„Das hat mit Energiewende nichts mehr zu tun“: Unstimmigkeiten bei Windpark

Im baden-württembergischen Ortenaukreis im Schwarzwald sollen drei riesige Windkraftanlagen entstehen. Die Betreiberin eines nahegelegenen Gasthofes berichtet der Epoch Times von „sehr fraglichem“ Vorgehen der Behörden.
„Das hat mit Energiewende nichts mehr zu tun“: Rätselhafte Unstimmigkeiten bei Windpark. Foto: Blumbaker/iStock
Die drei großen Windkraftanlagen für die Hummelsebene sind genehmigt.Foto: Blumbaker/iStock
Von 4. Juni 2024

In idyllischer Lage im baden-württembergischen Ortenaukreis liegt der Landgasthof Hummelswälder Hof.

Die Betreiberin Jenny Haas hat generell keine Einwände gegen die Energiewende. Die Dächer ihrer Gaststätte sind großzügig mit Photovoltaikmodulen bestückt, zu Windkraftanlagen haben sie und ihr Vater, Martin Brandstetter, ihrer Aussage nach eine neutrale Haltung.

Doch was sie derzeit mit der Genehmigung eines Windparks in ihrer Nähe erleben, stößt auf Unverständnis. Sie hinterfragen die behördlichen und rechtlichen Abläufe, so Haas im Gespräch mit der Epoch Times.

Doch alles der Reihe nach.

Wie die Epoch Times im Februar dieses Jahres berichtete, planen die angrenzenden Gemeinden Oberkirch und Durbach den Windpark Hummelsebene auf dem gleichnamigen Höhenkamm zu errichten. Es handelt sich dabei um drei Windkraftanlagen mit einer Höhe von 261 Metern.

Die Windräder, die für die Hummelsebene geplant sind, sind nur 50 Meter kleiner als der Eiffelturm. Foto: Mit freundlicher Genehmigung vom Hummelswälder Hof

Behörden sehen wenig Widerstand

Im vergangenen Jahr haben die Gemeinden mehrere Informationsveranstaltungen durchgeführt, um die Bürger von den Vorteilen des Windenergieprojekts Hummelsebene zu informieren. Die Gemeinden bezeichnen den Windpark als „einen wichtigen Schritt in Sachen Energiewende und Klimaneutralität“.

Über mögliche Nachteile wie Schattenwurf, Lärmbelästigung, Beeinträchtigung des Landschaftsbildes oder optische Bedrängung seien die Anwohner von den Behörden jedoch nicht ausreichend informiert worden, so Haas. 

Davon erfuhr Haas erst, als sie es genauer wissen wollte und Akteneinsicht beantragte. Ihr Gasthof liegt rund 700 Meter vom geplanten Standort der Anlagen entfernt und ist somit direkt betroffen.

Besorgt über die Beeinträchtigungen startete sie eine Unterschriften- und Informationsaktion, mit der sie rund 6.000 Anwohner anschrieb. Mehr als 1.400 Bürger der rund 25.200 Einwohner zählenden Gemeinden Durbach und Oberkirch unterzeichneten daraufhin die Petition gegen den Windpark, so Haas.

Im Herbst vergangenen Jahres – also vor der Briefaktion – hätten die Behörden in der Zeitung bekannt gegeben, dass nur wenige Anwohner gegen das Projekt seien, so Haas.

Auf Anfrage der Epoch Times teilte das zuständige Landratsamt Ortenaukreis mit, dass „die Anregungen und Bedenken der Bürger, die sich bei uns gemeldet hatten, im Verfahren berücksichtigt und entsprechend geprüft wurden“. Eine Anzahl der Kritiker sei der Behörde jedoch nicht bekannt.

Landrat: „Erfolgsstory geht weiter“

Das Landratsamt Ortenaukreis genehmigte Anfang April den Windpark, wie die Behörde informierte. Der Baubeginn der drei Anlagen ist für 2025 geplant, die Inbetriebnahme soll spätestens im Frühjahr 2026 erfolgen.

Seit 2012 habe der Landkreis bereits 43 Windkraftanlagen genehmigt. „Für unser Tempo wurden wir bereits von Ministerpräsident [Winfried] Kretschmann als Musterschüler in Sachen Windkraft gelobt“, erklärte Landrat Frank Scherer. „Ich freue mich, dem Ministerpräsidenten berichten zu dürfen, dass die Erfolgsstory in der Ortenau weitergeht.“

Die drei Windturbinen des dänischen Herstellers Vestas vom Typ V172 haben eine Nennleistung von jeweils 7,2 Megawatt. Damit sind sie laut dem Landratsamt die leistungsstärksten Anlagen auf dem Markt. Nikolas Stoermer, erster Landesbeamter des Ortenaukreises und Dezernent für Erneuerbare Energien, schilderte: „Zukünftig sollen damit rund 40 Millionen Kilowattstunden grüner Strom pro Jahr erzeugt werden. Damit ließen sich 15.000 Haushalte versorgen.“ Das wären rein rechnerisch mehr als alle Bürger von Durbach und Oberkirch zusammen.

Genehmigung erteilt, aber nicht für Zuwege

Trotz der Genehmigung gibt es noch potenzielle Konfliktfelder. Die nötige Zuwegung ist bislang nicht genehmigt – und diese betrifft den Hummelswälder Hof. Haas sagte:

In den Akten wurde ohne unseres Wissens die Zuwegung über unsere Grundstücke geplant. Die Akten wurden auch so dem Landratsamt vorgelegt.“

Das Landratsamt teilte mit, dass „die Zuwegung zum Windpark […] nicht Bestandteil des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens“ sei.

Immissionsschutzrechtlich bezieht sich auf den rechtlichen Rahmen für die Genehmigung von Anlagen, von denen schädliche Umwelteinwirkungen – wie Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen – ausgehen können.

Die Genehmigung der Zuwegung erfolge später durch das Regierungspräsidium Freiburg, wie der Pressesprecher des Landratsamtes Kai Hockenjos erklärte. Anhand der Umweltprüfungen, die vorab stattgefunden hätten, berücksichtige die Behörde alle Umweltauswirkungen des Gesamtvorhabens. „Im vorliegenden Verfahren wurden hierbei zwei Zuwegungsalternativen betrachtet, was für dieses Verfahren ausreichend ist“, so der Sprecher.

Mehrere Unstimmigkeiten

Bereits nach der Akteneinsicht schaltete die Familie Haas auf eigene Kosten einen Anwalt ein.

Aus den Akten erkannte der Anwalt zudem mehrere angebliche Unstimmigkeiten. Eine ist, „dass die Wohngebäude je nach Gutachten immer unterschiedlich weit weg [von den Windrädern] sind“, schilderte Haas.

Zur Verwunderung der Gasthofbetreiberin ist in den Akten auch ein Biotop aufgeführt, das dort gar nicht existiere. „Hier kam es wohl zu einer Verwechslung. Einmal wurde sogar ein vollkommen anderer Abstand bei unserem Haus genannt.“

Als sie diesen Fehler der verantwortlichen Ökostromgruppe – dem Betreiber des Windparks – mitgeteilt haben, hätte dieser erklärt, dass es sich dabei um „das Haus unseres Nachbarn“ handelte und „das aus Versehen als unser Haus betitelt wurde“.

Die Familie wandte sich mit einem Schreiben an den Petitionsausschuss des baden-württembergischen Landtages.

Laut Haas hätten all diese und weitere Unstimmigkeiten für das Landratsamt keine Rolle gespielt. „Nicht einmal die Akten mussten angepasst werden. Das bedeutet, in den Akten steht immer noch die Zuwegung über unsere Grundstücke als geplante Route drin.“

Es gebe aber dafür jedoch noch gar keine Beantragung – und entsprechend keine Genehmigung. Dennoch sei laut Haas die Route über ihre Grundstücke „auf den Karten in den Gutachten überall angegeben“.

Auch die Differenzen der Abstände seien in den Akten geblieben. Einzig wichtig sei die Einhaltung der Grenzwerte gewesen. Dabei bezweifelt sie, ob überhaupt eine der Abstandsangaben stimme.

Hockenjos ging auf die Frage nach diesen Unstimmigkeiten nur bedingt ein. Er erklärte, dass der Anlagenbetreiber auf die vom Anwalt genannten Punkte bereits „plausibel Stellung“ genommen habe.

Zudem verwies der Pressesprecher auf Paragraf 6 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, wonach die Erteilung der Genehmigung des Windparks rechtens sei. Das Landratsamt müsse hier keine Abwägungsentscheidung vornehmen.

Tierfallen, die es nie gab?

Haas stellt infrage, ob die Artenschutzgutachten wirklich durchgeführt wurden. Denn darin hätten die Behörden aufgestellte Tierfallen erwähnt, mit denen sie herausfinden wollten, ob dort seltene Schlangenarten leben würden. Diese seien für einen bestimmten Zeitraum auch entlang der geplanten Zuwegung geplant gewesen.

„Allerdings haben wir weder jemanden gesehen, der diese Fallen aufgestellt hat, noch haben wir die Fallen selbst gesehen. Auch informiert wurden wir nicht und das, obwohl es auf unserem Grundstück gewesen sein soll“, schilderte Haas.

Ähnliches habe sich auf dem zehn Hektar großen, eingezäunten Grundstück einer Nachbarin, das sich noch näher an den geplanten Windkraftanlagen befindet, abgespielt. Auch dort wurde laut Haas nie jemand gesehen und sie habe ebenfalls keinerlei Benachrichtigung über Umweltprüfungen erhalten. Aus Sicht der Gastronomin ist das „alles sehr fraglich“.

Das Landratsamt bekräftigte hingegen die Richtigkeit der behördlichen Vorgehensweise. Hockenjos teilte dazu mit:

Für uns besteht derzeit kein Grund an den eingereichten Unterlagen zu zweifeln. Es handelt sich um Gutachter, die entsprechend akkreditiert sind.“

Geänderte Erschließung

Neben der Zuwegung gibt es noch die sogenannte Erschließung. Haas schilderte: „Bei der Zuwegung wird der Errichtungsverkehr betrachtet, das bedeutet die Bauphase. Die Erschließung ist lediglich der Verkehr nach dem Bau.“

In dem immissionsschutzrechtlichen Verfahren müsse nur die Erschließung gesichert sein. Die Zuwegung werde hier laut der Gasthofbetreiberin nicht berücksichtigt, was sie als „total unlogisch“ bezeichnete.

„Denn auch wenn die Zuwegung nicht geprüft werden muss, werden im Artenschutzgutachten und der Vorprüfung der Umweltverträglichkeitsprüfung die Zuwegung mit berücksichtigt. Doch diese wurde ja noch nicht einmal beantragt.“

Mithilfe ihres Anwalts konnte sie bewirken, dass die Ökostromgruppe eine andere Erschließung angeben musste, um die Genehmigung überhaupt zu erhalten, teilte Haas mit. „Diese soll nun nicht mehr über unsere Grundstücke verlaufen.“

Über einen Satz in der Genehmigung wundert sich Haas jedoch sehr. Sinngemäß geht es darin um die künftigen Umweltauswirkungen durch den Windpark und seiner Zuwegung. Zuvor durchgeführte Prüfungen – orientiert an Paragraf 7 Absatz 2 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) – hätten ergeben, dass „keine besonderen örtlichen Gegebenheiten vorliegen“. Somit wären keine besonderen Maßnahmen wie eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig.

Dementsprechend fragte sich Haas: „Wie kann man zu so einem Ergebnis kommen, wenn die Zuwegung noch gar nicht beantragt ist und diese in einem separaten Verfahren erst genehmigt werden muss?“

All diese Gutachten wurden bereits mit den Akten bei den Behörden eingereicht, wie Haas mitteilte. „Dies bedeutet, alle sind davon ausgegangen, dass die Zuwegung über uns[er Grundstück] erfolgen wird. Hätte die Vorprüfung der Umweltverträglichkeit nun aber nicht auch mit alternativen Routen gemacht werden müssen? Vor allem, da die Erschließung geändert wurde.“

Windpark schnell „durchgeboxt“ wegen Förderung?

Ende März teilte das Landratsamt den Gastronomen mit, die Entscheidung bald treffen zu müssen. Die Petition gegen das Windkraftprojekt könne dementsprechend nicht mehr berücksichtigt werden. „Eine Dame vom Landratsamt erklärte mir, dass die Ökostromgruppe nach einer gewissen Zeit ein Recht auf die Entscheidung hat und sonst Schadensersatz fordern kann“, schilderte Haas.

Der Petitionsausschuss hat Haas’ Vater mitgeteilt, dass die Ökostromgruppe an der Ausschreibung für die EEG-Zulage teilnehmen wollte und bis Ende März die Genehmigung benötigte.

Weiter sagte Haas: „Ich bin jedoch der Meinung, dass bei solchen Unstimmigkeiten in den Akten keine ordentliche Genehmigung hätte erfolgen dürfen. Und vor allem nicht auf Druck der Betreiber. Wenn ich ein Haus bauen will, kann ich auch nicht zum Bauamt gehen und sagen: bis Ende März will ich die Genehmigung, ich habe eine Förderung beantragt.“ Zudem merkte sie an:

Es geht hier schließlich nicht um eine Garage, sondern um drei überdimensional große Windräder, die mitten im Wald gebaut werden.“

„Erschreckend“ ist für Haas, dass „so ein Riesenprojekt in so kurzer Zeit durchgeboxt wird“. Insbesondere kritisiert sie die mangelnde Handhabe der betroffenen Bürger.

Allerdings hätten die Bürger nur dann das Recht zu klagen, wenn ein Thema sie in ihren privaten Rechten verletzt – selbst dann, wenn das Landratsamt gravierende Fehler gemacht hätte.

„Wenn also die neue Erschließung auch nicht gesichert wäre, sie aber nicht über unser Grundstück verläuft, haben wir hier keine Handhabe. Selbst dann nicht, wenn es so nicht hätte genehmigt werden dürfen“, bemängelte sie.

Haas ist überzeugt, dass die Behörde hier ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist. Sie hätte prüfen müssen, ob alle Angaben stimmen. „Das bedeutet: wurden Verträge geschlossen, stimmen die Angaben in den Akten, ist die Erschließung tatsächlich gesichert, wurde das Artenschutzgutachten tatsächlich durchgeführt et cetera“, zählte sie auf.

„Wir sind nicht käuflich“

Viel zu hoch seien laut Haas auch die Pachten für die Grundstücke, auf denen der Windpark errichtet werden soll. „Auch uns wurde Geld [für das Grundstück, wo die Zuwege verlaufen sollen] geboten und hätten wir gewollt, noch mehr Geld. Doch wenn wir eins nicht sind, dann käuflich“, sagte Haas.

„Bei den Summen, die da bezahlt werden, verstehe ich aber auch jeden Landwirt, der das macht“, fügte sie hinzu. Dabei fragte sie sich, ob für ein Stück Wald aus rechtlicher Sicht überhaupt so viel mehr als der eigentliche Grundstückswert jedes Jahr an Pacht bezahlt werden darf.

Hinzu kommt die Frage, ob sich der Windpark künftig finanziell lohnen werde. Das Landratsamt muss dies laut Haas nicht prüfen.

„Das läuft unter Betreiberrisiko. Wenn also die Windräder wegen der Schattensensoren, Fledermausabschaltung, Eiswurfabschaltung oder zu wenig Wind nicht laufen, ist das eben Betreiberrisiko – auch wenn dafür über drei Hektar Wald abgeholzt wurden.“ Ihr Fazit:

Das hat mit Energiewende nichts mehr zu tun.“

Das Landratsamt teilte hierzu mit, dass es für das Genehmigungsverfahren keine Vorgaben für Mindesterträge gebe. „Die Wirtschaftlichkeit der Anlage liegt im unternehmerischen Risiko des Betreibers“, bestätigte Hockenjos.

Die Epoch Times hat auch der Stadtverwaltung Oberkirch Anfragen zu diesem Thema gestellt. Diese verwies jedoch nur darauf, dass sie „in den vergangenen Monaten auf unterschiedlichen Informationswegen über das Windenergieprojekt Hummelsebene berichtet“ hatten. Aufgrund des aktuell laufenden Klageverfahrens wollte uns die Pressesprecherin jedoch „keine weitere Auskunft“ über Details mitteilen.

Haas und ihr Vater haben jetzt zusammen mit einer weiteren Anwohnerin Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg, das für den Ortenaukreis zuständig ist, gegen die Genehmigung des Windparkes erhoben. Sie warten auf die komplette Akteneinsicht.



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