Jung-Grüne bei Lanz: „Wir jungen Leute wollen nicht krank werden durch die Arbeit“
Zum Thema Sozialstaat und Arbeitsmoral der jungen Generation debattierten Katharina Stolla (Grüne Jugend) und Franziska Brandmann (Junge Liberale) am 6. März gemeinsam bei Markus Lanz. Einige Medien bewerteten anschließend Stollas Forderungen als sozialistisch und eine Art Wiederholung der DDR.
Die 26-jährige Co-Chefin der Jungen Grünen forderte eine 20-Stunden-Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich. Sie halte junge Leute für „total vernünftig“, die keine Lust mehr haben, viel zu arbeiten.
Oftmals wird diesen Menschen Faulheit vorgeworfen, wie Lanz in der ZDF-Sendung anmerkte. Stolla hielt dagegen, dass ihre Generation in der Ausbildung öfter unbezahlte Überstunden leiste.
Ebenso sei ihre Generation diejenige, die die Klimabewegung aufgebaut und zuletzt die Proteste gegen Rechts organisiert habe. Letzteres sei laut Lanz jedoch politisches Engagement und keine Arbeit, die etwas erwirtschafte und Wohlstand schaffe.
Fake News von Stolla?
Bei der Rechtfertigung einer geringeren wöchentlichen Arbeitszeit bei vollem Gehalt argumentierte Stolla zudem, dass ein Drittel der jungen Leute unter Depressionen litt. Ulrich Reitz, Chefkorrespondent von „Focus Online“, hielt diese Zahl für zu hoch – und hat recherchiert.
Sein Ergebnis: Abhängig von Alter und Definition „sind es drei bis zehn Prozent der jüngeren Leute, die es in ihrem jungen Leben mit einer Depression zu tun bekommen haben“. Laut der Deutschen Depressionshilfe bezieht sich dieser Wert auf die Zwölf- bis 17-Jährigen. Bei den 15- bis 29-Jährigen hatte nach Angaben der Limes Schlosskliniken bereits jeder zehnte junge Mensch schon einmal depressive Symptome.
Nach Ansicht von Reitz erzeugen solche Falschaussagen ein verzerrtes Bild beim Publikum. Anschließend fragte er sich, wieso diese jungen Menschen nicht einfach lösungsorientiert anpacken. Stattdessen würden sie „ständig Systemkritik äußern, die man irgendwo auf der Uni gelernt hat, die aber im praktischen Leben überhaupt nicht weiterführt“.
Auch die „Welt“ fand kritische Worte über Stollas Ansichten. Redakteur Moritz Seyffarth schrieb in einem Meinungsartikel: „Wer ihr zuhört, kommt zu dem Schluss, dass Stolla und die Grüne Jugend das Leistungsprinzip ausschalten wollen.“
Die Bundessprecherin der Grünen Jugend befürwortete ebenfalls, dass das Bürgergeld „auf jeden Fall deutlich“ angehoben werden soll. Die Erhöhung dieser Sozialleistung zum 1. Januar auf 563 Euro im Monat für alleinstehende Erwachsene beurteilte sie als zu gering. Nach Ansicht von Seyffarth soll sich in der Schlussfolgerung daraus bei der Grünen Jugend „Leistung nicht mehr lohnen“.
Die Realität sehe aber anders aus, als es sich Stolla vorstelle. Denn es gebe in der Arbeitswelt auch viele „junge Menschen, die leistungsbereit sind und gerne zur Arbeit gehen“. Diese Menschen hielten unser Land am Laufen und sorgten für unseren Wohlstand. Dazu zähle er sich selbst: „Ich bin leistungsbereit – für mich spricht die Chefin der Grünen Jugend nicht“, titelt er.
Rentensystem „wird nicht mehr funktionieren“
Stolla sprach sich in der ZDF-Sendung für die Streichung der Schuldenbremse aus. Das begründete sie mit Zukunftsinvestitionen. Das würde sie mit Steuererhöhungen finanzieren. Brandmann wolle hingegen an einer Schuldenbremse, so wie es die Mutterpartei anstrebt, festhalten.
Außerdem fordert die Sprecherin der Grünen Jugend eine Verstaatlichung der Wohnungskonzerne. Lanz stellte daraufhin fest, dass sie damit die Systemfrage stellen würde.
Bei der Rentenfrage sind sich die Nachwuchspolitikerinnen in dem Punkt einig, dass aufgrund der demografischen Entwicklung künftig immer weniger in den Rententopf eingezahlt wird.
Die Jungliberale äußerte ihre Sorge, dass das Rentensystem, wenn sie einmal in Rente gehen wird, „nicht mehr funktionieren wird“. Einerseits zahlen immer weniger Menschen in die Sozialkassen ein, während immer mehr Rentner Leistungen beziehen. Schon jetzt bezuschusst der Staat die Rentenzahlungen mit rund 100 Milliarden Euro jährlich, sagte Brandmann.
Problem mit dem Kapitalismus
Künftig will die Bundesregierung im Rahmen der sogenannten Aktienrente 200 Milliarden Euro in Aktien und Fonds investieren, um jährliche Gewinne von zehn Milliarden Euro für die Rentenkasse zu generieren.
Stolla wies darauf hin, dass hinter Kursgewinnen oftmals schlechte Arbeitsverhältnisse bei den Beschäftigten stünden.
Brandmann konterte die Jung-Grüne damit, dass sie „ein Problem mit dem Kapitalismus und ein Problem mit sozialer Marktwirtschaft“ habe.
Stolla fordert auch eine europäische Rettungsmission im Mittelmeer mit „allen verfügbaren Schiffen“. Damit solle Deutschland noch mehr Migranten aufnehmen. Laut „Welt“ belaufen sich die Kosten im Zusammenhang mit Flüchtlingen und Migranten bereits auf knapp 50 Milliarden Euro.
Dem fügte Reitz hinzu: „Wer das alles finanziert, darüber machen sich diese jungen Leute überhaupt keine Gedanken. Es ist eine Art Wohlstandssozialismus, der auf keinen Fall funktionieren wird. Das hat mit den alten deutschen Tugenden, die dieses Land groß gemacht haben, nichts mehr zu tun.“
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