Zwei Wege, ein Ziel: Bundestag debattiert erstmals über AfD-Verbot
Nach Informationen des „Tagesspiegel“ wird es voraussichtlich nicht gleich zu einer finalen Abstimmung kommen: Die Anträge würden nach der Aussprache wohl in den Innenausschuss des Bundestags verwiesen. Sollte der Ausschuss die Anträge später nicht wieder zurück ins Plenum transferieren, wäre die Angelegenheit laut „Tagesspiegel“ erledigt.
Erster Antrag: Antragsausarbeitung für das Bundesverfassungsgericht
Beim ersten Antrag handelt es sich um einen Vorstoß einer fraktionsübergreifenden Gruppe von Abgeordneten um den sächsischen CDU-Politiker Marco Wanderwitz, der sich inzwischen 124 MdBs anschlossen. Bei Antragstellung Mitte Dezember 2024 waren es noch 113 Abgeordnete gewesen.
Im Kern geht es zunächst darum, ob das Parlament das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (BVerfG) überhaupt beauftragen soll, eine mutmaßliche Verfassungswidrigkeit der AfD zu prüfen (BT-Drucksache 20/13750, PDF).
Laut Beschlussvorlage soll Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in einem ersten Schritt dafür sorgen, dass die Nachrichtendienste von der AfD abgezogen werden, um eine „strikte Staatsfreiheit“ in einem möglichen Verbotsverfahren garantieren zu können – als Grundvoraussetzung für ein späteres, „unbehebbares“ BVerfG-Urteil. Nach Sicherstellung der Staatsfreiheit soll die Bundestagspräsidentin Verfahrensbevollmächtigte bestimmen, die eine finale Antragsschrift für das BVerfG auszuarbeiten und einzureichen hätten.
Sollte der Bundestag den Antrag demnächst mehrheitlich beschließen, wäre es nach Einschätzung des „Verfassungsblogs“ allerdings immer noch ein weiter Weg, bis die Karlsruher Richter eine offizielle Antragsschrift in Händen halten – und womöglich Jahre später urteilen könnten.
AfD sieht Verbotsanträgen „gelassen entgegen“
Bereits vor einigen Tagen hatte ein Sprecher der AfD-Bundestagfraktion auf Anfrage der Epoch Times mitgeteilt, dass der Wanderwitz-Antrag nichts an der Haltung seiner Fraktion geändert habe:
Ein mögliches Verbotsverfahren entbehrt jeder Grundlage. Dem nun im Bundestag eingereichten Antrag sehen wir daher gelassen entgegen.“
Zweiter Antrag: Gutachten einholen
Beim zweiten Verbotsantrag handelt es sich um eine Initiative aus den Reihen der Grünenfraktion, die am 6. Dezember 2024 eingereicht worden war. Nach Angaben des Bundestags hatten sich 43 Unterzeichner angeschlossen.
Ihr Bestreben dreht sich darum, zunächst die Erfolgsaussichten eines etwaigen Verbotsantrags ausloten zu lassen. Dazu soll die Bundestagspräsidentin in einem ersten Schritt Gutachter bestimmen. Außerdem soll die Bundesregierung aufgefordert werden, diesen Gutachtern Zugang zu allen sachdienlichen Informationen zu gewähren. Sämtliche Bundesbehörden sowie die 16 Landesregierungen sollen dabei Unterstützung leisten, wie es im Antrag zum Ausdruck kommt (BT-Drucksache 20/14105, PDF).
Ob ein Verbotsverfahren gegen die AfD in einem zweiten Schritt eingeleitet werden soll, solle der Bundestag „zeitnah“ entscheiden, sobald das finale Prüfungsgutachten vorliegt. Erst nach einem mehrheitlichen Ja im Bundestagsplenum soll dem Gebot der „strikten Staatsfreiheit“ Rechnung getragen werden.
Der „grüne“ Antrag hätte aus Sicht ihrer Antragsteller den Vorteil, dass die AfD weit länger vom Verfassungsschutz beobachtet werden dürfte – beim Antrag der Wanderwitz-Gruppe wäre es damit deutlich schneller vorbei.
Grüne hatten Zweifel über den aussichtsreichsten Weg
Nach einer Recherche des österreichischen „Freilich-Magazins“ (FM) war der Beschlussvorlage im Umfeld von Renate Künast, der treibenden Kraft hinter dem Vorstoß, eine kontroverse Zoom-Debatte (Protokoll) vorausgegangen. Ein ausgewählter Kreis zum Teil bekannter SPD- und Grünen-Politiker habe sich darin mit juristischen Fallstricken auseinandergesetzt.
Hintergrund waren die Bedenken des Berliner Verfassungsrechtlers Prof. Christoph Möllers, einem Rechtsberater der Gruppe. Dieser hatte das Wanderwitz-Antragspapier nach FM-Angaben im Vorfeld als „fragwürdig“ und „unbegründet“ eingeschätzt. Grundsätzlich habe Möllers es „irgendwie auch schon krass“ gefunden, dass jemand „eine Partei mit zweistelligen Zustimmungswerten wie die AfD“ verbieten lassen wolle.
Für die 69-jährige Renate Künast geht ihre Zeit im Bundestag übrigens am 23. Februar 2025 zu Ende: Sie hatte eine erneute Kandidatur ausgeschlossen. Auch Marco Wanderwitz wird sich auf eigenen Wunsch zurückziehen.
Warten auf die Neubewertung des Verfassungsschutzes
Nach Einschätzung des „Tagesspiegel“ ist nicht davon auszugehen, dass der Wanderwitz-Antrag im Fall einer Abstimmung auch nur eine einfache Mehrheit erhalten würde. Denn derzeit warteten viele Parlamentarier auf die bereits vor Monaten angekündigte Neubewertung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
Von Ex-BfV-Präsident Thomas Haldenwang (CDU) im Oktober 2024 noch für das laufende Jahr angekündigt, soll nach dessen kurzfristiger Bewerbung um einen Bundestagssitz für die CDU die AfD-Neueinstufung nun doch erst nach der Bundestagswahl kommen.
Merz laut Wanderwitz offen für Verbotsantrag
Nach einem Bericht des „Tagesspiegel“ soll der CDU-Parteivorsitzende und -Kanzlerkandidat Friedrich Merz einem Verbot der AfD entgegen früherer Aussagen inzwischen offen gegenüber stehen. Das habe Marco Wanderwitz persönlich am Telefon bestätigt.
Demnach habe Merz in einer Fraktionssitzung kürzlich klargestellt, dass er sich ein Verbotsverfahren erhoffe – allerdings erst kurz nach der Bundestagswahl. Dann nämlich, so Wanderwitz über Merz, sei die Wahrscheinlichkeit am größten, dass es mit einem AfD-Verbot noch vor der Wahl 2029 klappen könne.
Die Linken-Abgeordnete Martina Renner, Teil des „Team Wanderwitz“, geht laut „Tagesspiegel“ davon aus, dass eine Hochstufung der blauen Partei in die Kategorie „gesichert rechtsextrem“ ihren Verbotswünschen Auftrieb verleihen werde: „Es gibt eine Menge Parlamentarier, die sagen: Das wird der Moment sein, ab dem ich an Bord bin.“ Das gelte ihrer Erfahrung nach vor allem für „behördenorientierte“ MdBs aus den Reihen von CDU, CSU und SPD.
BSW, CSU, FDP und SPD skeptisch bis ablehnend
Erst vor wenigen Tagen hatte Sahra Wagenknecht, die Gründerin und Vorsitzende des BSW, Pläne für ein AfD-Verbot als „politische Dummheit“ bezeichnet. Die Antragsteller seien aus ihrer Sicht „die fleißigsten Wahlkampfhelfer von Weidel und Höcke“. Das BSW werde sich an den Verbotsbestrebungen nicht beteiligen.
Wie die „Rheinische Post“ (RP) berichtet, hält auch die FDP-Innenpolitikerin Linda Teuteberg die Anträge „für politisch unklug und juristisch riskant“:
Die Demokratie darf sich ihren Schneid nicht abkaufen lassen, indem sie angesichts ihrer Verächter zum schärfsten und zweischneidigen Schwert des Parteiverbots greift.“
Besser sei es aus Sicht von Teuteberg, wenn man die AfD „politisch“ stelle, statt ihr „eine weitere Opfererzählung für den Bundestagswahlkampf“ zu schenken.
Auch Gesine Schwan, die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, hatte bereits Ende September 2024 ähnliche Bedenken geäußert. Sie halte einen Verbotsantrag gegen die AfD für „politisch kontraproduktiv“. Nach RP-Informationen sei auch Bundeskanzler Olaf Scholz skeptisch.
Im Herbst hatte der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, das Vorhaben eines AfD-Verbots „falsch und kontraproduktiv“ genannt: Man könne die AfD nicht „weg verbieten“, sondern nur „weg regieren“.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter hatte sich im Herbst 2024 allerdings dafür ausgesprochen, dass der Bundestag über ein AfD-Verbotsverfahren beraten solle. Ob er selbst dafür stimmen wolle, ließ er offen:
Entscheidend ist, dass wir es thematisieren und auch unsere Bevölkerung sensibilisieren. Was am Ende dabei herauskommt, ist eine ganz andere Frage. Da sollten, glaube ich, auch alle sehr ergebnisoffen vorgehen.“
„Rechtsextremistischer Verdachtsfall“
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte im Mai 2024 geurteilt, dass die Einstufung des AfD-Bundesverbandes als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ und die darauf beruhende bisherige Beobachtung rechtens seien. Die Partei wehrt sich auch auf juristischem Wege weiter gegen die Zuschreibung.
Hohe Hürden
Der Bundestag ist neben Bundesregierung und Bundesrat eines von drei Verfassungsorganen, das ein Parteiverbotsverfahren vor dem höchsten deutschen Gericht anstoßen darf.
Die rechtlichen Hürden dafür sind allerdings so hoch, dass in der Geschichte der Bundesrepublik erst zwei Parteien verboten wurden: 1952 traf es die der NSDAP nahestehende „Sozialistische Reichspartei“ (SRP), 1956 die dem Stalinismus anhängende „Kommunistische Partei Deutschlands“ (KPD).
Im Januar 2017 war ein zweiter Verbotsversuch gegen die rechtsnational ausgerichtete NPD vor dem Zweiten Senat des BVerfG (2 BvB 1/13) gescheitert. Die Richter betrachteten die NPD und ihre Teilorganisationen nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung zwar als verfassungswidrig, sahen von einem Verbot allerdings ab, weil sie in ihr nicht das Potenzial erkannten, ihre Ziele in Deutschland durchzusetzen. Seit Juni 2023 firmiert die NPD als „Die Heimat“.
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