100 Stühle, viele Fragen: Landesregierung lud zum Bürgerforum ein

Energiedeckel, Holzklau, Schulneubau. Im Rahmen eines Bürgerforums musste Mecklenburg-Vorpommerns Landeschefin am 22. November den Besuchern Rede und Antwort stehen. Die Rahmenbedingungen waren außergewöhnlich.
Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von M-V, während des Bürgerforums im Müritzeum am 22. November 2022. Foto: Susanne Ausic/Epoch Times
Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, während des Bürgerforums im Müritzeum am 22. November 2022.Foto: Susanne Ausic/Epoch Times
Von 24. November 2022

Eine Polit-Prominenz wie zu Wahlzeiten gab es am 22. November an der Mecklenburgischen Seenplatte. Die Landesregierung gab sich ein Stelldichein und strömte am Ende des Tages aus unterschiedlichen Regionen zum Müritzeum.

Für diesen Tag hatte das „Haus der 1000 Seen“ seine Pforten für die üblichen Besucher geschlossen. Stattdessen tummelten sich dort ab 18:00 Uhr Einwohner, Unternehmer und Regionalpolitiker, um Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und ihren Kollegen auf den Zahn zu fühlen.

Ein besonderes Ambiente

„Was ist denn heute hier los?“, muss sich wohl der 500-köpfige Schwarm Maränen gedacht haben. Normalerweise erregt er mit seinem Aquarium – einem wahren architektonischen Highlight mit 100.000 Liter Wasser, das sich über zwei Etagen erstreckt, – die Aufmerksamkeit der Besucher. Im Rahmen des Bürgerforums sorgten die Fische an diesem Abend für eine friedliche Szene im Hintergrund. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Auf den knapp 100 Stühlen lagen für die Besucher jeweils ein Schreibblock und ein blaumetallic-farbener Kugelschreiber mit der Aufschrift „Mecklenburg Vorpommern – MV tut gut“ bereit. Viel zu klein schien der Raum für die vielen Menschen, deren Probleme sich in der heutigen Zeit im Angesicht der Energiekrise türmen. Im nur wenige Hundert Meter entfernten Bürgersaal hätten über 450 Personen Platz gefunden. Man habe der Veranstaltung eben einen besonderen Rahmen geben wollen, äußerte Regierungssprecher Andreas Timm auf Nachfrage der Epoch Times. Ein Schelm, der Arges dabei denkt.

Viele potenzielle Besucher wurden sicherlich davon abgehalten, kurzfristig zum Müritzeum zu kommen. Eine Anmeldung zum Bürgerforum war nur bis zum 21. November möglich. Für Spätentschlossene hieß es am Veranstaltungstag auf der Website der Landesregierung „Leider ist die von Ihnen angefragte Veranstaltung bereits ausgebucht.“ Wie groß das Interesse an der Veranstaltung wirklich war, lässt sich somit gar nicht sagen.

Dass niemand in der Kälte stehengelassen wurde, bewiesen dann doch einige Besucher, die auch ohne Anmeldung am Forum teilnehmen durften.

Kurz nach 18 Uhr war es so weit. Während noch für einige umherstehende Besucher, die keinen Platz gefunden hatten, eilig Stühle herbeigeschleppt wurden, stellte Moderator Peter Kranz, seines Zeichens Leiter der Stabsstelle Landesmarketing in der Staatskanzlei, die aus Schwerin angereisten Politiker vor. Er animierte die Anwesenden zu einem kräftigen Applaus, wohl auch, um die Temperaturen anzuheizen. Kurz zuvor hatte Kranz noch mit einem verschmitzten Lächeln ins Publikum gefragt, ob die Raumtemperatur wirklich 19 Grad Celsius betrage. Es schien ihm etwas frisch im Müritzeum.

Doppelte Energiepreise und Preisdeckelung

Wenige Minuten später betrat Manuela Schwesig den Raum. Die Ministerpräsidentin gesellte sich zu dem Moderator des Abends, bewaffnet mit einem Pappbecher, an dessen Getränk sie sich ihre Hände wärmte.

Sie sprach über Russland, das kein verlässlicher Energiepartner mehr sei und dessen Staatschef mit seinem Angriffskrieg unendliches Leid über sein Brudervolk, die Ukraine, gebracht habe, über Fördergelder, Bürgergeld, erneuerbare Energien, Gaspreisdeckel, Energiepreisbremse und noch viel mehr.

„Pi mal Daumen“ müssen Verbraucher mit ungefähr dem Doppelten der Energiepreise wie vor dem Krieg in der Ukraine rechnen, sagte Schwesig. Eine finanzielle Entlastung versprechen die angesetzten Festpreise für 80 Prozent des Verbrauchs – 12 Cent bei Gas und 40 Cent bei Strom, Bruttopreise wohlgemerkt. Die übrigen 20 Prozent Energiekosten könne man im Haushalt durch gezielte Sparmaßnahmen einschränken. Für als Härtefall bezeichnete Personen, die ohnehin schon am Limit leben, oder Einrichtungen wie Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Pflegeheime werde es gesonderte Fördertöpfe geben, so die Ministerpräsidentin weiter.

Pflegerin brennt für Frühchenstation

Die Fragen der Besucher waren vielfältig. Renate Krajewski von der Mitarbeitervertretung des Neubrandenburger Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums nutzte die Gelegenheit, um die Landesregierung auf die prekäre Lage vor Ort aufmerksam zu machen. Schon in den vergangenen Monaten hatte die Frühchenstation der Klinik, ein Perinatalzentrum Level 1, für viele Schlagzeilen gesorgt. Frühchen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm sollen zukünftig außerhalb behandelt werden, weil ihre Anzahl unter der festgelegten Mindestmenge liegt. Mütter müssen bei drohenden Frühgeburten in Zukunft ausgeflogen werden, schilderte die seit 40 Jahren tätige Krankenschwester besorgt.

Grund für diese Situation war eine politische Diskussion, wonach Kliniken Mindestmengen an Patienten erbringen müssen. Nur wenn viele Fälle behandelt werden, spreche dies für eine Qualität der Klinik, so der Konsens einer geführten Fachdiskussion, auf dessen Basis der Bundestag ein entsprechendes Gesetz beschlossen hatte – eine Auffassung, die von Ministerpräsidentin Schwesig so nicht geteilt wird.

„Masse sagt nichts über Qualität aus“, sagte sie. Viel zu spät kam aber der Hinweis aus der Landesregierung an den Bundestag. Eine nachträglich geforderte Ausnahmeregelung für die Frühchenstation war letztlich durch die Landesverbände der Kranken- und Ersatzkassen Mecklenburg-Vorpommerns abgelehnt worden. Trotzdem können im Notfall Frühchen auch weiterhin in Neubrandenburg geboren und versorgt werden – aber eben nur im Notfall. Ob eine laufende Petition das Ruder noch einmal herumreißen kann, wird sich noch zeigen.

Schulen in Not

Für Kopfzerbrechen sorgen derzeit in der Müritzstadt gleich zwei Schulprojekte, sowohl ein Neubau als auch die Sanierung einer Schule, berichteten mehrere Kommunalpolitiker. Das bereitgestellte Geld von 1,9 Millionen Euro reiche – auch aufgrund der in den letzten Jahren gestiegenen Baukosten – vorn und hinten nicht aus, um die damit verbundenen 37 Millionen Kosten zu decken.

Auch die Leiterin einer der betroffenen Schulen meldete sich zu Wort. Wenn in den nächsten Jahren die Förderzentren schließen, würden die Gebäude aus allen Nähten platzen. Das, was sich die Kommune leisten könne, reiche bei Weitem nicht aus, erklärte Schulleiterin Sylvia Hänsel.

Staatssekretär Tom Scheidung verwies darauf, dass das Land bereits 2018 eine Förderzusage erteilt habe. Die Stadt Waren habe das Projekt zunächst nicht weiterverfolgt. Auch die Ministerpräsidentin wollte sich den schwarzen Peter wegen fehlender Fördermittel nicht zuschieben lassen. In Richtung des Warener Bürgermeisters Norbert Möller (SPD) sagte sie: „Hier ist scheinbar viel Zeit ins Land gegangen. Andere Städte haben in dieser Zeit auch Schulen gebaut.“ In jedem Fall sei es besser, ein Projekt erst einmal zu Ende zu bringen, als zwei „verhungern“ zu lassen.

Um die „Kuh vom Eis zu kriegen“, schlug Stadtvertreter Olaf Gaulke einen Ortstermin vor, damit sich die Landesvertreter ein eigenes Bild über die Situation machen können.

Forstarbeiter warnt vor Holzklau

Ein „Plädoyer für den Wald“ erhob der Forstarbeiter Matthias Schwabe. Er war direkt aus dem Wald zum Bürgerforum geeilt, wie deutlich an seiner Kleidung zu sehen war. Mit Sorge betrachtet er die steigenden Energiepreise. Diese treiben den einen oder anderen Bürger in den Wald, wo sie gut abgetrocknetes Holz einfach mitnehmen. „Wenn das Totholz verschwindet, gerät der Wald in eine ökologische Schieflage“, berichtet Schwabe. Das wisse man aus der Geschichte.

Auf Schwesigs Frage, ob man überhaupt so einfach im Wald Holz sammeln dürfe, erklärte der Fachmann: „Dazu brauchen Sie die Zustimmung des Waldbesitzers. Im Nationalpark ist das sowieso nicht erlaubt.“ Gänzlich verhindern könne man das aber nicht, so Schwabe weiter.

Statt mit Verboten will die Regierung dafür sorgen, die Bevölkerung über diesen Umstand aufzuklären. „Man kann ja auch erst mal an das Gute im Menschen appellieren“, hieß es.

Viele Fragen bleiben unbeantwortet

Während sich der eine oder andere Besucher Notizen über Schwesigs Ausführungen machte, streikte hier und da einer der ausgeteilten Kugelschreiber. Selbst der Kugelschreiber der Ministerin, die sich fleißig Notizen von den Fragen der Teilnehmer machte, versagte schließlich irgendwann. Sie musste sich von ihren Kollegen einen Ersatz beschaffen.

Indes stand der Stift einer Vertreterin der Initiative „Menschlich-Stark-Miteinander“ nicht still. Die Organisation hat sich aus der Corona-Krise gekündigt und sorgt nun auch im Zeichen der Energie-Engpässe dafür, dass die Montagsspaziergänge in Waren (Müritz) am Laufen bleiben. Gritt Kraus fragte der Ministerin regelrecht Löcher in den Bauch. Die Themen waren vielfältig und sorgten für ein Tuscheln im Raum. Einige verdrehten genervt die Augen. Nur bei wenigen sorgten die Äußerungen für ein wohlwollendes Nicken.

Als logisch denkender Mensch könne Kraus die Politiker nicht verstehen. Vor allem, wenn sie für Sachen werben, für die sie nicht qualifiziert sind, schilderte Kraus. So verstoße beispielsweise die Werbung für die Corona-Impfung, die alles andere als zum Schutz der Bevölkerung beitrage, gegen das Arzneimittelgesetz.

Sie konfrontierte Schwesig auch mit der Aussage, dass die Warener Bürger ohnehin schon vorbildliche Stromsparer seien. Bereits jetzt hätten sie mit 30 Prozent Stromersparnis ihr Soll übererfüllt. „Kriegen wir einen Sonderbonus?“, wollte sie wissen.

Ferner fragte Kraus, wo denn die mit der „sogenannten grünen Energie“ verbundenen Abfälle landen sollen. Auch die Querelen um Nordstream 2 und die Gaspreisverhandlungen, die statt mit Putin mit anderen Kriegstreiber-Ländern geführt, und die vielen Millionen Gelder, die von der Regierung regelrecht „rausgeschmissen“ würden, trieben die Aktivistin um.

Aufgrund der Vielfalt der Fragen und der fortgeschrittenen Zeit ging Schwesig nicht auf all ihre Fragen ein. Sie wolle auch gar nicht versuchen, Menschen mit anderen Sichtweisen zu „bekehren“, sagte sie zu Kraus. Stattdessen lenkte sie diplomatisch den Blick auf die Frage, wie Politik funktioniert.

In der Corona-Pandemie sei man den Empfehlungen von wissenschaftlichen Beratern gefolgt, die übrigens auch nicht immer einer Meinung waren, erklärte die Ministerpräsidentin. Da ein Drittel der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern über 65 Jahre alt sei, galt es, diese Personengruppe zu schützen. Rückblickend betrachten seien Maßnahmen wie das Schließen von Spielplätzen natürlich „Quatsch“ und auch die strengen Besuchsregelungen in Pflegeheimen nicht verhältnismäßig gewesen. „Hinterher ist man immer schlauer“, so Schwesig.

An der Aussage, dass die COVID-Impfung zum Schutz der Bevölkerung beiträgt, daran hält die nach eigenen Angaben vierfach geimpfte SPD-Politikerin nach wie vor fest. Dass eine Impfung auch Nebenwirkungen hat, schließe sie allerdings nicht aus.

Ein Mütterdorf auf Rügen

Extra aus Mönchengladbach war Ulrike Ginster angereist. Ob sich die achtstündige Anfahrt gelohnt hat, wird sich erst in Zukunft zeigen. Das in Anbetracht fortgeschrittener Zeit nur kurz während des Bürgerforums vorgestellte Projekt ist in jedem Fall spektakulär. Das fanden jedenfalls viele Besucher.

Ginster plant ein Mütterdorf auf Rügen für junge schwangere Frauen in schwierigen Lebenslagen. Als idealer Ort schwebt ihr ein Gebiet zwischen Mukran und Sassnitz vor. Auf den Überresten der Schlossruine von Dwasieden will sie ihr Pilotprojekt etablieren. Das verwilderte 102 Hektar große Anwesen bietet genügend Platz.

Wie bedeutsam ihr Vorhaben ist, erklärte Ginster im Gespräch mit Epoch Times anhand von Zahlen. Mönchengladbach hat in Deutschland die höchste Alleinerziehungsrate. Seit 1975 wurden allein in Deutschland zehn Millionen gesunde Kinder abgetrieben, schilderte sie – Kinder, die in der heutigen Zeit von Fachkräftemangel und alternder Bevölkerung dringend fehlen.

„Der Staat lässt junge Frauen allein“, so Ginster. Das hat sie am eigenen Leib gespürt. Als ihr Sohn mit 16 Jahren Vater wurde, waren er und seine gleichaltrige Partnerin auf die tägliche Unterstützung durch Familie, Bekannte und Freunde angewiesen. Dank der engen Bindung zu seiner Mutter gedeihe ihr Enkelkind, schildert die engagierte Frau aus Mönchengladbach.

Die jungen Eltern haben zwischenzeitlich ihr Abitur bestanden und der Weg fürs Studium ist frei. Für den Schulleiter der jungen Mutter ein wahres Wunder. Es habe schon einige Schwangere in seiner Schule gegeben. „Du bist die erste und einzige Schülerin, die das geschafft hat“, zitiert Ginster die Worte des Direktors.

Wenn sie sich für ihr Baby entscheiden, hätten sie mit allerlei Widrigkeiten zu kämpfen. Es sei keine Seltenheit, dass die Partnerschaft vor der Geburt zerbricht. Auch auf den so notwendigen Halt aus der Familie können viele Jugendliche nicht zählen. Da bleibe oft nur der Weg ins Frauenhaus, der für vorübergehende Abhilfe sorgt.

Im Mütterdorf hingegen sollen Betroffene die erforderliche Fürsorge vor und nach der Geburt erhalten. Einzigartig daran ist, dass die Bindung zwischen Mutter und Kind im höchstmöglichen Maß gefördert werden soll. Egal, wohin die jungen Mütter gehen, sollen ihre Kinder an ihrer Seite bleiben – ob es sich um einen Friseurbesuch handelt, das Pauken für den Schulabschluss oder am Ausbildungsplatz. Die Betreuung des Kindes liegt hier in den Händen der Mutter, möglichst rund um die Uhr.

Ein Team aus Fachkräften wie Hebammen, Ärzten, Therapeuten, Hauswirtschaftern und vielen anderen Helfern soll den jungen Frauen zur Seite stehen – bis sie auf ihren eigenen Beinen stehen können und einen Berufsabschluss in der Tasche haben. Ausbildungsbetriebe wie Schreinerei, Friseurhandwerk, Bäckerei, Gärtnerei und dergleichen schweben der Initiatorin vor. Bereits jetzt hat Ginster für ihr Vorhaben 40 Frauen angeworben, die sich tatkräftig in dem Projekt einbringen und werdenden Jungmüttern zur Seite stehen wollen.

Am 3. Dezember soll diesem Vorhaben mit Vereinsgründung Leben eingehaucht werden. Fehlt nur noch das Grundstück, das notwendige Kleingeld im zweistelligen Millionenbetrag und die Unterstützung der Landesregierung. Aus Sicht der Initiatorin eine lohnenswerte Investition für die Zukunft. Ginster ist sich sicher: „Der Bedarf ist riesig!“



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion