Windiges Märchen im Reinhardswald: Bagger rollen wieder – trotz offener Klagen

Im Reinhardswald wird gebaut. Nach wiederholtem Baustopp aufgrund von Klagen rollen die Baumaschinen wieder. Und das, obwohl noch mehrere Verfahren offen sind. Der Betreiber und eine Bürgerinitiative schildern ihre Standpunkte.
Titelbild
Visualisierung eines Teils der geplanten Windkraftanlagen nahe der Sababurg.Foto: Rettet den Reinhardswald
Von 24. November 2024

Durch den Naturpark Reinhardswald rollen seit Mitte November wieder schwere Baumaschinen. Mitten im Herzen Deutschlands, in der Nähe des Dornröschenschloss Sababurg in Nordhessen. Und das trotz noch laufender Verfahren gegen das Projekt.

Im „Märchenwald“ der Gebrüder Grimm soll jetzt die Geschichte der deutschen Energiewende weitergeschrieben werden. Mindestens 18 Windkraftanlagen mit je 241 Meter Höhe sind geplant und seit Februar 2022 genehmigt.

Baufortsetzung trotz ausstehender Urteile

Bereits im vergangenen Jahr rollten die Baumaschinen, die Bäume rodeten und Schneisen schlugen in den traditionsreichen Wald. Der Widerstand von Bürgerinitiativen führte mehrfach zu Klagen und Baustopps. Das hat den Fortschritt der Bauarbeiten massiv verzögert.

Derzeit sind noch sechs Klage- und drei Eilverfahren offen. Die Dokumente und Schriften füllen 23 Aktenordner. Die Bürgerinitiative „Windpark Reinhardswald – Wir sind dagegen“ nennt als Kläger den Verein Naturschutzinitiative, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und die Gemeinde Wesertal.

Bauarbeiten im Reinhardswald. Foto: Rettet den Reinhardswald

Trotzdem hat der Windparkbetreiber Ralf Paschold die Baufirma angewiesen, die Arbeiten fortzusetzen. „Unserer rechtlichen Einschätzung nach können die Windenergieanlagen errichtet und betrieben werden“, erklärte er auf Anfrage der Epoch Times.

Die rechtliche Einschätzung stammt von einer Berliner Kanzlei. Diese gab ein Rechtsgutachten ab. Demnach sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Verfahren zugunsten von Paschold entschieden werden, was die Fortsetzung der Bauarbeiten erlaube.

Karsten Leineke von der Initiative „Windpark Reinhardswald – Wir sind dagegen“ hofft allerdings noch auf einen negativen Bescheid vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof genauer gesagt „im Sinne des Waldes und der Region positiven Bescheid“. Der Epoch Times teilte er mit, dass in solch einem Fall ein entsprechender Rückbau stattfinden muss. „Realistisch ist dieser im Rahmen von Fällarbeiten und verschobenem Waldboden wohl aber kaum möglich“, so Leineke.

Aktueller Bauablauf

Die seit 11. November laufenden Bauarbeiten beschränken sich laut dem Betreiber Paschold momentan nur auf die Baufelder der Windkraftanlagen-Standorte. Wir „richten Aufstell- und Montageflächen her“, sagte er der Epoch Times. Das beinhaltet auch den Bau der massiven Stahlbeton-Fundamente, die im kommenden Jahr alle im Boden liegen sollen.

„Nach Freigabe des VGH [Verwaltungsgerichtshofs] zur Umsetzung der Wegebauarbeiten werden wir auch diese Arbeiten beginnen. Es werden ausnahmslos nur diese Arbeiten umgesetzt, für die eine Freigabe des VGH vorliegt“, versicherte Paschold. Leineke teilte jedoch mit, dass „auch die Vorbereitung der Zuwegungen […] in Arbeit“ ist.

Ab 2026 sollen dann riesige Kräne die Türme und Turbinen der zunächst 18 Anlagen aufbauen.

Die Kulisse der Sababurg könnte in rund zwei Jahren von Windkraftanlagen geprägt sein. Foto: Rettet den Reinhardswald

Fortlaufender Widerstand

Gegen die Industrialisierung im Reinhardswald gab es seit mehr als vier Jahren immer wieder Demonstrationen. Dabei versammelten sich teilweise 200 bis 300 Mitstreiter. Doch Leineke wünscht sich einen noch größeren sichtbaren Widerstand. Dazu erklärte er:

Der mediale Druck genauer gesagt das entsprechende Framing gegen Windkraftgegner führt aber leider dazu, dass sich viele Menschen mit der Thematik nicht in die Öffentlichkeit trauen. Das ist besorgniserregend!“

Für Paschold kam die Opposition gegen das Projekt nicht ganz überraschend. „Wir haben auch mit Widerstand gerechnet“, sagte er. „Was wir jedoch zum Teil in bestimmten politischen Strömungen beobachten können, übersteigt das Maß. Dies betrifft jedoch nicht nur unser Projekt.“

Warum gerade der Reinhardswald?

Doch warum wählte der Betreiber gerade den Reinhardswald – Hessens größtes zusammenhängendes Waldgebiet – als Baustandort? Nach Aussage von Paschold sind hier ausgewiesene Windvorrangflächen des Regionalplans der Region.

„Die Ausweisung dieser Flächen wurde von einer breiten politischen Mehrheit (fast einstimmig) beschlossen und spiegelt den gesellschaftlichen Willen wider“, so der Betreiber. Er habe die Bauflächen so ausgewählt, dass möglichst geringfügig in Natur und Umwelt eingegriffen werden muss. „Zudem spielt die energetische Konfiguration dabei eine Rolle“, sagte Paschold mit Blick auf den zu erwartenden Windertrag.

Spuren der Bauarbeiten. Foto: Rettet den Reinhardswald

Leineke nannte einen weiteren möglichen Grund für die Standortwahl. Der Reinhardswald sei ein gemeindefreies Gebiet und gehört dem Hessenforst an. Daher gehen dort „Genehmigungsverfahren leichter von der Hand“.

Vor- und Nachteile

Ob man in dem künftigen Windpark im Reinhardswald mehr Vorteile oder mehr Nachteile erkennt, liegt an der Perspektive des Betrachters. Als Betreiber der Anlagen sieht Paschold den Vorteil, dass diese in Zukunft „die Region und auch das Übertragungsnetz mit regenerativer Energie versorgen“ können.

„Die Anlagen werden einen sehr guten Beitrag zur Energieunabhängigkeit und zur CO₂-Vermeidung beitragen. Durch die enge Einbindung regionaler Akteure wie Kommunen, Stadtwerke und Energieversorger bleibt auch die Wertschöpfung in der Region“, erklärte Paschold. Nachteile kann er bei dem Projekt „nicht erkennen“.

Leineke sieht in dem Windkraftprojekt hingegen „keine Vorteile“. Er geht davon aus, dass die versprochenen Gewinne nicht zum Vorschein kommen. Zudem würden die Windkraftanlagen „das Landschaftsbild in einer Tourismusregion zerstören“, was demzufolge eine Bedrohung für den Tourismus an sich bedeutet. Ebenso befürchtet er eine Gefährdung der Grundwasserversorgung der Region und sinkende Immobilienwerte. Er sagte:

Im Reinhardswald finden Sie nach dem Bau der Anlagen keinen ruhigen Fleck mehr.“

Leineke sieht den Reinhardswald auch in Gefahr, da der Brandschutz „nicht organisiert und gewährleistet“ sei. „Ein Brand im Sommer würden den kompletten Wald kosten“, so der Aktivist. Wenn ein Windrad durch Blitzeinschlag oder einen technischen Mangel in Brand gerät, kann die Feuerwehr diesen aufgrund der großen Höhe nicht löschen. Sie kann nur herunterfallende brennende Teile löschen und versuchen, dass der Brand sich nicht in der Umgebung ausbreitet.

Hinzu kommt laut Leineke eine Gefährdung der Moore und der Hochwasserrisikogebiete am Fuße des Waldes durch die Windkraftanlagen. Die 18 Windräder sollen jedoch erst der Anfang sein. Sie „sind der Einstieg für mögliche bis zu 100 Anlagen auf dem Kamm des Reinhardswaldes“, sagte er.



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