Mars-Mission: Seismische Aktivität und Magnetfeld viel stärker als erwartet

Erstmals seid Beginn der "InSight"-Mission verraten Marsbeben etwas über das Innere des roten Planeten. Die NASA spricht von einem "überraschenden Jahr" und bezeichnet Mars als einen Planeten, der von Beben, Staubteufeln und seltsamen magnetischen Impulsen lebt.
Titelbild
Mars - der rote Planet. Marsoberfläche mit Hügeln und Kratern und Staub in der Atmosphäre. Die Elemente dieses Bildes stammen von der NASA.Foto: iStock
Von 25. Februar 2020

Am 26. November 2018 setzte das Landemodul der InSight-Mission auf dem Mars auf. Nach über einem Jahr auf dem roten Planeten erlauben gleich sechs Studien wortwörtliche Einblicke in unseren planetaren Nachbar.

Wie die NASA auf ihrer Webseite schreibt, wurden fünf dieser Arbeiten in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Eine weitere Veröffentlichung in Nature Geoscience beschreibt den Landeplatz des InSight-Landers, einen flachen Krater mit dem Spitznamen „Homestead hollow“ in einer Region namens Elysium Planitia.

InSight ist die erste Mission, die sich dem Blick tief unter die Marsoberfläche widmet. Zu den wissenschaftlichen Instrumenten gehören ein Seismometer zur Erkennung von Erd- beziehungsweise Marsbeben, Sensoren zur Messung von Wind und Luftdruck, ein Magnetometer und eine Wärmeflusssonde für Temperaturmessungen.

Geologe: Marsbeben „keine Überraschung, aber sehr cool“

Das Seismische Experiment für innere Strukturen (SEIS) hat bisher mehr als 450 seismische Signale gefunden, von denen die überwiegende Mehrheit wahrscheinlich Beben sind. Die größten Beben erreichten eine Stärke von etwa 4,0. Das reichte jedoch nicht aus, um an Informationen über den unteren Mantel und den Kern des Planeten zu gelangen.

Nicht nur reicht die Stärke der registrierten Marsbeben derzeit nicht für tiefere Information, die Forscher vermuten zudem, dass Insight „zufällig zu einer besonders ruhigen Zeit gelandet ist.“ Nach der Landung dauerte es Monate bis zur Aufzeichnung der ersten seismischen Aktivität. Ende 2019 spürte SEIS etwa zwei seismische Signale pro Tag auf. Insgesamt weist der rote Planet „eine mäßige seismische Aktivität auf, die zwischen Erde und Mond liegt“, sagen Forscher der University of Maryland.

Im Gegensatz zur Erde weist der Mars nach bisherigen Erkenntnissen keine tektonischen Platten wie die Erde wie die Erde. Dafür erzeugen vulkanisch aktive Regionen ein Rumpeln. Dies belegen zwei Beben, die eng mit einer solchen Region namens Cerberus Fossae verbunden waren. Dort fanden die Forscher mögliche uralte Felsstürze in bis zu 1.300 Kilometer langen Kanälen, ausgelöst durch Marsbeben.

Bis zu 1.300 km lange Flutrinnen in der Region Cerberus Fossae deuten auf kombinierte vulkanisch-tektonische Prozesse auf dem Mars hin.

Bis zu 1.300 km lange Flutrinnen in der Region Cerberus Fossae deuten auf kombinierte vulkanisch-tektonische Prozesse auf dem Mars hin. Foto: NASA/JPL-Caltech/University of Arizona

Innerhalb der letzten 10 Millionen Jahre versickerten dann Lavaströme in diesen Kanälen – ein Wimpernschlag in geologischer Zeit. Einige dieser jungen Lavaströme zeigen Anzeichen dafür, dass sie vor weniger als 2 Millionen Jahren durch Beben zerbrochen wurden.

„Das ist so ziemlich die jüngste tektonische Erscheinung auf dem Planeten“, sagte Planetengeologe Matt Golombek vom NASA Jet Propulsion Laboratory (JPL). „Die Tatsache, dass wir in dieser Region Anzeichen von Beben sehen, ist keine Überraschung, aber es ist sehr cool.“

Geister eines verschollenen Magnetfelds

Messgeräte des Landers haben in Homestead hollow zehnmal stärker magnetische Signale aufgespürt, als auf der Grundlage von Daten von Raumfahrzeugen angenommen. Die Messungen der Orbiter können jedoch lediglich Mittelwerte über „einige hundert Meilen“ ermitteln, während die Messungen von InSight sehr lokal sind.

Beide Messmethoden weisen darauf hin, dass der Mars vor Milliarden Jahren ein Magnetfeld hatte. Obwohl es heute nicht mehr vorhanden ist, hat es Beweise hinterlassen. Diese alten, magnetisierten Gesteine liegen „irgendwo in einer Tiefe von ein paar hundert Metern bis zu zehn Kilometern“ unter der Marsoberfläche, heißt es in einer Studie der Universität von British Columbia (UBC).

Da die meisten Oberflächengesteine am Standort von InSight zu jung sind, um durch das frühere Feld des Planeten magnetisiert worden zu sein, „muss dieser Magnetismus von alten Gesteinen im Untergrund kommen“, sagte die Planetenwissenschaftlerin Catherine Johnson von der UBC und dem Planetary Science Institute.

Die Instrumentenkamera von „Insight“ zeigt ziehende Wolken im Sonnenuntergang. Im Vordergrund das SEIS-Instrument zur Messung von Marsbeben. Foto: NASA

Neben den „Magnetfeldgeistern“ haben die Instrumente ein Phänomen registriert, das im Dunkeln pulsiert. Genau wie die Erde ist der Mars dem Sonnenwind ausgesetzt, der ein interplanetares Magnetfeld. „Da alle unsere bisherigen Beobachtungen des Mars von der Spitze seiner Atmosphäre oder sogar aus noch größeren Höhen erfolgten, wussten wir nicht, ob sich Störungen im Sonnenwind an die Oberfläche ausbreiten würden“, so Johnson weiter.

Der Sensor erfasste Fluktuationen im Magnetfeld zwischen Tag und Nacht und kurze, mysteriöse Pulse um Mitternacht. „Wir glauben, dass diese Pulse auch mit der Wechselwirkung des Sonnenwindes mit dem Mars zu tun haben, aber wir wissen noch nicht genau, was sie verursacht“, sagte Johnson. „Immer wenn man zum ersten Mal Messungen macht, findet man Überraschungen, und das ist eine unserer ‚magnetischen‘ Überraschungen.“

Mehr Wirbelstürme als an jedem anderen Ort auf dem Mars

Neben seismischen und magnetischen Signalen misst InSight nahezu kontinuierlich Windgeschwindigkeit, -richtung und Luftdruck. Die Sensoren des Landers haben seither Tausende Wirbelstürmen – sogenannten Staubteufel – aufgezeichnet. „An diesem Ort gibt es mehr Wirbelstürme als an jedem anderen Ort, an dem wir […] auf dem Mars gelandet sind“, sagte Aymeric Spiga, ein Atmosphärenforscher an der Sorbonne-Universität in Paris.

Ein Staubteufel aufgenommen vom Mars-Rover Opportunity.

Ein Staubteufel aufgenommen vom Mars-Rover Opportunity. Foto: NASA/JPL-Caltech

Ist der Kern des Mars flüssig oder fest?

Trotz all dieser Aktivität und der häufigen Aufnahmen haben die Kameras von InSight noch keine Staubteufel gesehen. SEIS wiederum kann diese Wirbelstürme wie einen riesigen Staubsauger an der Oberfläche spüren. „Wirbelstürme sind perfekt für die unterirdische seismische Erkundung“, sagte Philippe Lognonné vom Institut de Physique du Globe de Paris (IPGP)

InSight verfügt zudem über zwei Funkgeräte. Eines zum regelmäßigen Senden und Empfangen von Daten und ein leistungsfähigeres Funkgerät, das das „Wackeln“ des Mars bei seiner Drehung messen soll. Dieses „Rotations- und Innenstruktur-Experiment“ (RISE) kann schließlich zeigen, ob der Kern des Planeten fest oder flüssig ist.

Ein fester Kern würde den Mars weniger wackeln lassen als ein flüssiger. Erkenntnisse darüber stehen noch aus und sollen in den folgenden Monaten auf dem Mars erfasst werden. Die Insight-Mission soll noch bis mindestens zum Ende des Marsjahres – etwa Ende 2020 – dauern.

(Mit Material von NASA, ETH Zürich, Cornell University, University of Maryland und University of British Colombia)

 



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