlussgebühren von 130 Einwohnern ergibt nach Adam Riese maximal 390.000 Euro. Damit bleibt eine Finanzierungslücke von knapp 1,8 Millionen Euro für Wärme- und Stromnetz. Abgesehen davon, mussten nicht 130, sondern maximal je 37 Anschlüsse (Haushalte) realisiert werden.
Energieautark und trotzdem abhängig
Zusätzlich befindet sich am Ortsrand von Feldheim ein sogenanntes Regelkraftwerk, eine große Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 10.700 kWh. Diese könnte Feldheim theoretisch auch während Stromausfällen versorgen, allerdings regelt das Batteriekraftwerk nicht das Feldheimer Netz.
Wie Raschemann auf Nachfrage mitteilte, „stellt [es] Regelenergie am Primärenergieregelleistungsmarkt zur Verfügung“. Es hilft also, die überregionale Netzfrequenz von 50 Hz zu stabilisieren. Maßnahmen, um Feldheim versorgen zu können, seien in Planung. Die von Epoch Times gestellten Fragen „Wie hoch ist die durchschnittliche jährliche Ausfallzeit der Stromversorgung bei den Endkunden im Dorf?“ und „Was passiert in Feldheim, wenn in Brandenburg die Lichter ausgehen?“ blieben wiederum unbeantwortet.
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