„Die Situation wird in unserem Land zunehmend schwieriger“: Fachmann zur vierten Dunkelflaute
Kaum Sonne, kaum Wind. Bereits zum vierten Mal in diesen Wintermonaten befindet sich Deutschland in einer sogenannten Dunkelflaute.
Von den rund 30.000 Windkraft- und rund 4,8 Millionen Photovoltaikanlagen ist momentan nicht viel Stromausbeute zu erwarten. Bisheriger Tiefpunkt war am Mittwochabend. Die besagten sogenannten erneuerbaren Anlagen mit einer installierten Leistung von inzwischen rund 172 Gigawatt (GW) brachten es zu dieser Zeit lediglich auf gut 2 GW – also nur 1,2 Prozent.
Die aktuelle Dunkelflaute unterscheidet sich in einem prägnanten Punkt von den bisherigen: der Dauer. Um zu erfahren, was das für unsere Energieversorgung und das Stromsystem bedeutet, durfte Epoch Times dem Fachmann Dr. Christoph Canne, Bundespressesprecher der Bundesinitiative Vernunftkraft, einige Fragen stellen.
Deutschland befindet sich aktuell in einer weiteren Dunkelflaute. Ab wann spricht man von einer Dunkelflaute, also ab welcher Zeit, ab welchem maximalen Anteil der Erneuerbaren?
Der Begriff der Dunkelflaute ist ein Kunstwort. Es kombiniert „dunkel“ und damit wenig oder keinen Output [Anm. d. Red.: Ertrag] von Solaranlagen mit einer „Windflaute“, also der gleiche Zustand von Windkraftanlagen.
Es gibt dabei auch keine allgemeingültigen Schwellwerte für die Wind- und Solarstromproduktion und es gibt auch keine allgemeingültige Definition, wie lange der Zustand andauern soll, um als Dunkelflaute gezählt zu werden.
Auch kann es einen Unterschied machen, ob man mit einer einmaligen Überschreitung des definierten Schwellwertes die Dunkelflaute als beendet sieht oder ob man fordert, dass die Schwellwerte für einen längeren Zeitraum überschritten werden. Wenn man folglich Auswertungen zum Auftreten von Dunkelflauten betrachtet, können Autoren durchaus unterschiedliche Definitionen zugrunde legen.
Im Gegensatz zu den bisherigen drei Dunkelflauten dauert die aktuelle über mehrere Tage an. Was bedeutet das für die deutsche Stromversorgung?
Die Situation wird in unserem Land zunehmend schwieriger, da wir immer mehr grundlastfähige Erzeuger – Kernkraftwerke wie Kohlekraftwerke – abschalten beziehungsweise abgeschaltet haben.
Der Ausbau von Wind- und Solarstrom hilft bei einer Dunkelflaute wenig bis nichts. Am 15. Dezember abends haben diese in der Spitze nur circa 2 GW geliefert, das waren etwa 3 Prozent des Strombedarfs von 70 GW zu diesem Zeitpunkt. Dies bedeutet, dass wir selbst mit der doppelten Kapazität an Wind- und Solarstromanlagen nur bis 6 Prozent des Bedarfs decken könnten.
In diesen Situationen benötigen wir also wetterunabhängige Erzeugung. Je mehr wir davon abschalten, ohne dass die Bundesregierung mit dem Bau von Gaskraftwerken vorankommt, desto gefährlicher wird die Situation.
So sah sich zuletzt auch RWE-Chef Markus Krebber genötigt, mit sehr dramatischen Worten vor den Gefahren für unsere Stromversorgung zu warnen: „Und wir tun in Deutschland (seit Jahren) so, als sei die Frage nach dem Zubau von gesicherter Leistung etwas, was sich aufschieben lässt. Dabei sehen wir schon heute ganz klar, was passiert, wenn man Leistung abschaltet und den Erneuerbaren kein Backup zur Seite stellt.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Sind wir jetzt dauerhaft abhängig von Stromimporten?
Ja, definitiv. Solche Mangelsituationen unterschiedlicher zeitlicher Länge sind in der Systematik der deutschen Energiewende unvermeidlich und so benötigt man Importe, um diese Lücken füllen zu können. Zudem stabilisiert die günstige französische Kernkraft sowie die günstige schwedische Wasserkraft in diesen Situationen die eskalierenden Strompreise in Deutschland – das ist positiv.
Da muss man natürlich zwei Dinge sehen: Zum einen setzen Importe als Gegenmittel zu Dunkelflauten voraus, dass unsere Nachbarn nicht dieselbe Energiepolitik wie wir betreiben. Würden diese unserem Beispiel folgen und verlässliche gegen unzuverlässige Erzeuger austauschen, könnten sie uns in einer Dunkelflaute immer weniger helfen, sondern wären selbst damit konfrontiert.
Zum zweiten sorgen deutsche Dunkelflauten auch für steigende Preise wie in Schweden und dies hat die schwedische Regierung jüngst mit sehr deutlichen Worten kommentiert. Norwegen denkt sogar darüber nach, die Übertragungsleistung nach Deutschland zu reduzieren. Das könnte auf der europäischen Ebene für deutsche Energiewendepolitiker mehr und mehr unangenehm werden.
Gibt es auch wieder erhöhte Börsenstrompreise?
Ja, das gehört auch zu Dunkelflauten dazu, wobei der Spitzenpreis durchaus schwanken kann. Dies hängt mit der sogenannten Merit-Order-Systematik zusammen: Das teuerste Kraftwerk, das gerade noch ans Netz gehen muss, damit die Stabilität des Stromnetzes gewahrt bleibt, bestimmt den Preis.
Wenn also der Strombedarf nicht ganz so hoch ist und das Ausland Strom zu uns exportieren kann, bleiben die Preise im Rahmen. Tritt jedoch eine extrem kalte Dunkelflaute auf, so benötigt Frankreich in der Regel seinen Strom aufgrund seiner vielen privaten Elektroheizungen selbst. Dann müssen bei uns auch sehr teure Erzeuger ans Netz und der Preis schießt nach oben.
Unterm Strich tragen aber auch die Dunkelflauten dazu bei, dass Deutschland schon bei den Börsenstrompreisen im Vergleich zu Frankreich immer teurer wird: 2024 wurden im Schnitt in Deutschland 7,85 Cent pro Kilowattstunde (Ct./kWh) bezahlt, in Frankreich nur 5,8 Ct./kWh.
Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile einer Dunkelflaute?
Nun, selbstverständlich gibt es in jedem Marktzustand auch Profiteure. Phasen der Dunkelflaute erlauben es ausländischen Erzeugern, ihren Strom zu hohen Preisen auf dem deutschen Markt zu verkaufen.
Die französische EDF beispielsweise weiß solche Umstände sicherlich zu schätzen. Sie werden zu dem zuletzt publizierten Bilanzüberschuss von 10 Milliarden Euro ihren Beitrag geleistet haben.
In dieser Woche war auch der Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg. Wäre die Dunkelflaute ein Thema, wenn die Kernkraftwerke (KKW) noch am Netz wären?
Es käme darauf an. Hätte man die letzten drei oder die letzten sechs KKW am Netz gelassen, würde es trotzdem die gleiche Anzahl Dunkelflauten geben, aber ihre Wirkung wäre wesentlich weniger bedrohlich. Diese haben zuverlässig 8 GW Strom zu jeder Tages- und Nachtzeit geliefert. Diese Menge fehlt nun in diesen kritischen Phasen.
Der KKW-Ausstieg hat uns so in beiden Dimensionen schwer geschadet: Er hat die Strompreise nach oben gejagt und die Versorgungssicherheit ist bedenklich gesunken.
Wie viele Dunkelflauten erwarten sie noch in diesen Wintermonaten?
Dies kann niemand prognostizieren. Wir haben bei einer Dunkelflaute mit einem statistischen Ereignis zu tun, das immer wieder stochastisch zuschlagen wird. Wenn es extrem übel wird – durch eine kalte Dunkelflaute, die hohe inländische Stromnachfrage und wenig Exporte unserer Nachbarn bedingt –, wird das System eben zum Kipppunkt gebracht. Dann erfolgen kontrollierte Abschaltungen [Brownouts].
Ab wann ist mit dem Gegenteil, der Hellbrise, zu rechnen, wenn erneuerbare Energien unser Stromnetz mit Strom „fluten“ werden?
Die Hellbrise ist sogar noch bedenklicher als die Dunkelflaute. Hinter diesem Begriff steckt folgende Situation, die an sonnenreichen Tagen zwischen Frühjahr und Herbst auftreten kann: ein wolkenloser, blauer Himmel, eine reichlich strahlende Mittagssonne und gegebenenfalls zusätzlich noch ein leichter Wind über Deutschland.
Durch den hohen Zubau an Photovoltaik in den vergangenen drei Jahren sind wir an dem Punkt angekommen, dass produzierter Solarstrom gegen die Mittagszeit die nachgefragte Strommenge übersteigen kann. Und ein signifikanter Anteil dieser Erzeugungskapazität – nämlich die Klein- und Balkonanlagen – kann von den Netzbetreibern nicht gesteuert werden.
Dies ist für die Netzbetreiber eine nicht mehr handhabbare Situation. Bevor eine Übereinspeisung die Netzstabilität gefährdet, müssen sie sich für die Abschaltung ganzer Wohngebiete entscheiden. Da der Solarausbau nach wie vor unreflektiert weitergeht, werden wir dies in den nächsten Jahren in immer bedrohlicherer Form erleben.
Sollten sich die Menschen auf Stromausfälle vorbereiten?
Die Risiken für unsere Stromversorgung nehmen systematisch zu und die Politik scheint nicht geneigt zu sein, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Diese Situation macht eine gewisse Notstromkapazität sicherlich sinnvoll.
Man muss aber nicht panikartig handeln, Vorsorge ist angesichts dieser Gefahren sicherlich kein Fehler.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Maurice Forgeng.
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