Und dann ist der Strom weg: Zu viel ungeregelter Solarstrom birgt Brownout-Risiko

Zwei große Photovoltaikfirmen schlagen Alarm: Die hohe und weiter zunehmende Zahl an kleinen Solaranlagen kann im kommenden Jahr zu noch höherer Überlast im Stromnetz führen. Bereits ab Ostern müsse Deutschland mit Abschaltungen rechnen.
PV-Anlagen
Gerade kleinere PV-Anlagen können die Netzbetreiber nicht abschalten.Foto: hansenn/iStock
Von 18. November 2024

In Deutschland entstehen von Woche zu Woche immer mehr Photovoltaik (PV)-Anlagen. Inzwischen sind es rund 4,7 Millionen. Das hat in den vergangenen Sommerzeiten in den Mittagsstunden häufig zu Stromüberschüssen geführt. Viele davon können die lokalen Netzbetreiber bei Bedarf herunterregeln und abschalten, viele jedoch nicht.

Jetzt warnen mit Enpal und 1Komma5° zwei der größten deutschen PV-Unternehmen vor einer zu großen Überbelastung des Stromnetzes im kommenden Jahr. In einer gemeinsamen Erklärung, die dem Portal „PV Magazine“ vorliegt, fordern sie die noch amtierende Bundesregierung zum Handeln auf.

Abschaltungen bereits ab Ostern?

Sie schreiben: Wenn „nicht jetzt wichtige regulatorische Weichen im Energiemarkt gestellt werden, steht im allerschlimmsten Fall überhaupt kein Strom mehr zur Verfügung“.

Damit deuten sie an, dass der solare Stromüberschuss im kommenden Jahr eine ernsthafte Bedrohung für die Stabilität des deutschen Stromnetzes darstellen kann. Wenn es nicht mehr anders geht, müsse der Netzbetreiber „gezielt Regionen vom Stromnetz trennen“. Solch eine kontrollierte Abschaltung wird als sogenannter „Brownout“ bezeichnet, ein unkontrollierter und lang andauernder Stromausfall als „Blackout“.

Die beiden PV-Firmen teilten in der Erklärung mit, dass solch ein Brownout laut Experten schon an Ostern oder an Pfingsten 2025 eintreten könne. Die Abschaltungen dürften dann an sonnigen Tagen im Laufe des späten Vormittags beginnen, wenn die Leistungskurve der in Deutschland befindlichen PV-Anlagen stark ansteigt. Sinkt die Leistung am Nachmittag wieder ab, könnten die Netzbetreiber die Regionen wieder an das Stromnetz anschließen.

Kleine Anlagen nicht regelbar

Laut Enpal und 1Komma5° liegt das Problem in der hohen Anzahl an kleineren PV-Anlagen. Diese erzeugen „immer mehr Strom“, den sie ins Stromnetz einspeisen und den die Netzbetreiber nicht steuern können.

In Deutschland dürfen die Netzbetreiber nur PV-Anlagen ab einer Größe von mindestens 25 Kilowatt installierter Nennleistung (kWp) bei Bedarf abschalten. Das entspricht rund 70 modernen Solarmodulen mit je 350 Watt. Diese Anlagen müssen mit einem sogenannten Funkrundsteuerempfänger ausgestattet sein. Durch diesen hat der Netzbetreiber aus der Ferne Zugriff auf solche Anlagen.

Doch die meisten Anlagen in Deutschland sind deutlich kleiner als 25 kWp und unterliegen nicht der Regelungspflicht. So haben viele Einfamilienhäuser meist eine Anlage von weniger als 10 kWp. Erst auf etwas größeren Hallendächern sind Anlagen mit mehr als 25 kWp installiert.

Forderung an die Politik

Enpal und 1Komma5° fordern in ihrer Erklärung, dass die Politik schnell entsprechende Maßnahmen umsetzen soll. Eine davon ist die sogenannte geplante Wachstumsinitiative der ehemaligen Ampelkoalition. Vor ihrem Scheitern konnte sie dieses Wirtschaftspaket jedoch nicht mehr beschließen.

Ein Schritt der Wachstumsinitiative ist, die hohe finanzielle Belastung des Bundes durch die Einspeisevergütungen zu reduzieren. Von Januar bis einschließlich Oktober musste der Staat bisher rund 16,4 Milliarden Euro auf das EEG-Konto (Erneuerbare-Energien-Gesetz) überweisen. Erst dadurch hatten die Netzbetreiber genügend Geld zur Verfügung, um den Betreibern von Wind- und Solaranlagen ihren ins Netz eingespeisten Strom zu vergüten. Die bisherigen Gesamtausgaben lagen in diesem Jahr bei knapp 20 Milliarden Euro.

Die Wachstumsinitiative sieht ab 2025 eine Reform der Solarförderung für größere Photovoltaikanlagen vor. Sie sollen demnach nur noch dann eine Vergütung bekommen, wenn der Börsenpreis gerade positiv ist. Rutscht dieser bei Überangebot ins Minus, gibt es für diese Stunden nichts. Das könnte den regulierenden Effekt haben, dass die Anlagenbesitzer nur noch dann ihren Strom anbieten und ins Netz einspeisen, wenn es kein Stromüberangebot gibt.

Wer eine Anlage mit einer installierten Nennleistung von mindestens 25 kWp hat, müsste dann seinen Sonnenstrom selbst vermarkten. Die Netzbetreiber müssen dann keine feste Einspeisevergütung mehr bezahlen. Das Geschäft mit der Sonnenernte könnte also künftig deutlich schwieriger werden – sofern diese Reform von der Folgeregierung umgesetzt wird.

Boom der Balkonkraftwerke

Ebenfalls können die Netzbetreiber die noch kleineren Balkonkraftwerke nicht regeln. Sie bestehen meist nur aus ein bis fünf PV-Modulen. Gerade in den vergangenen zwei Jahren sind sie wie Pilze aus dem Boden geschossen.

Erst Ende September hatte der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das Mietern nochmals vereinfacht, ein solches Minikraftwerk zu installieren. Diese Steckersolargeräte stehen nun als privilegierte Maßnahme im Mietrecht. Das bedeutet, dass Vermieter den Installationswunsch der Mieter dann nur noch in Ausnahmefällen ablehnen können.

Als Balkonkraftwerke gelten Solaranlagen mit einer installierten Gesamtleistung von maximal 800 Watt. Dabei genügt eine vereinfachte Anmeldung im Marktstammdatenregister. Anfang Juli dieses Jahres waren in Deutschland bereits rund 563.000 solcher Balkonkraftwerke in Betrieb. Wenn nun all diese Anlagen im Schnitt 500 Watt bei guter Sonneneinstrahlung liefern, wäre dies eine Leistung von immerhin 0,28 Gigawatt unregelbarer Leistung.

Den Großteil machen jedoch die auf Hausdächern installierten Anlagen aus. Nicht steuerbare PV-Anlagen hätten laut den PV-Unternehmen im Juli dieses Jahres in Summe teils 60 Gigawatt bereitgestellt – etwa so viel wie der Gesamtstrombedarf des ganzen Landes. Für eine bessere Kontrolle der Erzeugungs- und Verbrauchswerte von Gebäuden mit einer Solaranlage verbreiten sich in den kommenden Jahren zunehmend intelligente Strommesssysteme, die Smart Meter.

 



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