Schlappe für die Energiewende: 77 Prozent der Biogasbauern wollen aufgeben
Rückschlag für die Energiewende: Bei einer Umfrage kam zutage, dass 77 Prozent der befragten Biogasbauern im kommenden Jahr den Betrieb ihrer Anlagen einstellen wollen. Die Umfrage führte das Portal „Agrarheute“ durch.
Von 561 Biogasbetreibern, die an der Umfrage teilgenommen haben, wollen 61 Prozent aufgrund von Perspektivlosigkeit aufgeben, obwohl sie einen Weiterbetrieb geplant hatten.
16 Prozent der Betreiber wollten mit dem Ende der EEG-Förderung die Anlagen schließen. Diese endet, wenn die Anlagen das Alter von 20 Jahren erreicht haben. Lediglich 23 Prozent planen, ihren Betrieb fortzusetzen.
Das Ergebnis von „Agrarheute“ zeigt somit ein völlig anderes Bild von der Lage in der Branche als die jüngste Umfrage des Fachverbands Biogas. Dort gaben nur gut 25 Prozent der Biogasbetreiber an, ihre Anlagen nach 20 Jahren Betriebszeit nicht mehr weiterlaufen zu lassen.
Warum so viele Biogasbauern aufhören wollen
Biogasanlagen zählen zu den erneuerbaren Energien, die der Bund derzeit durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fördert. Das garantiert den Biogasbauern für 20 Jahre einen festen Vergütungsbetrag pro ins öffentliche Stromnetz eingespeister Kilowattstunde (kWh).
Momentan stehen in Deutschland rund 10.000 Biogasanlagen, die rund sechs Gigawatt Leistung in das Stromnetz einspeisen. Eine durchschnittliche landwirtschaftliche Biogasanlage hat eine Leistung von bis zu 500 Kilowatt. Großanlagen können bis zu fünf Megawatt (MW) haben.
Viele Biogasanlagen sind älter und für einige endet im kommenden Jahr die erwähnte EEG-Förderung. Ohne die staatliche Vergütung ist der Betrieb der meisten Biogasanlagen nicht mehr lukrativ. Dann müssen die Biogasbauern ihren erzeugten Strom zu den Preisen am Strommarkt anbieten.
Ein betroffener Biogasanlagenbetreiber ist Matthias Döcke, Chef der Agrofarm Herwigsdorf. Dem mdr teilte er im März mit: „Jetzt müsste man einspeisen zu den normalen Preisen, sogenannte Spotmarkt-Preise. Finanziell trägt sich so eine Anlage dann nicht im Geringsten, geht nicht.“ Für Döcke bedeutet das: Statt bisher 20 Cent gibt es nur noch rund sieben Cent pro kWh. Dabei sind die Anlagen nach 20 Jahren technisch noch voll funktionsfähig.
Erschwerend für die Betreiber kommt hinzu, dass die Substratpreise, die Biogasanlagen verwenden, gestiegen sind. Auch die Inflation hat die Lage weiter verschärft. Bereits im vergangenen Sommer lagen die Vollkosten bei 17 bis 19 Cent pro kWh, was den Betrieb auch mit EEG-Förderung kaum rentabel macht.
Anschlussförderung begrenzt
Um den Biogasbauern einen Weiterbetrieb ihrer Anlagen zu ermöglichen, hat die Bundesregierung eine Anschlussförderung in die Wege geleitet. Betreiber der Anlagen müssen sich dafür in Ausschreibungsrunden bewerben. Die Chance, eine Anschlussförderung zu erhalten, ist derzeit gering.
Im Oktober 2023 gingen bei der Ausschreibungsrunde rund zwei Drittel der Bewerber leer aus. Andrea Horbelt vom Fachverband Biogas schildert: „Da hatten wir auf 300 Megawatt, die ausgeschrieben waren, 900 Megawatt Bewerbungen.“ Zwar könnten sich die Anlagenbetreiber auch wieder bei den nächsten Runden bewerben, doch die Chancen werden kaum größer, da auch immer wieder neue Bewerber daran teilnehmen.
Bei der jüngsten Ausschreibung haben über 500 Biogasbauern keine Zusage erhalten. Damit können viele Anlagenbetreiber nicht von den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur profitieren, da die Regierung die Ausschreibungsvolumen zu niedrig festgelegt hat.
In diesem Jahr beträgt das Ausschreibungsvolumen 500 MW installierte Leistung, 2025 sollen es 400 MW sein und 2026 bis 2028 nur noch 300 MW pro Jahr. Der Fachverband Biogas vermutet, dass spätestens Ende 2029 und Ende 2031 die zweite große Welle an Anlagen schließen wird.
Wärmenetze ebenfalls betroffen
Eine Biogasanlage erzeugt elektrischen Strom und darüber hinaus Wärme. Wenn schon bald viele Biogasanlagen schließen, sind davon auch viele deutsche Privathaushalte betroffen. Das tangiere nach Aussage von Horst Seide, Präsident des Fachverbands Biogas, mindestens jedes achte Biogaswärmenetz.
Infolgedessen sind diese Haushalte dann gezwungen, auf eine andere Wärmeanlage umzurüsten. Da die von der Bundesregierung bevorzugte Wärmepumpe momentan einen Nachfrageeinbruch erlebt, könnte dies die Nachfrage nach fossilen Heizsystemen wieder antreiben. Das wäre genau der entgegengesetzte Kurs, den die Bundesregierung mit der Energiewende erreichen will.
Zudem geht dem deutschen Stromnetz mit der künftigen Stilllegung Hunderter Biogasanlagen nach dem Atom-Aus und dem laufenden Kohle-Aus weitere gesicherte installierte Leistung verloren.
Das gefährdet die Netzstabilität, erhöht die Abhängigkeit Deutschlands von Stromimporten aus dem Ausland und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Stromausfällen.
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