Luxusgut Wasserstoff: Hohe Preise für Deutschland erwartet
Im Sommer 2023 hat die inzwischen zerbrochene Ampelregierung die Nationale Wasserstoffstrategie vorgestellt. Mithilfe von sogenanntem grünem Wasserstoff wollte sie große Teile der Industrie und des Verkehrs klimafreundlicher gestalten. Das bedeutet nichts Geringeres als einen Umbau der Industrie – weg von Erdgas und Erdöl hin zu grünem Wasserstoff.
Inzwischen wird aber immer deutlicher, dass das Erreichen dieses Ziels vorwiegend eines wird: sehr kostenintensiv. Denn der Energieträger, der mit überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, werde „kurz- bis mittelfristig noch knapp und in Deutschland auch längerfristig noch teuer sein“.
So heißt es in dem „Globalen Wasserstoff-Potenzialatlas“, den das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI und acht weitere Einrichtungen vorgelegt haben. Das Bundesforschungsministerium hat die Studie gefördert. Die Analysen schlossen die Bedürfnisse der möglichen Partnerländer Deutschlands ein.
Deutschland am teuersten
Auf Grundlage der Berechnungen schlussfolgerten die Studienautoren unter Leitung von Prof. Dr. Martin Wietschel: „Innerhalb der EU und weltweit muss Deutschland mit den höchsten Wasserstoffpreisen rechnen.“
Mithilfe eines Marktmodells prognostizieren die Autoren für das Jahr 2050 Großhandelspreise von 132 Euro je Megawattstunde (MWh) grünen Wasserstoff in Deutschland und 139 Euro in den Niederlanden.
Innerhalb Europas werde der Energieträger demnach in Großbritannien (70 Euro) und Spanien (74 Euro) deutlich günstiger sein. Zum Vergleich: Die Alternative Erdgas kostet im Großhandel in diesem Jahr etwa 34 Euro je MWh.
Ursachen der hohen Preise sind die hohe Nachfrage, vor allem aus der Chemie- und Stahlindustrie, und das begrenzte Potenzial erneuerbarer Energiequellen in Deutschland. Der teure Wasserstoff wird somit zum Wettbewerbsnachteil – wie etwa für hiesige Stahlhersteller. Diese investieren Milliarden Euro in neue Anlagen, die künftig Wasserstoff einsetzen sollen.
Die Forscher stellten zudem fest, dass EU-Staaten mit hohem Bedarf – so wie Deutschland – viel Geld in Wasserstoff investierten. Länder mit günstigen Voraussetzungen investierten hingegen nur vergleichsweise wenig. „Hier sollten künftig die Schwerpunkte richtig gesetzt werden“, so Wietschel.
Auch Import von Wasserstoff kostspielig
Wegen der hohen inländischen Kosten und weil hierzulande erneuerbare Energiequellen nur bedingt zur Verfügung stehen, werde Deutschland einen Großteil des grünen Wasserstoffes samt Syntheseprodukten importieren müssen. Nach derzeitigen Prognosen sei aber in der Zukunft mit einer hohen Nachfrage nach Wasserstoff und Syntheseprodukten zu rechnen. Als Syntheseprodukte gelten etwa Ammoniak oder Methanol.
Doch die Kosten für den Wasserstoffimport nach Europa dürften ebenfalls hoch sein. Laut den Berechnungen wird der Wasserstoffimport im Jahr 2030 zwischen 3,5 und 6,5 Euro pro Kilogramm kosten. Bis zum Jahr 2050 soll der Preis auf 2,5 bis 4,5 Euro pro Kilogramm gesunken sein. Die Großhandelspreise für Deutschland dürften mit mehr als 4 Euro pro Kilogramm im Jahr 2050 langfristig vergleichsweise hoch sein.
Derzeit kommt der Markthochlauf nur langsam voran. Mehrere Unsicherheiten wie geopolitische Unruhen, Versorgungsunterbrechungen, unsichere Abnahmemengen oder hohe Energie- und Rohstoffpreise führten dazu, dass notwendige Investitionen nicht getätigt werden.
Der größte Nettoexporteur von Wasserstoff im Jahr 2050 wäre Frankreich mit einer geschätzten jährlichen Handelsbilanz von 144 Terawattstunden (TWh). Als weitere mögliche europäische Nettoexporteure nannten die Studienautoren Norwegen, Schweden, Großbritannien, Griechenland und Spanien.
Deutschland wäre im Vergleich mit Abstand der größte Nettoimporteur in Europa mit 285 TWh pro Jahr. Auf einen Import von Wasserstoff könnten in einem Vierteljahrhundert demnach auch die Niederlande, Belgien und Italien angewiesen sein.
Herausforderungen für den Standort Deutschland
Nach Ansicht der Studienautoren werden die zu erwartenden hohen Preise die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie beeinträchtigen. Hingegen hätten Länder wie die USA oder Kanada Wettbewerbsvorteile. Diese Staaten verfügten über große und günstige Ressourcen zur Herstellung von grünem Wasserstoff und könnten diesen für entsprechende Industrieanwendungen nutzen.
Das Institut schlägt vor, dass das knappe Angebot an Wasserstoff einen intelligenten Einsatz dieses Energieträgers voraussetzt. Er sollte demnach nur in Sektoren zum Einsatz kommen, in denen es kaum andere Möglichkeiten gibt. Hierzu zählen etwa die Stahl- und Grundstoffchemie, der internationale Flug- und Schiffstransport oder Raffinerien.
Voraussetzung für die Nutzung von Wasserstoff und den Syntheseprodukten für die Gebäudewärme oder den Straßenverkehr wären sehr niedrige Preise. Das zeichnet sich angesichts der Studienergebnisse derzeit jedoch nicht ab.
Fokus auf vielversprechende Staaten legen
Da von einigen europäischen Ländern künftig ein Überschuss an Wasserstoff zu erwarten ist, werde sich die EU im Wesentlichen selbst wirtschaftlich mit Wasserstoff versorgen können, so die Studie. Anders sehe es bei den Syntheseprodukten aus. Sowohl bezüglich der benötigten Mengen als auch aus wirtschaftlichen Aspekten heraus werde die EU dabei auf Importe angewiesen sein.
Die Studienautoren raten daher dringend, die Wasserstoffkapazitäten in den zu erwartenden Exportländern aufzubauen. Auch Deutschland solle hier aktiv unterstützen. Innerhalb der EU fänden derzeit hohe Investitionen in Ländern statt, die einen hohen Wasserstoffbedarf haben, aber weniger in Ländern mit günstigen Erzeugungspotenzialen wie Frankreich.
Die globale Nachfrage nach grünem Wasserstoff, gerade bei ambitionierten Treibhausgasminderungszielen, wird laut der Studie künftig deutlich steigen. Der weltweite Wasserstoffbedarf soll demnach im Jahr 2050 zwischen 4 und 11 Prozent des globalen Endenergiebedarfs liegen. Für Deutschland liege sie unter anderem aufgrund der Industriestruktur und der großen Bedeutung des Stahl- und Chemiesektors als potenzielle Nachfrager bei rund 20 Prozent des Endenergiebedarfs.
Für den Atlas haben die Fachleute nicht nur Erzeugungspotenziale und Strompreise in Dutzenden Staaten untersucht, sondern auch andere Kostenblöcke: die Finanzierung sowie die Speicherung und den Transport von Wasserstoff. Vielversprechende Exportstaaten sind demnach Marokko und die Vereinigten Arabischen Emirate sowie Kanada, Brasilien und Chile.
(Mit Material von dts)
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