Bislang 19 Prozent weniger Windkraftausbau im Jahr 2024

Neueste Zahlen zeigen einen Zuwachs bei der Windkraft an Land von 1,3 GW im ersten Halbjahr. Das ist weniger als im Vergleichszeitraum 2023. Mit welchen Hürden hat die Branche zu kämpfen? Und welche Lösungsansätze gibt es – auch für Privathaushalte?
Die Windkraft und ihre Hürden: Zubau mit 19 Prozent Rückgang im ersten Halbjahr
Die meisten Windkraftanlagen entstehen in den nördlichen Bundesländern.Foto: Hermsdorf/iStock
Von 19. Juli 2024

Der Ausbau der Windkraft an Land in Deutschland schreitet voran. Allerdings deutlich langsamer, als es sich die Branche erhofft. Im ersten Halbjahr 2024 entstanden 250 neue Windkraftanlagen (WKA) mit einer installierten Gesamtleistung von 1,3 Gigawatt (GW). Davon stammen 0,4 GW aus Repowering-Projekten, also Anlagenstandorte, an denen die Betreiber ein altes durch ein neues, leistungsstärkeres Windrad ersetzen.

Der Zuwachs ist knapp 19 Prozent geringer als im Vergleichszeitraum 2023, als er noch bei 1,6 GW lag. Dies ist das Ergebnis der Auswertung der Beratungsfirma Deutsche WindGuard im Auftrag vom Bundesverband WindEnergie (BWE) und dem Verband für den Energieanlagenbau (VDMA Power Systems).

Zu beachten ist hierbei, dass gleichzeitig Anlagen mit knapp 0,4 GW stillgelegt worden sind. Das betraf hauptsächlich in die Jahre gekommene Windräder. Der Nettozubau betrug somit gut 0,9 GW. Demnach ist die installierte Gesamtleistung der Windkraft an Land von Januar bis Juni leicht auf gut 61,9 GW aus 28.611 WKA gestiegen – 27 WKA weniger als noch zu Jahresbeginn.

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Zahlen zum Windkraftausbau im ersten Halbjahr 2024. Foto: BWE

Aufschwung bei den Genehmigungen

Die Windbranche begrüßt die Reformen der Bundesregierung, die den Ausbau der Windkraft erleichtern sollen. So sind die Neugenehmigungen im ersten Halbjahr um 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen.

Im vergangenen Monat wurde zudem die Anpassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beschlossen.

All diese Reformen hätten geholfen, die Verfahrenslaufzeiten von Antragstellung bis Genehmigungserteilung zu beschleunigen – diese seien erstmals seit Jahren gesunken.

Verbesserungsbedarf sieht die Deutsche WindGuard derzeit noch bei der Umsetzung und hofft auf die Senkung weiterer Hürden.

Aus Sicht der Beratungsfirma ist klar, dass der gesamte Ausbau hinter den Anforderungen für das Erreichen des von der Bundesregierung gesteckten Ziels für Windenergie an Land von 115 GW bis 2030 zurückbleibt. „Um endlich auf den notwendigen Zubau zu kommen, müssen aus Genehmigungen umgesetzte Projekte werden. Daher sind weiterhin politische Maßnahmen notwendig“, heißt es in der Pressemitteilung.

Nach derzeitigem Stand erscheint das Erreichen des von der Branche im Januar gesteckten Ziels von vier GW für dieses Jahr fraglich. Dennoch geht die Branche davon aus, dass dieses Ziel durchaus noch zu erreichen ist. „Wenn alle Hürden abgebaut sind, sind wir optimistisch, dass wir diese vier GW dieses Jahr bekommen“, sagte Dr. Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer von VDMA, auf einer Onlinepressekonferenz am 18. Juli.

Welche Hürden hat die Branche?

Verbesserungspotenzial sieht die Präsidentin vom BWE, Bärbel Heidebroek, immer noch in den Genehmigungsverfahren. Hier müssten „Bund und Länder weiterhin bürokratische Barrieren und administrative Hindernisse abbauen“.

Zudem forderte sie ausreichend Planungssicherheit bei der Finanzierung der Projekte. „Abrupte Volten bei der EEG-Finanzierung bewirken das Gegenteil“, sagte Heidebroek. Damit bezieht sie sich auf die kürzlich vom Bundesfinanzministerium veröffentlichte Wachstumsinitiative, worin der Bund ankündigte, die Vergütung für erneuerbare Energien einstellen zu wollen.

Vielversprechende Möglichkeiten sieht Heidebroek beim Repowering. Hier ist die Rede von bis zu einer Vervierfachung der Anlagenleistung. Der Vorteil hierbei wäre, dass es „nicht zu einer befürchteten Verspargelung der Landschaft“ komme, um die Ziele zu erreichen, da die Leistung pro Standort deutlich zunehme.

Ein Nadelöhr ist zudem die Verkehrsinfrastruktur. So habe die Sperrung der Autobahn A27 bei Cuxhaven in der ersten Jahreshälfte zu einer Verzögerung des Transports der Bauteile von neuen WKA geführt. Dabei konnten Rotorblätter nicht zeitnah zu neuen Anlagenstandorten transportiert werden.

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Zubau der Windkraft an Land im ersten Halbjahr 2024 nach Bundesländern. Foto: Deutsche WindGuard

Nördliche Bundesländer führen beim Ausbau

Heidebroek erwähnte auch das Nord-Süd-Gefälle beim Windkraftausbau. Wie in den vergangenen Jahren bauen Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Sachsen-Anhalt am eifrigsten den Windkraftbestand aus. Allein diese fünf Bundesländer tragen zu 86 Prozent zum Bruttozubau im ersten Halbjahr bei.

Schlusslichter sind hauptsächlich die süddeutschen Bundesländer. Baden-Württemberg und Bayern weisen einen Ausbauanteil von jeweils zwei Prozent vor. „Hier muss der Süden endlich aufholen. Es wird immer gesagt, er wolle das auch. Aber wir sehen weder in den Zuschlägen noch in den Genehmigungen noch beim Zubau, dass der Süden wirklich aufholt“, kritisierte Heidebroek, auf der Pressekonferenz.

Thüringen, Saarland und die drei Stadtstaaten haben im 1. Halbjahr 2024 keine einzige Anlage erreichtet.

Aufholbedarf bei der Netzinfrastruktur

Ein großes Manko sieht Heidebroek im Netzausbau. „Dieser hinkt deutlich hinterher – noch deutlicher als der Zubau der Erneuerbaren“, so die BWE-Präsidentin.

Eine umfassende Entbürokratisierung ist notwendig, um den Bau von Stromspeichern und Elektrolyseuren zu erleichtern. Die Speicher sollen gewährleisten, dass Deutschland überschüssigen Strom aus Wind und Solar selbst verwenden kann und Minuspreise am Strommarkt reduzieren.

Heidebroek teilte zudem mit, dass der Stromverbrauch der Erzeugung angepasst werden müsse. Das deutsche Energiesystem wird ihrer Aussage nach derzeit zu 60 Prozent von Erneuerbaren gespeist. Dieser Wert ist jedoch nur ein rechnerischer.

„Wir haben immer noch eine Regelung, die auf fossilen Lasten beruht“, bemängelt die BWE-Präsidentin. „Das müssen wir ändern und müssen deutlich flexibilisieren. Wir müssen hierfür Anreize schaffen, auch in den Haushalten“. Das bedeutet, die Verbraucher sollen optimalerweise ihre Elektrogeräte dann laufen lassen, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht – und dafür irgendwie belohnt werden.

Heidebroek strebt an, dass „jede Kilowattstunde aus erneuerbaren Energien, die erzeugt werden kann, auch erzeugt wird und verbraucht werden kann“. Derzeit wird bei zu hoher Stromproduktion der zu viel produzierte Strom von Windkraft- und Solaranlagen nicht genutzt, aber den Betreibern dennoch per Gesetz vergütet. Stromangebot und -nachfrage müssen im Stromnetz stets möglichst übereinstimmen. Leisten WKA – orientiert am Bedarf – zu viel, kann ihr Potenzial nicht voll genutzt werden.

Verbrauch und Erzeugung müsse sich hier laut Heidebroek erst noch aneinander angleichen. Ein Ansatz wäre ihrer Einschätzung nach, Speicher dann mit Strom aus Erneuerbaren zu füllen, wenn Überschuss besteht und die Preise negativ sind.



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