Reinhardswald: Windpark statt Naturpark? – Einwände von AfD und Union
Der Naturpark Reinhardswald im Herzen Deutschlands, ganz in der Nähe von Dornröschenschloss Sababurg in Nordhessen, soll industrialisiert werden. Mindestens 20 Windkraftanlagen sind geplant. Jede davon erstreckt sich nach Fertigstellung 241 Meter in die Höhe.
Nach mehreren Baustopps sind die Bauarbeiten seit November 2024 im „Märchenwald“ der Gebrüder Grimm wieder in vollem Gange. Doch der Ausgang der anstehenden Bundestagswahl im Februar könnte den Bauprozess erneut durcheinanderwirbeln.
AfD will Projekt stoppen
Sollten SPD und Grüne erneut eine Regierung bilden können, wird der Bau voraussichtlich ohne Einwände aus Berlin zu Ende geführt. Dann werden wohl wie geplant ab 2026 riesige Kräne die Türme und Turbinen der zunächst 18 Anlagen aufbauen.
Mit erheblichem Widerstand müsste der Betreiber des künftigen Windparks hingegen rechnen, wenn die AfD die nächste Kanzlerin stellen würde. Auf ihrem Parteitag in Riesa kritisierte Parteichefin Alice Weidel am 11. Januar, dass die CDU den Märchenwald für Windkraftanlagen abholze. Sie sagte darauf bezogen:
Wenn wir am Ruder sind, wir reißen alle Windkraftwerke nieder. Nieder mit diesen Windmühlen der Schande.“
Die AfD ist in den Wahlumfragen die zweitstärkste Partei. Laut „Dawum“ liegt der Durchschnitt aller Wahlumfrageinstitute für die Oppositionspartei bei 19,9 Prozent (Stand: 11.01.2025). Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die AfD in Regierungsverantwortung nebst Stellung einer Kanzlerin kommt, da andere Parteien eine Koalitionsbildung bis dato ausschließen.
Ungewissheit bei Union
Trotz leichten Verlusts bleibt die CDU/CSU mit 30,4 Prozent weiterhin die aussichtsreichste Partei für den Sieg bei der Wahl. Wenn die Union – und damit Friedrich Merz – siegt, könnte das Projekt Windpark Reinhardswald ebenfalls ins Wanken geraten.
Zwar hat die CDU in Hessen damals mit den Grünen den Windkraftausbau im Märchenwald besiegelt, allerdings zeigte sich Merz im November nicht wirklich als Befürworter dieser Kraftwerke. Diese seien lediglich eine „Übergangstechnologie“. Bei Maybrit Illner im ZDF sagte er:
Ich glaube sogar, dass wir, wenn wir etwas richtig machen, eines Tages die Windkrafträder wieder abbauen können, weil sie hässlich sind und weil sie nicht in die Landschaft passen.“
Speziell zum Windkraftprojekt Reinhardswald hat sich Merz jedoch bisher nicht geäußert.
Bagger rollen trotz offener Klagen
Derzeit sind noch mehrere Klage- und drei Eilverfahren offen. Kläger sind etwa der Verein Naturschutzinitiative, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und die Gemeinde Wesertal.
Obwohl es noch kein Urteil gibt, hat der Windparkbetreiber Ralf Paschold die Baufirma angewiesen, die Arbeiten fortzusetzen. „Unserer rechtlichen Einschätzung nach können die Windenergieanlagen errichtet und betrieben werden“, erklärte er der Epoch Times.
Die rechtliche Einschätzung stammt von einer Berliner Kanzlei. Diese gab ein Rechtsgutachten ab. Demnach sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Verfahren zugunsten von Paschold entschieden werden, was die Fortsetzung der Bauarbeiten erlaube. Ein gewisses rechtliches Restrisiko bleibt jedoch bestehen.
Zwischenentscheidung
Bislang gibt es lediglich einen Beschluss einer Zwischenentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH). Allerdings stellt erst ein gerichtliches Urteil eine abschließende Entscheidung im Klageverfahren dar. Und das muss das Gericht noch treffen.
Das VGH hat mit der Zwischenentscheidung Vorgaben zu den Betankungsvorgängen der Baumaschinen geäußert. Ebenso zur Lagerung von Kraftstoffen. In diesem Zusammenhang sollen die Nebenbestimmungen stärker eingeschränkt werden als bisher. Konkret dürfen die Baufirmen ihre Maschinen nur außerhalb der ausgewiesenen Wasserschutzzonen betanken. Das soll das Risiko minimieren, dass während des Baus Treibstoffe austreten und den Boden sowie das Grundwasser belasten oder gar kontaminieren.
Die Arbeiten gehen also zunächst weiter. Aktuell lässt Paschold die „Aufstell- und Montageflächen“ herrichten, sagte er. Der Bau der Zuwege steht ebenfalls noch aus. Hier blockiert jedoch ein Baustopp des VGH den Fortschritt. Laut dem VGH fällt die Entscheidung darüber erst, wenn noch letzte Stellungnahmen eingeholt sind. Somit könnte es schon bald zu einer Entscheidung kommen.
Warum gerade der Reinhardswald?
Doch warum wählte der Betreiber gerade den Reinhardswald – Hessens größtes zusammenhängendes Waldgebiet – als Baustandort? Nach Aussage von Paschold sind hier ausgewiesene Windvorrangflächen des Regionalplans der Region.
„Die Ausweisung dieser Flächen wurde von einer breiten politischen Mehrheit (fast einstimmig) beschlossen und spiegelt den gesellschaftlichen Willen wider“, so der Betreiber. Er habe die Bauflächen so ausgewählt, dass möglichst geringfügig in Natur und Umwelt eingegriffen werden muss. „Zudem spielt die energetische Konfiguration dabei eine Rolle“, sagte Paschold mit Blick auf den zu erwartenden Windertrag.
Karsten Leineke von der Initiative „Windpark Reinhardswald – Wir sind dagegen“ nannte einen weiteren möglichen Grund für die Standortwahl. Der Reinhardswald sei ein gemeindefreies Gebiet und gehört dem Hessenforst an. Daher gehen dort „Genehmigungsverfahren leichter von der Hand“.
Vor- und Nachteile
Ob man in dem künftigen Windpark im Reinhardswald mehr Vorteile oder mehr Nachteile erkennt, liegt an der Perspektive des Betrachters. Als Betreiber der Anlagen sieht Paschold den Vorteil, dass diese in Zukunft „die Region und auch das Übertragungsnetz mit regenerativer Energie versorgen“ können.
„Die Anlagen werden einen sehr guten Beitrag zur Energieunabhängigkeit und zur CO₂-Vermeidung beitragen. Durch die enge Einbindung regionaler Akteure wie Kommunen, Stadtwerke und Energieversorger bleibt auch die Wertschöpfung in der Region“, erklärte Paschold. Nachteile kann er bei dem Projekt „nicht erkennen“.
Leineke sieht in dem Windkraftprojekt hingegen „keine Vorteile“. Er geht davon aus, dass die versprochenen Gewinne nicht zum Vorschein kommen. Zudem würden die Windkraftanlagen „das Landschaftsbild in einer Tourismusregion zerstören“, was demzufolge eine Bedrohung für den Tourismus an sich bedeutet. Ebenso befürchtet er eine Gefährdung der Grundwasserversorgung der Region und sinkende Immobilienwerte. Er sagte: „Im Reinhardswald finden Sie nach dem Bau der Anlagen keinen ruhigen Fleck mehr.“
Leineke sieht den Reinhardswald auch in Gefahr, da der Brandschutz „nicht organisiert und gewährleistet“ sei. „Ein Brand im Sommer würde den kompletten Wald kosten“, so der Aktivist. Wenn ein Windrad durch Blitzeinschlag oder einen technischen Mangel in Brand gerät, kann die Feuerwehr diesen aufgrund der großen Höhe nicht löschen. Sie kann nur herunterfallende brennende Teile löschen und versuchen, dass der Brand sich nicht in der Umgebung ausbreitet.
Hinzu kommt laut Leineke eine Gefährdung der Moore und der Hochwasserrisikogebiete am Fuße des Waldes durch die Windkraftanlagen. Die 20 Windräder sollen jedoch erst der Anfang sein. Sie „sind der Einstieg für mögliche bis zu 100 Anlagen auf dem Kamm des Reinhardswaldes“, sagte er.
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